Die Situation in der Luftfahrt ist aktuell auch ohne Konkurrenzkampf hart. Doch der irische Billigflieger Ryanair hat für viele weitere Airline ein weiteres Problem heraufbeschworen – Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof.

Das Coronavirus hat das Geschäftsmodell vieler Fluggesellschaften auf den Kopf gestellt und an den Rand der Pleite gebracht. Ohne Staatshilfen hätte ein nicht unbedeutender Teil der europäischen Airline-Landschaft vermutlich nicht überlebt. Während allerdings viele staatliche Airlines gerettet wurden, gab es für transnationale Fluggesellschaften wie den Billigflieger Ryanair oder auch easyJet wenige oder gar keine Hilfen. Dass das nicht jeder fair findet, kommt nicht überraschend. Ryanair allerdings scheint sich auch nicht mit den Entscheidungen abzufinden und klagt nun gegen zahlreiche Konkurrenten vor Gericht, wie die Wirtschaftswoche berichtet.

Condor und Lufthansa im Visier von Ryanair

Wie ernst es die Iren mit ihrer neuen Klagewelle meinen, zeigt ein Blick auf die schiere Anzahl an Verfahren vor dem EuGH. In Luxemburg müssen die Richter voraussichtlich in zahlreichen Fällen darüber entscheiden, ob gewährte Staatshilfen den Wettbewerb verzerren oder nicht. Die Liste der von Ryanair beklagten Fälle ist dabei lang und umfasst im Prinzip alle nationalen Fluggesellschaften von Bedeutung. Gegen die deutschen Airlines Condor und Lufthansa, die Ryanair beide anklagt, äußert sich Ryanair-Chef Michael O’Leary besonders scharf, denn er sieht weder die Hilfen für Condor noch die für die Lufthansa als gerechtfertigt an. Mit Blick auf die Condor-Hilfen heißt es von Ryanair:

Eine Hilfe für eine Fluglinie mit drei Prozent Marktanteil, die Airlines mit einem größeren Betrag zur weltweiten Anbindung Deutschlands bloß deshalb ausschließt, weil sie nicht Deutsch sind, ist offen ungesetzlich.

Statement von Ryanair zu den Condor-Staatshilfen

Im Rahmen einer Stellungnahme zu der Klage gegen die Condor heißt es zudem weiter:

Es ist unerträglich, dass die deutsche Regierung für mehr als eine halbe Milliarde eine kleine Fluglinie rettet, die bereits vor der Covid-19 Pandemie Geld geblutet hat.

Stellungnahme von Ryanair zu den Staatshilfe-Klagen

Viel rosiger fällt die Meinung von Michael O’Leary auch nicht zur Lufthansa und der deutschen Regierung aus:

Es ist zutiefst ironisch, dass die deutsche Regierung, die alle anderen EU-Länder über die Einhaltung der EU-Vorschriften belehrt, keine Hemmung hat, die Vorschriften über staatliche Beihilfen zu brechen, wenn es um die Lufthansa geht.

Statement von Michael O’Leary zu den Lufthansa-Staatshilfen

Die Klage von Ryanair gegen Condor dreht sich dabei um den Kredit von 550 Millionen Euro, welchen die staatseigene KfW-Bank der Condor im Rahmen des Schutzschirmverfahrens gewährt hat. Bei der Lufthansa geht es um die hohe einstellige Milliardensumme, welche der Airline durch ein komplexes Konstrukt mit Anteilen, Garantien und Krediten zur Verfügung gestellt wurde, um durch die Krise zu kommen. Ryanair dagegen hatte trotz eines relevanten Marktanteils in Deutschland und auch vielen anderen Ländern keine Hilfen bekommen.

Mindestens elf Klagen gegen Staatshilfen für Wettbewerber

Gleichzeitig allerdings geht Ryanair keineswegs nur gegen die beiden deutschen Platzhirsche vor, auch gegen Hilfen in anderen Ländern klagt Ryanair. Laut Angaben der WirtschaftsWoche hat Ryanair bereits elf Klagen eingereicht, viele davon bereits im November. Damit aber noch nicht genug, denn Ryanair möchte in den kommenden Wochen noch weitere Verfahren lostreten, womit sich auch andere Fluggesellschaften warm anziehen müssen. Dass Ryanair mit Klagen gegen Airlines wie Condor oder die Lufthansa begonnen hat, kommt dabei nicht überraschend, denn in Deutschland tut sich Ryanair besonders schwer – anders als in anderen europäischen Märkten. Dennoch hält das Iren nicht davon ab, auch andere Konkurrenten wegen ihrer Staatshilfen an den Pranger zu stellen.

