Mit dem Projekt Ocean der Lufthansa sollen künftig Langstreckenflüge zu touristischen Feriendestinationen angeboten werden. Auf den ersten Blick klingt das Konzept recht simpel – gleichzeitig wirft es doch etliche Fragen auf, die einen faden Beigeschmack mit sich bringen.
Seit dem Bekanntwerden des Projekt Oceans der Lufthansa Group verfolge ich gespannt die Entwicklungen und lese nicht selten harsche Kritik. Für einige Passagiere ist das neue Projekt aber auch ein Grund zur Freude, so bietet die Lufthansa wieder typisch touristische Langstrecken an. Doch hinter der Fassade des Projektes verbergen sich leider auch etliche Nachteile sowie ein Durcheinander, das wohl nicht jeder auf den ersten Blick verstehen kann.
Projekt Ocean startete inmitten der Krise
Zugegebenermaßen hat die Lufthansa das Projekt Ocean bereits geplant, bevor die Corona-Krise im vergangenen Jahr begonnen hatte. Trotz allem kam es für viele doch überraschend, als Anfang Juli und inmitten der Coronakrise erst die Planung einer neuen Airline bei Lufthansa bekannt und am 10. Juli dann die Gründung eines neuen Flugbetriebes offiziell verkündet wurde. Zuvor machte die Lufthansa nämlich hauptsächlich mit dem ewigen Prozess der Staatshilfe auf sich aufmerksam, bei dem das Unternehmen sich letztendlich neun Milliarden Euro an Finanzhilfe sicherte. Dies zog auch Personalentlassungen und Ausflottungen etlicher Maschinen mit sich – verwunderlich war das nicht, schließlich ist der Tourismus eine der am härtesten betroffenen Branchen der Krise, Airlines allen voran.
Unter Betrachtung der allgemeinen Prognose, dass sich das Urlaubsgeschäft schneller und vollständiger erholen wird, als etwa geschäftliche Reisen, ist es für mich jedoch auch verständlich, dass Lufthansa den Schritt hin zum touristischen Geschäft nicht scheut. Vor diesen Hintergründen klingt es also nur logisch, dass sich die Lufthansa auf das touristische Geschäft konzentriert.
Doch trotz allem stieß das Projekt bei der Verkündung nicht unbedingt bei jedem auf große Freude. Sicherlich war der Zeitpunkt – nur wenige Wochen nach Bestätigung der Staatshilfe – mehr als fragwürdig.
Die Frage stellt sich schon, ob die Lufthansa mitten in der größten Krise seit dem 11. September so viel Geld in die Hand nehmen muss, um den ohnehin schon angeschlagenen Carriern Condor und Tui Konkurrenz im Touristikgeschäft zu machen. Wir gehen von jahrelangen Anlaufverlusten aus.
Markus Wahl, Präsident der Vereinigung Cockpit (VC)
Aber nicht nur die Konkurrenten Condor und TUIfly dürften wenig erfreut gewesen sein, auch die Gewerkschaften äußerten sich prompt kritisch. Denn diese hatten Sorge, dass Ocean zu einem “Verschiebebahnhof nur zur Kostensenkung wird” und zu einer Gefahr wird, bei der “der Arbeitgeber schalten und walten kann, wie er will”.
Langstrecke oder Mittelstrecke – Brussels und Eurowings?
Nachdem zu Beginn wenig konkrete Informationen über das Projekt bereitstanden, gab es im Laufe der letzten Wochen und Monate immer weitere Details zu Ocean. Besonders interessant war dabei, dass Lufthansa Überlegungen ankündigte, auch Ziele auf der Mittelstrecke zu bedienen. Zudem sollten auch Brussels Airlines, die Billigtochter Eurowings und Lufthansa Cityline, welche zuvor auf wenigen touristischen Langstrecken operierte, mit ins Boot geholt werden. Konkret berichteten wir im November über ein solches Vorhaben:
Genauer gesagt, soll CityLine, zusammen mit Eurowings und Brussels Airlines unter der neuen Sub-Marke vereint werden. Aber nicht nur das: Denn wie nun bekannt wurde, soll Ocean auch auf der Mittelstrecke zum Zuge kommen, besonders wenn es um Urlaubsziele geht.
