Nach langem Hin und Her war eigentlich alles geregelt, doch dass die Aktionäre dem aktuellen Rettungspaket zustimmen, wird immer unwahrscheinlicher. In Berlin trifft man sich zu Nachverhandlungen.

Das Rettungspaket der Lufthansa ist das Thema schlechthin in der deutschen Luftfahrtbranche. Die Geschichte scheint dabei auch noch lange nicht vorbei, denn das ausgehandelte Paket bedarf noch der Zustimmung der Aktionäre. Obwohl selbst die EU-Kommission sowie der Aufsichtsrat bereits zugestimmt haben, fehlt noch das Votum der Anteilseigner. Eben jenes könnte allerdings negativ ausfallen, was primär am Ankeraktionär Heinz Hermann Thiele liegt, der strikt gegen das Paket ist. Gleich mehrere neue Erkenntnisse machen eine Annahme des aktuell ausgehandelten Hilfspakets unwahrscheinlicher.

Zweidrittelmehrheit bei der Hauptversammlung erforderlich

Besonders problematisch ist für die Lufthansa, dass bei der Hauptversammlung an diesem Donnerstag nicht wie erhofft eine einfache Mehrheit zur Annahme des Rettungspakets ausreichen wird. Da sich viele Kleinaktionäre nicht für die Hauptversammlung angemeldet haben und damit ein relevanter Teil des Kapitals nicht vertreten ist, müssen die anwesenden 38 Prozent des Kapitals (nicht gleichzusetzen mit der Zahl der Aktionäre) die Entscheidung über das Rettungspaket mit einer Zweidrittelmehrheit treffen. Die Lufthansa hatte zuvor versucht, Kleinaktionäre zur Teilnahme zu bewegen, war mit diesem Versuch allerdings nicht erfolgreich, wie unter anderem die FAZ bezugnehmend auf einen internen Brief von Lufthansa-Geschäftsführer Carsten Spohr berichtet.

Lufthansa Airbus A330 Düsseldorf

Eine Zweidrittelmehrheit unter den anwesenden Investoren gilt allerdings als eher unwahrscheinlich, da sich der größte Einzelaktionär gegen die Annahme der Hilfen ausgesprochen hat. Nach Medienberichten stehen zudem auch andere Aktionäre der Kapitalseite dem Paket kritisch gegenüber, gerade bei den großen institutionellen Teilhabern. Ausgewählte Fonds wie Union Investment und DWS haben dagegen laut Handelsblatt schon ihre Zustimmung zum Paket verlauten lassen. Die geringe Teilnehmerquote führt allerdings generell schon dazu, dass Heinz Hermann Thiele mit seinem Votum entscheiden kann, ob das Hilfspaket angenommen wird oder nicht. Die aktuellen Vorzeichen stehen auf Ablehnung. Für die Lufthansa, die heute auch noch aus dem DAX abgestiegen ist, sind dies problematische Nachrichten. Der Plan B der Fluggesellschaft sieht ausschließlich eine Insolvenz in Eigenregie vor, mit gravierenden Folgen für Passagiere und Anteilseigner zu gleich.

Lufthansa trifft Vorkehrungen und bezahlt Gehälter verfrüht

Wie prekär die Lage ist, zeigt besonders eine Einzelmaßnahme. Wie die FAZ mit Bezug auf den genannten Brief von Carsten Spohr an die Belegschaft berichtet, wird die Zahlung der Gehälter für den Juni auf den heutigen Tag vorgezogen – ein bislang einmaliger Vorgang bei der Fluggesellschaft. Man wolle damit einen “ungestörten Gehaltszahlungsverlauf gewährleisten”, heißt es von Spohr. Dieser Schritt deutet darauf hin, dass die Insolvenz keineswegs nur ein Planspiel ist, sondern mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit doch eintreten könnte. Entsprechende Pläne wurden schon vor einigen Wochen diskutiert.

Dass die Lage ernst ist, geht aus den Mahnungen von Spohr mehr als deutlich hervor. So erklärt er unter anderem, man müsse “möglicherweise zeitnah zur Hauptversammlung ein insolvenzrechtliches Schutzschirmverfahren beantragen.” Das Vorziehen der Gehälter scheint dabei nicht die einzige Vorbereitung auf eine potenzielle Insolvenz zu sein, denn Spohr erklärt weiter, dass man schon weitere Vorkehrungen getroffen habe. Selbst wenn es zu einem Insolvenzverfahren in Eigenregie kommen würde, wäre kein immanentes Grounding notwendig – mit umfangreichen Vorbereitungen würde ein Stopp des Flugbetriebs selbst bei einer Insolvenz verhindert werden, lässt Spohr wissen.

