Vor wenigen Wochen hat Condor angekündigt, erstmals auch Inlandsflüge und Städteverbindungen in Europa aufzunehmen. Eine echte Wachstumsstrategie steckt dahinter wohl kaum, vielmehr dürfte die pure Angst Condor zu diesem Schritt zwingen.
Mit blumigen Worten hat Condor Anfang November in einer Pressemitteilung angekündigt, zukünftig von Frankfurt nach Rom, Mailand, Prag, Wien, Zürich, Berlin, Hamburg und München zu fliegen. Die Expansion steht laut der Airline in Zusammenhang mit dem zunehmenden “Bleisure”-Trend und der Abkehr vom Modell einer reinen Ferienairline. Doch die eigentlichen Hintergründe dürften anders sein – und machen mehr Angst denn Hoffnung.
Kaum Chance auf Erträge mit Europastrecken
Wer Meldungen rund um die Lufthansa folgt, dem dürfte in den vergangenen Monaten und Jahren nicht entgangen sein, wie schwer sich die Airlines damit tut, innerhalb von Europa oder gar Deutschland profitabel zu fliegen. Im innerdeutschen Verkehr haben sich selbst Airlines mit signifikant niedrigerer Kostenbasis wie easyJet und Ryanair zurückgezogen, und am teuren Condor-Hub in Frankfurt traut sich schon länger kaum eine Airline mehr an Wachstum.
Nun mag die Condor im Vergleich zur Lufthansa in der Tat mit Blick auf die Flotte und auch die geringeren Personal- und Verwaltungskosten etwas effizienter arbeiten können als die Lufthansa, doch Gewinne auf Europastrecken erscheinen dennoch utopisch. Das gilt umso mehr, als die Airline sich insbesondere auf Strecken versuchen will, die von der Lufthansa Group massiv dominiert werden und beidseitige Konnektivität aufweisen (Zürich, Wien, München) oder nach der ITA Airways-Integration aufweisen werden (Rom, Mailand).
Während Condor tägliche Flüge auf allen neuen Verbindungen anbieten möchte, fliegt die Lufthansa auf allen genannten Routen mindestens fünfmal täglich, auf den besonders relevanten Strecken – etwa nach München – sogar weit mehr als zehnmal täglich. Ob für Geschäftsreisende oder Privatreisende, dürften die Verbindungen der ehemaligen Condor-Mutter also signifikant attraktiver bleiben. Vom starken Loyalitätsprogramm, den für Vielflieger wichtigen Lounges und der größeren Markenbekanntheit für solche Verbindungen noch gar nicht zu sprechen.
Gezwungen durch das Ende der Sonderkonditionen
Wenn die Aussichten auf Gewinne im Inlandsgeschäft und auf Städteverbindungen also so schlecht sind, warum versucht sich die Condor dann dennoch daran? Weil sie wohl kaum eine andere Wahl hat, um ihre Langstreckenmaschinen ab Frankfurt zukünftig zu füllen. Hintergrund ist das aus früheren Zeiten stammende Special Pro-Rate Agreement (SPA), das über Jahre dafür gesorgt hat, dass Condor ihre Langstreckentickets auch ab vielen Airports in Europa und Deutschland verkaufen konnte, die von der Airline gar nicht bedient werden.
Stattdessen kann und konnte die Condor die Plätze auf den Lufthansa-Maschinen zu Vorzugskonditionen kaufen, die für die ehemalige Mutter wenig erträglich sind. Solange es um keine direkten Konkurrenzstrecken ging, war dies für die Lufthansa wohl noch hinzunehmen. Seit die Lufthansa selbst durch ihren Ferienflieger Discover Airlines und Condor durch Verbindungen nach New York oder Bangkok direkt mit der Lufthansa konkurriert, ist es damit vorbei. Schon 2020 hat die Lufthansa die Vereinbarung gekündigt.