Auszug aus dem Artikel “Lufthansa: Ocean auch auf Mittelstrecke denkbar”
Besonders ironisch an dieser Stelle ist natürlich bereits der Fakt, dass sowohl Eurowings als auch Brussels Airlines das Geschäft der Ocean mit voranbringen sollen. Kurios ist das vor allem deshalb, da eine große Anzahl an touristischen Langstrecke bereits von Eurowings bedient wurde – zusammen mit Brussels Airlines und SunExpress. Da ebendiese Strecken jedoch mehr als defizitär waren, wurden diese zum Teil eingestampft und zum anderen Teil direkt an Lufthansa übertragen.
Doch auch wenn allein diese Tatsache bei einigen Zweifeln schürte, wurden die Pläne immer konkreter. So sollten im Winter 2020/2021 erste Urlaubsflüge ab Frankfurt mit drei Flugzeugen von Brussels Airlines im Eurowings-Auftritt durchgeführt werden. Auch wenn Brussels Airlines erst mal als Zwischenlösung fungieren sollte, um das Projekt voranzutreiben bis Ocean die Betriebserlaubnis erhält, könnten einige von Euch bereits verwirrt sein. Der neue Flugbetrieb heißt Ocean, jedoch wurden die Flüge von Brussels Airlines im Eurowings-Auftritt durchgeführt? In der Tat scheint das auf den ersten Blick kompliziert. Dabei handelt es sich jedoch um ebendieses alte Konzept, dass ich bereits erwähnt hatte. Genauer gesagt bedeutet dies, falls Ihr einen solchen Flug buchen würdet: Ihr sitzt in einem Eurowings lackierten Flugzeug, werdet aber von einer Brussels Airlines Crew verpflegt und Eure Flugnummer wäre die von Ocean.
Doch neben der unklaren Situation um die im Prozess involvierten Airlines der Lufthansa Group, gab es zwischendurch auch einige Verwirrung bei der Auswahl der Destinationen. Nachdem das Projekt Ocean eigentlich ausschließlich die Langstrecke betreffen sollte, waren plötzlich doch Ziele am Mittelmeer im Gespräch. Inzwischen wissen wir zwar, dass dieses Vorhaben wieder vom Tisch ist, trotz allem bringt dies letzten Endes den Anschein, dass man sich bei der Findung der Strategie wohl mehr als uneinig war bzw. sogar möglicherweise noch ist.
Aufkündigung des Vertrages mit Condor
Uneinigkeit bei Findung der Strategie herrschte mit Sicherheit aber auch, da die Lufthansa aktuell noch als Zubringer der Condor fungiert. Dabei bringt die Lufthansa Passagiere von anderen deutschen Flughäfen sowie aus dem europäischen Ausland nach Frankfurt, wo dann der Umstieg auf die Condor stattfindet – ein Angebot, dass rund ein Drittel aller Condor-Passagiere nutzt. Wie wir wissen, steht das Projekt Ocean jedoch in Konkurrenz zur Condor, was sicherlich einer der ausschlaggebenden Gründe war, weshalb Lufthansa Anfang Dezember die Zusammenarbeit ab Mai 2021 aufkündigte. Für Condor bedeutet dies nun enorme Einschnitte für deren Langstrecken, denn Kunden, die nicht ab Frankfurt reisen, können so kaum mehr ein einheitliches Flugerlebnis geboten bekommen.
Für Condor war relativ schnell klar, dass dies ein Versuch ist, die Airline vom Markt zu drängen. Schließlich möchte Lufthansa selbst auf dem Markt agieren.
Wir halten es für nicht vertretbar, dass Lufthansa neun Milliarden Steuergelder verwendet, um zu versuchen, ein Unternehmen, das ebenfalls staatlich gerettet wurde, aus dem Markt zu drängen.
Sprecherin der Condor zum gekündigten Abkommen
Besonders mit Blick auf die aktuelle Situation und die hohe Summe der Finanzhilfen zeigte sich die Airline erbost, was diese auch zum Anlass nahm letzten Endes eine Kartellbeschwerde einzuleiten. Dabei warf die ehemalige Lufthansa-Tochter den “Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Lufthansa” vor, heißt, dass die Airline das Monopol ausnutze, um andere Airlines weiter vom Markt zu verdrängen. Besondere Gefahr sieht Condor demnach am Flugangebot, schließlich bedient die Lufthansa Group bereits jetzt schon alleinig alle innerdeutschen Strecken.
Kritik an Arbeitsverträgen
Gegenwind am Projekt Ocean kam aber nicht etwa nur von der Konkurrenz, auch Gewerkschaften sowie das eigene Lufthansa Personal äußern sich immer wieder kritisch. Immer wieder hörte man so von den Sorgen, dass man versuchen könne, die Kosten beim Personal zu drücken, um die Langstrecken wirtschaftlicher zu gestalten. Kaum verwunderlich, wenn man weiterhin bedenkt, dass Eurowings die touristische Langstrecke einstampfte, da diese nicht die erwünschten Ergebnisse erbrachte.