Nachverhandlungen des Rettungspakets in Berlin

Während immer unwahrscheinlicher erscheint, dass das aktuelle Rettungspaket angenommen wird, könnte in Berlin heute ein neuer Kompromiss getroffen werden. Wie die FAZ erfahren hat, treffen sich dort heute Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Lufthansa-Chef Carsten Spohr sowie Heinz Hermann Thiele zu einem Elefantentreffen. Drei der vier (ohne Thiele) hatten bereits den Kompromiss für das aktuell zur Abstimmung stehende Paket ausgehandelt. Primäres Thema dürfte sein, dass beim Hilfspaket noch einmal nachgebessert wird. Man kann sich sicher sein, dass der Fokus dabei eine Verbesserung der Bedingungen für die Lufthansa sein wird. Möglich wäre dies etwa im Rahmen eines kleineren Gesamtpaketes, das aufgrund von Hilfen aus anderen Ländern für die Lufthansa-Töchter debattiert wird.

lufthansa airbus a320 landeanflug

Ob es bei denen Gesprächen heute Ergebnisse geben wird, ist unklar. Sollten sich die Bedingungen ändern, müsste möglicherweise auch die EU-Kommission erneut zustimmen – sie hatte das Paket unter den aktuellen Konditionen nur mit Einschränkungen durchgewunken. Für die Lufthansa und auch für Thiele geht es heute allerdings um Einiges. Klar ist dabei: Thiele muss überzeugt werden, dem Paket entweder zuzustimmen oder sich zumindest zu enthalten. Das Handelsblatt spekuliert, dass beides theoretisch möglich ist, allerdings wohl nur mit Zugeständnissen. Klar scheint: Thiele möchte seine Macht im Konzern weiter ausbauen und möglicherweise sogar die Kontrolle übernehmen – dafür könnte er sogar eine Insolvenz hinnehmen.

Fazit zur Neuverhandlung des Rettungspakets

Der Krimi rund um die Hilfen für die Lufthansa geht weiter. Heinz Hermann Thiele kann nach Gutdünken alleine entscheiden, ob die Lufthansa vom Staat gerettet werden kann oder in die Insolvenz in Eigenregie muss – entsprechende Vorbereitungen hat die Airline bereits getroffen. Bei dem Elefantentreffen in Berlin könnten heute wegweisende Entscheidungen fallen, unter anderem mit Blick auf ein kleineres und für die Lufthansa möglicherweise attraktiveres Programm. Das könnte auch bedeuten, dass der gesamte Prozess inklusive Zustimmung von Aufsichtsrat, EU-Kommission und Aktionären noch einmal von vorne losgeht.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Wir werden wohl nie erfahren, wer da im Hintergrund welche Strippen gezogen hat. Aber Herr “Spar” sollte wohl mit beiden Möglichkeiten zufrieden sein, entweder erhält er Mrd vom Staat oder er ist ungeliebte Dinge wie Pensionsfonds und Gewerkschaften los. Win-Win Situation.

    Ich werde dann jedenfalls keine Flüge mehr bei dieser Group (wie sie dann auch immer heißen wird) buchen. Denn eins ist sicher, nach einer Insolvenz wird der Niedergang des gebotenen Services and Geschwindigkeit zunehmen.

    • Ich bin ganz bei dir. Ich habe in der Gruppe noch Tickets im Wert von knapp 2500€ “liegen”
      Sollten Sie Insolvenz gehen durch einen Großkotz, hoffe ich, dass ihn der Blitz beim Scheißen trifft.
      Ich werde dann auf jeden Fall, auch nicht geschäftlich, mit denen Fliegen.

      • Hallo Pawel, wir können Euren Unmut und die Aufregung über diese Thematik natürlich durchaus gut nachvollziehen, möchten Euch aber dennoch bitten, sachlich und respektvoll zu kommentieren. Vielen Dank

  • D.h. für uns Passagiere dann?
    Rückzahlungen ausgefallener Flüge kann man abschreiben?
    Ob anstehende Flüge dann noch so großzügig umgebucht werden, fällt auch weg?

    • Hallo Alexander, da lässt sich aktuell nur spekulieren. Ich würde die nächsten Tage abwarten, selbst bei einer Insolvenz gibt es ganz unterschiedliche Varianten – auch mit Blick auf Rückzahlungen und Umbuchungen.

    • Da die kleinsten Gläubiger (z. B.) Kunden immer die letzten sind, wenn es um die Verteilung von Geldern geht, ist das aus meiner Sicht sehr wahrscheinlich … aber lasse mich gerne einmal eines Besseren belehren, wenn es dazu kommt (womit ICH stark rechne)

      Und der Grund für das ganz sind dann gierige Aktionäre, nicht eine sogenannte Pandemie, weil es kann doch nicht sein, dass man an einem Hilfspaket eines Landes rumkritisiert, bei dem letztlich der Steuerzahler (und dazu zählen in erster Linie die vielen nicht Millionäre und viele die praktisch nie fliegen (können)) die Zeche zahlt um ein Privatunternehmen zu retten. Da muss man nehmen was man bekommt und sich ganz klein machen, es gibt da kein Recht Forderungen zu stellen. Aber wie gesagt, die Aktionäre die da was verhindern können haben eh nur die Maximierung ihres eigenen Profits im Blick … davon kann dann jeder halten was er will

      Gruß Bred

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