Die Änderungen bei Miles & More erscheinen auf den ersten Blick weniger schlimm als erwartet. Der Startschuss zum neuen System ist allerdings nur eine Momentaufnahme – teurer dürften die Tickets nun schleichend werden.

Ohne Frage gab es viel Aufsehen rund um die geplanten Umstellungen bei Miles & More – dynamische Preise statt fixen Werten und zudem die Ankündigung von höheren Preisen in der Business und First Class. Unsere ersten Analysen haben dabei gezeigt: So schlimm ist es gar nicht, denn auf einigen Strecken sind die Werte sogar niedriger, auf anderen zumindest oft nur moderat höher. Doch sollte man deshalb schon aufatmen? Eher nicht, denn der Zauber des flexiblen Systems aus Sicht von Miles & More ist, dass sich die Preise mit der Zeit in gut tarierten Schritten erhöhen lassen – ohne eine Ankündigung und daher ohne Aufschrei.

Ein milder Start in die Welt der dynamischen Preise

Wirft man einen ersten Blick auf die neuen Preise für Prämienflüge bei Miles & More kann man fraglos von einem milden Start sprechen. Ja, es gibt bei First Class Awards teils Steigerungen um bis zu 50 Prozent und auch in der Business Class kosten Tickets in einigen Fällen relevant mehr. Doch durch die Bank sind die Entwertungen eher moderat, mit ein wenig Optimierung beim Abflughafen lassen sich sogar teils relevant niedrigere Werte realisieren als in der Vergangenheit.

Lufthansa Business Class Airbus A380 Sitze Sehr Wenig Privat
Die Lufthansa Business Class lässt sich teilweise sogar günstiger buchen

Ob das in allen Fällen so beabsichtigt ist, darf man zwar hinterfragen. Klar ist aber: Der milde Start dürfte durchaus im Interesse von den Machern des neuen Programms sein, denn allzu viel Gegenwind zu Beginn kann viele Mitglieder vertreiben und vom weiteren Meilensammeln absehen lassen. Unter dem Titel “Keine Angst vor den Änderungen bei Miles & More” hatte ich diesen Umstand auch schon vor dem 3. Juni in einer Kolumne beleuchtet. Klar war schon damals: Das Programm ist für die Lufthansa zu attraktiv, um die Kunden komplett zu vertreiben.

Entsprechend darf man sich bei Miles & More nun im Großen und Ganzen über recht gutes Feedback zum neuen Programm freuen. Loben kann man, dass die neue Suche trotz des Andrangs zumindest am Anfang erstaunlich gut funktioniert hat und auch, dass die Verfügbarkeiten auf den ersten Blick recht gut aussehen. Das in Kombination damit, dass insbesondere sehr weite Strecken – die bei Miles & More zuvor auch verhältnismäßig günstig waren – relevant teurer geworden sind, dürfte für eine gewisse Beruhigung unter den Meilensammlern sorgen. Dies wiederum dürfte ganz im Interesse von den Machern bei Miles & More sein.

Besonders attraktive Einlösungen mit Verfallsdatum

Weniger im Interesse von Miles & More dürfte es dagegen sein, dass es teils unverschämt günstige Einlösungen im neuen System gibt. Bei unseren Recherchen nach den günstigen Abflughäfen für First Class Awards sind uns etwa First Class Flüge nach Hongkong für unter 60.000 Meilen aufgefallen. Technisch gesehen ergibt es Sinn, dass auch bei bezahlten Tickets günstigere Abflughäfen niedrigere Werte aufweisen – ob allerdings gar so hohe Abstände und damit ein Discount von fast 50 Prozent zum alten System gewünscht sind, darf man bezweifeln.

Lufthansa First Class Boeing 747-8
Teilweise lässt sich die First Class deutlich günstiger als zuvor buchen

Fraglich erscheint auch, ob bei den Routen an die US-Ostküste alles so bleibt, wie am ersten Tag. Nach Toronto geht es momentan schon für weniger als 40.000 Meilen, während Montreal viel teurer zu erreichen ist. In der Economy Class gibt es derweil gar Tickets, die sich für unter 100 Meilen buchen lassen. Kuriositäten dieser Art findet man einige, sodass man erst einmal abwarten sollte, ob die besonders attraktiven Einlösungen in dieser Form Bestand haben.