Als dann im September die ersten Stellen ausgeschrieben wurden, sorgte dies für großes Aufsehen bei den Gewerkschaften – denn die neuen Jobs sollten ausschließlich intern vergeben werden. Die Lufthansa äußerte sich damals mit folgender Stellungnahme:
Lufthansa kann bestätigen, dass die neu gegründete Ocean am 9. September ein Bewerbungsverfahren gestartet hat, um rund 300 Cockpit- und Kabine-Stellen zu besetzen. Es handelt sich um eine interne Ausschreibung, mit der wir Mitarbeitern aus der Lufthansa Group in diesen schwierigen Zeiten eine Perspektive bieten können.
Sprecherin der Lufthansa Group
Gewerkschaften interpretierten diese Sätze jedoch sofort und machten klar, dass die bedeuten könnte, dass das Personal für den neuen Ferienflieger nicht dauerhaft eingeplant wird, sondern womöglich lediglich einen befristeten Arbeitsplatz mit schlechteren Tarifbedingungen bekommt.
Wie sich zeigte, bestätigten sich ebendiese Sorgen relativ schnell, so bot Lufthansa dem Personal des neuen Flugbetriebs deutlich schlechtere Tarifbedingungen an, wie etwa bei der Lufthansa selbst. Viele fragen sich nun, wie das möglich sein kann – schließlich gehört dies doch alles dem Konzern an, der über Tarifverträge verfügt? Doch ebendies ist die Krux an der Sache, denn durch die Gründung des neuen Flugbetriebs und dem Fungieren als eigenständiges AOC kann das Unternehmen beim Projekt Ocean andere Tarifverträge anbieten als den Beschäftigten bei Lufthansa oder der Eurowings selbst. Wer zumindest schon mal einen Einblick in die Eurowings hatte weiß auch, dass hier bereits ein ordentliches Gehaltsgefälle im Vergleich zur Mutterfirma zu erkennen ist und man so nun erahnen kann, wie die neuen Verträge der Ocean aussehen können.
Kritisch könnte man das Vorhaben also bereits unter normalen Umständen sehen, wenn auch der wirtschaftliche Gedanke dahinter vonseiten des Unternehmens wenigstens ein bisschen nachvollziehbar ist. Doch blickt man auf die aktuelle Situation, bei der viele Airline-Mitarbeiter sowieso um ihren Job bangen und sich seit März zum Großteil in Kurzarbeit befinden, so wirkt die Strategie seitens der Lufthansa wie ein abgekartetes Spiel.
Das Vorgehen der Lufthansa hatte zur Folge, dass sich Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaften relativ schnell äußerten und in einem öffentlichen Brief die Regierung aufforderten, “die geplante Tarifflucht zur Not mit politischer Intervention zu stoppen”. Schließlich seien die neun Milliarden Euro Finanzhilfe dazu da, Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern und nicht unter dem Deckmantel eines neuen Großprojektes, die Situation auszunutzen.
Doch trotz der Bemühungen, der Lufthansa die Stirn zu bieten und den Arbeitnehmern faire Verträge zu liefern, scheint der Konzern davon wenig wissen zu wollen. Ganz im Gegenteil, die Suche wird immer akuter und bringt abstruse Angebote mit sich, die letzten Endes bei mir zumindest nur ein Kopfschütteln hinterlassen.
Umbenennung in Eurowings Discover
Doch wer nun denkt, dass man all die Sachverhalte und das Durcheinander nicht mehr überbieten kann, hat offenbar die letzten Neuigkeiten der Airline verpasst. Denn nun wurde bekannt, dass das Projekt Ocean kurzerhand zu Eurowings Discover umbenannt wird. Hierbei sollen eigene A330-Maschinen dann nicht nur im Eurowings Discover Logo abheben, sondern der Name Ocean sogar im Handelsregister zu Eurowings Discover geändert werden. Zudem soll ein neuer IATA-Code festgelegt werden, der “4Y” lautet. Vielleicht fallen hier dem ein oder anderen Zusammenhänge auf, denn der IATA-Code der Germanwings lautete bereits “4U”, ausgesprochen “for you” oder eben umgangssprachlich “for u”. Als kleine Randnotiz: der Flugbetrieb von Germanwings wurde übrigens zu Beginn der Krise geschlossen, nachdem die Kosten für das Personal der Germanwings der Lufthansa bereits Monate zuvor ein Dorn im Auge waren. Lange hatte Eurowings angestrebt, zu einem AOC zu werden, was ihnen tatsächlich im Laufe der Krise und dank all der “Absonderungen” größtenteils gelungen ist und gerade innerhalb Europas aufgrund der schlankeren Kostenstruktur höhere Gewinne mit sich bringt.