Air France 1

Im Visier von Ryanair tauchen fast alle Airlines mit Rang und Namen auf. Bereits auf der Anklagebank zu finden sind etwa Finnair aus der oneworld-Allianz und Air France-KLM, neben Lufthansa und British Airways die dritte große Netzwerk-Airline des Kontinents. Auch aus dem Partnerkreis der Lufthansa findet man bereits zwei Airlines aus der Anklageliste von Ryanair. Neben der nordischen Airline SAS ist auch TAP Portugal betroffen. Alle genannten Airlines wurden mit Staatshilfen gerettet. In Planung ist laut Ryanair zudem eine Klage gegen Austrian Airlines sowie weitere EU-Fluggesellschaften. Nicht auf dem Tableau scheint dagegen eine Klage gegen die Staatshilfen für die Swiss, was vermeintlich damit zusammenhängt, dass eine solche Klage vor nationalen Gerichten verhandelt werden müsste, wo die Chancen schlechter und die Kosten für Ryanair höher sind.

Langer Kampf mit offenem Ausgang vor dem EuGH

Wie die Erfolgschancen von Ryanair vor Gericht stehen, lässt sich aktuell noch schwer absehen. Die Airline hat dabei allerdings einen besonderen Weg gewählt, denn anstatt vor nationalen Gerichten in den verschiedenen Mitgliedsstaaten zu klagen, hat Ryanair eine Art Abkürzung gewählt. Die Airline klagt nicht gegen die Staatshilfen an sich, sondern nur gegen die Genehmigung derer durch die Europäische Kommission. Juristisch ist das entscheidend, denn nur durch diesen Klageweg kann Ryanair sich direkt an den EuGH wenden und sich den (teuren) Weg über die nationalen Gericht sparen. Doch hinter dem Weg von Ryanair steckt auch in anderer Hinsicht Kalkül, denn die Iren erhoffen sich vor dem EuGH bessere Chancen. Der Gerichtshof entscheidet häufig weniger im Sinne eines Landes als es nationale Gerichte tun und sieht im fairen Wettbewerb zudem ein besonders hohes Gut.

lufthansa airbus a320 landeanflug

Dennoch erscheint es unwahrscheinlich, dass die Luxemburger Gerichte die Staatshilfen per se für ungültig erklären. In der Vergangenheit gab es wenig Fälle, bei denen der EuGH eine von der Kommission gewährte Staatshilfe nachträglich negiert hatte. Gerade in Zeiten des Coronavirus erscheint es entsprechend fraglich, ob die Richter ob der besonderen Situation einen Präzedenzfall schaffen wollen. Genau darauf allerdings hofft Ryanair, denn sobald es ein Urteil im Sinne der Iren gibt, dürfte dieses Signalwirkung haben. Entsprechend gibt sich O’Leary auch durchaus siegessicher, wenngleich ihm bewusst ist, wie langsam die juristischen Mühlen mahlen:

Ich glaube, wir werden Erfolg haben. Es wird sicher drei oder vier Jahre dauern, ehe wir recht bekommen, und bis dahin wird die Lufthansa so viel Geld mit ihren Monopolstrecken in Deutschland verdient haben, dass sie die Staatshilfe zurückzahlen kann. Aber niemand weiß, wie viele Wettbewerber sie in der Zwischenzeit schädigen oder gleich aufkaufen wird.

Ryanair-Chef Michael O’Leary in einem Interview mit der Zeit

Fraglich erscheint mit Blick auf das Verfahren zudem, was eine Entscheidung des EuGH für Folgen hätte. In einigen Fällen würde ein Verbot der Staatshilfen die sichere Pleite für die jeweilige Fluggesellschaft bedeuten, was wiederum den Mitgliedsstaaten kaum zu verkaufen wäre. Klar ist aber auch, dass eine Entscheidung nicht allzu bald fallen wird. In den meisten Verfahren ist voraussichtlich auch im kommenden Jahr noch nicht mit einer Entscheidung zu rechnen.

Fazit zu den Ryanair-Klagen gegen die Konkurrenz

Ryanair geht intensiv gegen die Konkurrenz vor und stellt diese mit Blick auf die Staatshilfen an den Pranger. Vor dem Europäischen Gerichtshof will Ryanair im Prinzip gegen alle Konkurrenten vorgehen, die Hilfen aus Steuergeldern erhalten haben. Die Erfolgschancen sind unklar und die Verfahren werden lange dauern, doch gänzlich unbegründet scheint das Vorgehen von Ryanair gleichzeitig nicht. Man kann gespannt sein, wie die Luxemburger Richter die Lage einschätzen und wie die Folgen für die Airline-Industrie in Europa aussehen würden.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Selbstverständlich bin ich auch für Staatshilfen für Ryanair – in ihrem Heimatland, wo sie (lol: keine) Steuern zahlen und ihre Verantwortung gegenüber Beschäftigten und der Gesellschaft (lol: nicht) wahrnehmen.

    Wenn also die irischen Subventionen in einem vernünftigen Verhältnis zur Summe von gezahlten Steuern und Sozialabgaben stehen, wird niemand etwas dagegen haben.

  • Klar, dass Ryanair klagt. Denen geht’s ja auch nach wie vor blendend, da sie einfach ihr Personal nicht bezahlen und somit kaum Kosten haben. Dementsprechend ist es auch gut, dass die keine oder wenige Staatshilfen erhalten. Würde ja direkt alles in die Taschen vom Milliardär O‘Leary wandern und keineswegs für personelle Besserungen sorgen, denn die würde er garantiert trotzdem nicht bezahlen…

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