Gleiches gilt für die Einlösungen in Europa, die auf den ersten Blick einen hoch attraktiven Eindruck machen. Einige Routen zu Feriendestinationen kosten bei bezahlten Tickets in der Hochsaison mittlerweile oft viele hundert Euro selbst in der Economy Class. Mit Meilen lassen sich an ausgewählten Tagen für hohe vierstellige Werte in der Business Class buchen, wodurch sich selbst gegenüber der Economy Class eine enorme Ersparnis ergibt. Wünschenswert wäre es, dass diese Optionen bleiben, aber vermutlich wird nach und nach an einigen Stellschrauben gedreht.

Schleichende Entwertung ohne weitere Ankündigung

Vergessen darf man in diesem Kontext nämlich nicht, dass die Umstellung auf das dynamische System mit drei Monaten Ankündigungsfrist die letzte Vorwarnung für Meilensammler war. Ab jetzt kann Miles & More im Grunde machen, was man möchte. Die “dynamischen” Preise können einfach so im gesamten Netzwerk um 10 Prozent teurer werden oder aber auch einfach auf bestimmten Strecken verdoppelt werden – so richtig nachvollziehen lässt sich das mit Blick auf die schier unendliche Zahl an Strecken und Möglichkeiten nur schwerlich.

Swiss Business Class Boeing 777 300 Fensterplatz
Mit der Zeit dürften die Preise im neuen System steigen

Gesehen hat man ein vergleichbares Vorgehen auch bei vielen anderen Programmen mit dynamischen Preisen. Bei Flying Blue wurden Prämienflüge nach Nordamerika in den vergangenen Jahren sukzessive teurer und kosten mittlerweile meist knapp 50 Prozent mehr als bei der ursprünglichen Einführung der flexiblen Auf Ähnliches muss man sich bei Miles & More wohl auch einstellen.

Wie schnell es gehen kann, zeigt sich schon jetzt. Haben wir bei unseren gestrigen Recherchen direkt zum Programmstart noch Business Class Flüge von Berlin nach New York für knapp 40.000 Meilen gefunden, sind es jetzt durch die Bank etwa 45.000 Meilen. Ein Fehler beim ursprünglichen Preis oder eine Entwicklung aufgrund vieler Buchungen zum attraktiven neuen Preis? Unklar, aber ein hervorragendes Beispiel dafür, wie undurchsichtig die neue Preisgestaltung in Zukunft sein wird.

Auf der Suche nach der richtigen Balance

In den nächsten Monaten gilt es damit auch für beide Seiten – Miles & More einerseits und Meilensammler andererseits – die richtige Balance zu finden. Wünschenswert wäre es, wenn die Preise zumindest über mehrere Monate eine gewisse Konstanz aufweisen würden, damit Meilen auch weiterhin strategisch gesammelt und später eingelöst werden können. Ebenfalls wäre es wünschenswert, wenn sich die Verfügbarkeiten weiterhin positiv entwickeln.

Lufthansa Allegris Business Class Sitz 2
Wünschenswert wäre eine gewisse Konstanz im Programm

Meilensammler sollten dem Programm gleichzeitig offen gegenüberstehen, denn fairerweise muss man sagen, dass die ersten Änderungen weniger schlimm sind als erwartet. Auch weiterhin lohnen sich nicht nur das Meilen sammeln, sondern auch die Optimierung der Einlösung – dies durch die gravierenden Abweichungen bei Abflug- und Zielflughäfen sowie anderen Preisen für Partner-Awards – noch viel mehr als in der Vergangenheit.

Lange auf großen Meilenbergen sitzenzubleiben, ist derweil ebenso nicht ratsam. Denn bei aller anfänglichen Freude muss man davon ausgehen, dass besonders attraktive Einlösungen wegfallen und die Preise sukzessive steigen werden – zu hoffen bleibt, dass dies in einer sehr moderaten Geschwindigkeit erfolgt. Dann bleibt das Miles & More Programm auch in Zukunft für beide Seiten ein Gewinn.

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Autor

Moritz hat sich über die Jahre ein enormes Wissen über Finanzprodukte und Luxusreisen angeeignet. Für Luxushotels, First Class Flüge sowie die Details von Kreditkarten, Tagesgeldkonten und mehr ist Moritz genau der richtige Ansprechpartner!

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