Seitdem wird seit Jahren vor Gerichten gekämpft, zwischendurch bekam Condor recht, dann wieder die Lufthansa. Ein eigentlich geplantes Ende zum Ende des Sommerflugplans am 26. Oktober 2024 wurde erst einmal wieder einkassiert, bis zu einer finalen Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) dürfte es noch dauern. Es scheint allerdings immer wahrscheinlicher, dass die Sonderkonditionen für Condor wegfallen könnten – dafür spricht auch die Entscheidung, innerdeutsche Flüge und diverse Städterouten aufzunehmen. Nicht zufällig führen diese gerade in die Städte, die für Zubringerflüge besonders wichtig sind.
Vorbereitung auf ein existenzbedrohendes Szenario
Das Ende der Sonderkonditionen für Condor klingt im ersten Moment recht technisch und so, als ob die Airline nur etwas mehr Marge abgeben möchte. Doch wie dramatisch das SPA-Ende für die Condor wäre, ergibt sich etwa aus einer Zwischenentscheidung des Kartellsenats des BGH. Dort heißt es hinsichtlich der Verschiebung einer endgültigen Entscheidung: “Condor hat ferner durch eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, dass bei Wegfall der SPAs die Fortführung des Geschäftsbetriebs insgesamt erheblich gefährdet wäre.”
Nun darf man darüber streiten, wie viel Verhandlungstaktik seitens Condor hier vorliegt. Eine eidesstattliche Versicherung und zudem die Formulierung “erheblich gefährdet” deuten allerdings darauf hin, dass man sich größere Sorgen um Condor machen müsste, sobald das Special Pro-Rate Agreement wegfällt. Zwar ist nicht bekannt, wie viel Prozent der Condor-Passagiere von der profitablen Langstrecke nicht direkt nach Frankfurt fliegen, sondern umsteigen, allerdings dürfte es ein relevanter zweistelliger Prozentanteil sein.
Nicht umsonst baut die Lufthansa ihr gesamtes Geschäftsmodell auf den Umsteigeverkehr von der Langstrecke auf die Kurzstrecke. Damit aber nicht genug, denn fast alle Fluggesellschaften mit Langstreckenfokus ohne echtes Zubringernetzwerk sind in den vergangenen Jahren gescheitert. Wie schwierig es derweil ist, ein profitables Zubringernetz aufzubauen, zeigt das Schicksal von airberlin. Besonders viel Geld hat die Airline vor ihrer Pleite gerade auf der Kurzstrecke und im innerdeutschen Verkehr verloren.
Condor könnte das Schicksal von Virgin Atlantic drohen
Nun mag das Beispiel von Condor nicht 1:1 auf andere Airlines anwendbar zu sein, hat die Airline doch enge Partnerschaften mit Reiseveranstaltern und auch ein relevantes Netz an Urlaubsstrecken ab anderen Airports als Frankfurt. Doch es gibt mit Virgin Atlantic ein wenig erfreuliches Beispiel dafür, wie es laufen kann, wenn man an einem wichtigen Hub als Langstreckenfluggesellschaft mit einem Platzhirsch dominiert, der ein viel größeres Netz an Zubringerflügen anbieten kann.
Selbst seit der Einbindung in das Nordamerika Joint Venture von Air France, KLM und Delta gelingt es der Airline nicht, in die Gewinnzone zu fliegen – trotz Rekordgewinnen anderer Fluggesellschaften in den vergangenen Jahren. Daran hat auch das Investment von Delta nichts geändert. Als entscheidend gilt dabei, dass Virgin Atlantic bei Umsteigeverbindungen nicht konkurrieren kann, weil entsprechende Plätze teuer bei British Airways eingekauft werden müssen – dieses Schicksal würde Condor ohne SPA ebenfalls drohen.
Mahnend ist allerdings nicht nur die aktuelle Situation von Virgin Atlantic, sondern auch der Rückblick auf eine Verzweiflungstat im Condor-Stil. Auch Virgin Atlantic hat versucht, Zubringerflüge für die Langstrecke zu starten und auch im Europa- und Inlandsverkehr mit British Airways zu konkurrieren. Dieser Versuch ist so krachend gescheitert, dass Virgin Atlantic ohne ihre spendablen Teilhaber heute längst pleite wäre. Keine guten Vorzeichen für den identischen Condor-Versuch in Frankfurt.