Wirkt insgesamt fast so, als würde die Lufthansa wieder eine touristische Langstrecke unter dem Eurowings Namen aufbauen wollen, jedoch mit geringeren Kosten als zuvor, oder? Für mich leider nur ein weiterer Indiz, dass es sich beim Projekt Ocean bzw. beim neuen Flugbetrieb Eurowings Discover um ein abgekartetes Spiel handelt, dass ausschließlich Nachteile für das Personal mit sich bringt. Die Krise war dabei mit Sicherheit der beste Zeitpunkt, den die Lufthansa finden konnte, um ebendiese Pläne durchzusetzen.
Fazit zum Durcheinander beim Projekt Ocean der Lufthansa
Bereits seit Ankündigung des Projektes Ocean der Lufthansa herrscht eine angespannte Atmosphäre gegenüber diesem. Auch, wenn ich zu Beginn noch uneingenommen und still den Werdegang verfolgte, wurde auch ich mit der Zeit immer kritischer. Denn auch wenn der Zeitpunkt der Gründung des Flugbetriebes sicherlich für viele schon zweifelhaft genug war, ist für mich der ganze Prozess bis hin nun zur Umbenennung zu Eurowings Discover noch viel zweifelhafter. Denn für mich wirkt es leider so, als würde Lufthansa die Krise dafür nutzen, um einen Nachfolger der touristischen Langstrecke bei Eurowings wieder aufzubauen, nur eben unter wirtschaftlicheren Bedingungen, die Einschnitte für das gesamte Personal mit sich bringen. Ich bin zumindest sehr gespannt, wie sich das Projekt in Zukunft entwickeln wird und hoffe zumindest für das Personal, dass diesem nicht dasselbe Schicksal wie der ursprünglichen Eurowings Langstrecke widerfährt.
Frechheit 1200 SunExpress Kollegen und 700 Germanwingsler auf die Straße setzen und dann dort für noch schlechtere Konditionen einstellen inklusive Kompletten Bewerbungsverfahren
Ich wundere mich ja über den Begriff “touristische Ziele” in Verbindung mit der Lufthansa – bekanntlich fliegen die ja weltweit, wenn auch zu “Linien-Konditionen”, und sicherlich freuen die sich auch über jeden Touristen, der an Bord kommt.
Dem Kontext entnehme ich, dass du vor allem Billigheimer meinst: Nun ja, Geiz ist bekanntlich geil, und die eher durchschnittlich verdienende Großfamilie wird sich eher nicht Lufthansa leisten… Trotzdem muss man festhalten, dass die Budget-Preise weder gegenüber dem eigenen Personal noch der Umwelt gegenüber fair und damit gerechtfertigt sind.
Hey Ralf, so ist es. Touristische Ziele steht hier im Kontext eben mit allen Langstrecken-Destinationen, die hauptsächlich auf das touristische Geschäft abzielen, wozu z.B. Cancún, Varadaero, Malé, Windhoek, … zählen. Liebe Grüße
Aber mal ehrlich: Wenn ich “Billigheimer” bin, wähle ich mir doch einen Carrier wie Qatar, Ethiopian, SIA usw. bei denen ich zum Teil weniger zahle als bei LH und nicht nocht extra für Gepäck, Sitzplatzauswahl, Check-in, Kopfhörer und ein Gläschen Wein zur Mahlzeit bezahlen muss.
Es wird bei den europäischen Legacy-Carriern immer von “Billig-Töchtern” gesprochen, die aber schon ohne jegliche Zusatzleistung teurer sind als die Erstgenannten, die schon alles inklusive haben. Richtig ärgerliche Augenwäscherei, finde ich.
Interessanter Artikel!
Und was wird für Service an Bord geboten?
Billigflieger-Selbstzahlung für alles oder 5-Sterne-Qualität inklusive?
Hey Gunnar, da bin ich ebenso gespannt wie du! Sobald wir dazu Informationen haben, schreibe ich natürlich direkt darüber. Viele Grüße