Man steht am Flughafen, freut sich bereits auf den Urlaub und erfährt dann, dass der Flieger überbucht ist oder sogar komplett ausfällt. Doch wie sehen die Fluggastrechte bei Annullierung eigentlich aus?
Was genau steht mir zu, wenn die Airline mich nicht befördern kann und muss ich eine Umbuchung akzeptieren? All diesen Fragen widmen wir uns im ausführlichen Guide und stellen klar, was Passagiere hinzunehmen haben und wogegen man sich wehren kann.
Inhaltsverzeichnis
Wann greifen Fluggastrechte bei Annullierungen?
Die Verordnung Nr. 261/2004 regelt die Fluggastrechte und schützt alle Passagiere, die entweder mit einer beliebigen Airline in der EU abfliegen oder in der EU landen und mit einer Airline unterwegs sind, die Ihren Sitz innerhalb der Europäischen Union hat. Bei allen anderen Strecken findet diese Verordnung leider keine Anwendung und Ihr seid hier auf das jeweilige Landesgesetz oder die Kulanz der Airline angewiesen. Auch wenn Ihr auf einem so genannten Standby-Ticket für Airline-Angehörige unterwegs seid, gilt die EU-Verordnung für Euch nicht. Doch die Verordnung regelt nicht nur die Fluggastrechte bei Verspätungen, sondern auch die Fluggastrechte bei Annullierung eines Fluges.
Eine Annullierung kann mehrere Gründe haben. Beispielsweise kann es vorkommen, dass Ihr auf Grund einer Überbuchung nicht mitgenommen werden könnt. In diesem Fall wird zwar nicht der gesamte Flug annulliert, aber Eure Beförderung findet nicht statt, weshalb dies als Flugausfall für Euch gewertet wird. Ein weiterer Grund könnte beispielsweise aber auch ein technisches Problem am Flugzeug sein. In diesen Fällen greift die Verordnung. Auch eine Vorverlegung der Flugzeit um mehrere Stunden wird als Annullierung gewertet und Euch stehen in diesem Fall die gleichen Fluggastrechte zu, wie bei einem kompletten Ausfall des Fluges (BGH, Urteil vom 9. Juni 2015, Az. X ZR 59/14).
Anders sieht dies bei den sogenannten außergewöhnlichen Umständen aus. Bei einem außergewöhnlichen Umstand steht dem Fluggast weiterhin zwar eine Betreuungsleistung am Flughafen zu, eine Entschädigung bei einer Annullierung aufgrund außergewöhnlicher Umstände gibt es allerdings nicht.
Ein außergewöhnlicher Umstand liegt beispielsweise vor, wenn die Annullierung des Fluges auf Grund eines unvorhersehbaren Unwetters zustande kommt oder beispielsweise mit einer plötzlichen politischen Instabilität begründet wird.
Welche Fluggastrechte stehen mir bei Annullierungen zu?
Die Fluggastrechte bei Annullierung eines Fluges sehen diverse Ansprüche des Passagiers vor, solange kein außergewöhnlicher Umstand vorliegt. Solltet Ihr mehr als zwei Wochen vor dem Abflug über eine Annullierung von der Fluggesellschaft informiert werden, so habt Ihr die Möglichkeit zwischen einer Erstattung des Ticketpreises oder einer alternativen Beförderung zum Zielort zu wählen. Eine Entschädigung steht Euch in diesem Fall allerdings nicht zu. Bei der Wahl des alternativen Beförderungszeitraums seit Ihr laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes (Az. X ZR 50/22) flexibel und könnt diesen selbst bestimmen, sofern auf dem Alternativflug noch Plätze vorhanden sind.
Auch kurzfristigere Verschiebungen müssen teilweise vom Fluggast akzeptiert werden, ohne dass es eine Entschädigungszahlung gibt. Solltet Ihr 7 bis 14 Tage vor Abflug von einer Änderung des Fluges informiert werden, so steht Euch keine Entschädigung zu, wenn der alternative Abflug maximal zwei Stunden früher ist oder Ihr maximal vier Stunden später landet. In diesem Fall könnt Ihr zwar selbstverständlich eine Erstattung des Ticketpreises fordern und den Flug nicht antreten, eine zusätzliche Entschädigung gibt es allerdings nicht.
Findet die Annullierung des ursprünglichen Fluges kurzfristiger statt und Ihr werdet bis maximal sechs Tage vor Abflug darüber informiert, so ändern sich diese Regeln ein wenig. Selbstverständlich könnt Ihr auch dann eine Erstattung des Ticketpreises fordern, eine Entschädigungszahlung gibt es aber nur, wenn Ihr mit dem Ersatzflug mehr als eine Stunde früher abfliegt oder später als zwei Stunden nach der ursprünglich geplanten Landung ankommen würdet. Startet, beziehungsweise landet Euer angebotener Ersatzflug innerhalb dieser Zeit, so steht Euch keine Entschädigung zu.
Kann die Fluggesellschaft Euch nur einen alternativen Flug stellen, der außerhalb der genannten Zeiten abfliegt beziehungsweise am Zielort ankommt, so könnt Ihr Euch neben der Erstattung des Ticketpreises oder der alternativen Beförderung auch noch auf eine Entschädigungszahlung freuen. Selbstverständlich gilt dies auch dann, wenn Euch einfach keine Alternative seitens der Airline angeboten wird. Die Entschädigungszahlung ist dabei abhängig von der geplanten Flugdistanz. Dabei gilt diese Staffelung:
- Weniger als 1.500 Kilometer: 250 Euro
- Weniger als 3.500 Kilometer: 400 Euro
- Mehr als 3.500 Kilometer: 600 Euro
Wie bereits erwähnt, ist dies Teil einer EU-Verordnung. Diese Rechte greifen also nur, wenn Euer Abflug innerhalb Europas stattfindet, oder Ihr innerhalb Europas landet und die Airline Ihren Sitz in Europa hat. Außerdem erhaltet Ihr keinerlei Entschädigungszahlungen, wenn die Airline sich an die rechtzeitige Bekanntgabe der Annullierung gehalten hat, oder ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt. In letzterem Fall stehen Euch allerdings am Flughafen zumindest die sogenannten Betreuungsleistungen zu, die Ihr selbstverständlich auch erhaltet, wenn Ihr erst am Tag des Abfluges am Flughafen über die Annullierung informiert werdet.
Dies bedeutet, dass Euch nach einer bestimmten Zeit Versorgungsleistungen seitens der Airlines zu stehen. So erhaltet Ihr kostenlose Getränke, Mahlzeiten und die Möglichkeit kostenfrei zwei Telefonate zu führen oder Mails abzuschicken, wenn Euer Flug mit einer Distanz bis maximal 1.500 Kilometern mehr als zwei Stunden verspätet ist, beziehungsweise der Alternativflug frühestens zwei Stunden später startet. Liegt Eure Flugdistanz zwischen 1.500 und 3.500 Kilometer, gibt es diese Leistungen nach drei Stunden Wartezeit und bei Flügen mit mehr als 3.500 Kilometer erst ab vier Stunden Wartezeit. Sollte der Alternativflug erst am nächsten Tag stattfinden, so muss die Airline für eine Übernachtung im Hotel sowie den Transfer zu diesem Hotel aufkommen.
Wird Euer Flug ersatzlos annulliert und ist Teil einer Flugreise mit mehreren Destinationen, die alle auf einen Buchungsvorgang zurückzuführen sind, so steht Euch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 18. April 2023, Az. X ZR 91/22) die Rückerstattung aller Tickets zu, die in diese Buchung inkludiert waren. Selbst wenn dies mehrere Airlines und Abflüge aus Nicht-EU-Ländern inkludiert, besteht der Erstattungsanspruch. Auch die Rückflüge werden durch diese Regelung gedeckelt.
Wie setze ich Fluggastrechte bei Annullierung durch?
Grundsätzlich habt Ihr hier verschiedene Möglichkeiten. Ihr könnt Euch beispielsweise direkt an die Airline wenden. Hier solltet Ihr unbedingt auf die EU-Verordnung verweisen, eine angemessene Zahlungsfrist setzen und hartnäckig bleiben. Viele Airlines versuchen, um die Ausgleichszahlungen herumzukommen und werden Euch erst einmal vertrösten wollen oder direkt ignorieren. Durch das Setzen einer Frist bei der Airline habt Ihr die Möglichkeit, nach Ablauf dieser, eine Mahnung zu versenden. Dies ist der Zeitpunkt, an dem die meisten Airlines einknicken. Ist das nicht der Fall, wäre der nächste Schritt das Einreichen einer Klage. Wenn Ihr Euch den Aufwand sparen wollt, solltet Ihr Euer Geld dennoch nicht abschreiben. Hier empfehlen wir Euch, dass Ihr Euch mit dem Anliegen an Fluggastrecht-Portale wie Flightright oder die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. wendet. Zum Teil können hier allerdings je nach Anlaufstelle unterschiedliche Provisionskosten anfallen.
Diese Portale können jedoch meist deutlich einfacher prüfen, ob beispielsweise ein außergewöhnlicher Umstand bei Eurem Fall vorliegt. Fluggesellschaften nennen dies gerne als Begründung, um eine mögliche Entschädigung nicht bezahlen zu müssen, weil es für Passagiere oftmals einfach schwer herauszufinden ist, ob ein solcher Umstand tatsächlich vorliegt.
Fazit zu den Fluggastrechten bei Annullierung
Die Fluggastrechte bei Annullierung eines Fluges sind in meinen Augen ein guter Mittelweg, um Airlines nicht zu sehr einzuschränken und gleichzeitig den Passagieren genügend Rechte einzuräumen. Natürlich ist es als Fluggast ärgerlich, wenn man aufgrund eines Alternativfluges erst verspätet am Ziel ankommt, dennoch lässt sich dies leider nicht immer verhindern. Insgesamt wird jeder Passagier jedoch durch zahlreiche Rechte geschützt, um nicht leer auszugehen. Diese im Einzelfall durchzusetzen, kann zwar je nach Airline problematisch sein, sich allerdings auch bezahlt machen.
Und wie mahne ich nun Air Dolomiti? Seit dem 15.04. werde ich von denen ignoriert…
Hallo Anja, danke für Deinen Bericht.
Bei länger als 14 Tage im Voraus annullierten Flügen fehlen hier aber viele Informationen.
Stichwort „Recht auf Umbuchung: Fremd-Airlines“, „Recht auf Umbuchung zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt“.
LG Henning
Hallo Henning, vielen Dank für dein Feedback. Soweit ich weiß, hast du kein grundsätzliches Anrecht auf eine Umbuchung über 14 Tage vor Abflug. Hier muss dir zwar die Airline eine Alternative anbieten, doch das kann mMn fast alles sein – auch schlicht die Rückerstattung. Meist erhält man ja Mails, dass es Änderungen gab und man sich bitte für die Alternative oder für eine Rückerstattung entscheiden soll. Je nach Airline können hier die angebotenen Alternativen natürlich attraktiver ausfallen und Umbuchungen beinhalten. Die Fluggastrechteverordnung der EU greift erst bei einer Annullierung von weniger als 14 Tagen vor Abflug. Liebe Grüße Anja
Dieser Kommentar ist komplett falsch, Anja! Natürlich hat man auch das Recht auf eine Umbuchung auf Fremdairline, selbst wenn die Fluggesellschaft den Flug +14 Tage annulliert hat.
Die 14 Tage spielen einzig und allein bei der Entscheidungsfindung, ob eine Entschädigung zu zahlen ist, Anwendung! Alle restlichen Rechte bleiben natürlich trotzdem bestehen!
Einfach mal ein bisschen besser recherchieren und in die Literatur einlesen bevor man juristischen nonsense verbreitet!
Hallo Alex, ich habe hier einen Beitrag von einem anderen Autoren übernommen, der nicht mehr im Unternehmen arbeitet, damit Kommentare nicht unbearbeitet bleiben. Daher bin ich hier nicht so tief in der Materie, wie wenn ich den Artikel selbst geschrieben und recherchiert hätte. Formulierungen wie “nach meiner Erfahrung/meines Wissens” sollten verdeutlichen, dass es sich bei der Antwort nicht um eine juristisch valide Aussage handelt. Nichtsdestotrotz, entschuldige: Die Ersatzbeförderung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt über Fremdairlines ist von Art. 8 Abs. 1 lit. b) der FluggastrechteVO in der Tat abgedeckt, da hast du recht. Allerdings gilt dieser Artikel auch nicht uneingeschränkt bei Umbuchungen auf Fremdairlines, bspw. wenn durch die Alternativverbindung nicht zu rechtfertigende Mehrkosten entstehen. Geltend gemacht wird dann ein Schadensersatzanspruch. Hier gilt nach deutschem Zivilrecht die “Schadenminderungsobliegenheit” aus § 254 BGB und in der Rechtssprechung findet man im Falle von Umbuchungen auf Fremdairlines bei Annullierungen über 14 Tagen vor Abflug sowohl Urteile, die zugunsten der schadensverursachenden Airline als auch zu zugunsten der Kläger ausfielen. Ganz so “natürlich” sollte man von diesem Anspruch also auch nicht ausgehen. LG
Es fehlt für die Durchsetzung der Fluggastrechte ein Hinweis auf die Möglichkeit der Schlichtung durch die SÖP (https://soep-online.de/). Das ist anders als bei den Fluggastrechte-Portalen (bis zu ca. 30% Provision!) kostenlos.
Hallo Udo, vielen Dank für deine Anmerkung. Ich habe die Schlichtung durch die SÖP ergänzt. Liebe Grüße Anja