Russische Forscher haben mit Voruntersuchungen zur Entwicklung eines neuen zivilen Überschallflugzeugs begonnen, fast vier Jahrzehnte nach dem Ende des Concorde-Konkurrenten Tupolev Tu-144.
Die Arbeit wird vom Schukowsky-Institut durchgeführt, einer kollektiven nationalen Forschungsorganisation auf Bundesebene, zu der mehrere Zentren gehören – darunter das Zentralinstitut für Aerohydrodynamik, das Zentralinstitut für Flugmotoren und das Sibirische Luftfahrtforschungsinstitut.
Überschalljet “große Herausforderung” für die Branche
Diese Organisation wurde gegründet, um die Forschung zu neuen Entwicklungen und Technologien im Luftfahrtsektor zu koordinieren. Laut Generaldirektor Andrei Dutov ist die Schaffung eines kommerziell erfolgreichen Überschallflugzeugs eine “große Herausforderung” für die Branche:
“Es ist notwendig, effektive Lösungen für die Probleme der hohen Lärm- und Schallschockpegel zu finden, die Treibstoffeffizienz von Triebwerken zu erhöhen und schädliche Emissionen zu reduzieren. […] Es ist noch zu früh, um über die Kosten für das neue Flugzeug zu sprechen. Aber es wird natürlich teurer sein als seine Unterschall-Pendants.”
Dutov führte weiter aus, man beabsichtige, ein Konzept und ein umfassendes Programm für die Herstellung des Flugzeugs auszuarbeiten, einschließlich der Sammlung wissenschaftlicher und technischer Ressourcen, damit die Hersteller bereits 2022 mit den technischen Entwurfsarbeiten beginnen können. Die Voruntersuchungen sind Teil eines Staatsvertrags mit dem russischen Handels- und Industrieministerium, der bis Ende 2021 läuft.
2.000 Kilometer in der Stunde sind “Muss”
Bisher sind nur wenige Details über das neue Überschalljets bekannt, aber erste Abbildungen deuten darauf hin, dass eine Konfigurationen mit einem geteiltem Heck mit zentral montierten Triebwerken untersucht werden. Laut Dutov soll das Flugzeug eine Reisegeschwindigkeit von etwa 1.100 Knoten, beziehungsweise 2.000 Kilometern in der Stunde erreichen, sonst hätte es nur wenige Vorteile gegenüber Unterschall-Flugzeugen. Das zuständige Institut schlägt außerdem vor, dass eine Geschäftsversion des Flugzeugs mit weniger Passagieren neue Märkte eröffnen würde.
Entscheidend für die Entwicklung eines Überschallflugzeugs wären Anstrengungen zur Lärmminderung beim Überfliegen bewohnter Gebiete – ein Thema, das das Concorde-Programm seit Beginn plagte – und dies könnte einen Kompromiss mit der aerodynamischen Konstruktion erfordern. Die Entwicklung neuer Triebwerke, die hohen Schub mit wirtschaftlicher Effizienz verbinden, wird notwendig sein.
Zwei US-amerikanische Überschall-Zivilflugzeuge geplant
Die US-Firma “Aerion” hat ihr eigenes Überschall-Zivilflugzeug, die “AS2”, entwickelt, die sie bis 2024 fliegen soll. Der Hersteller gibt an, eine Technologie entwickelt zu haben, die einen “auslegerlosen Reiseflug” ermöglicht, bedeutet das Flugzeug kann fliegen, ohne einen Überschallknall zu erzeugen. Ein anderer US-amerikanischer Entwickler, “Boom Supersonic”, hat ebenfalls Fortschritte bei der Planung eines eigenen Überschall-Flugzeugdesign gemacht, das als “Overture” bezeichnet wird, mit einem Demonstratorprogramm, das als “XB-1” bekannt ist.
Ein Blick in die Vergangenheit
Bereits in den 60er Jahren entwickelte man in Russland mit der Tu-144 das erste Überschallflugzeug der Welt. Insgesamt 16 Flugzeuge stellte der Flugzeugbauer damals her. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 2.430 Kilometer pro Stunde war die Tu-144 sogar noch schneller als die bekannte Concorde, die “lediglich” 2.179 Kilometer pro Stunde als Höchstgeschwindigkeit aufweisen konnte. Die Tu-144 erlangte jedoch weniger Popularität als die Concorde, die am 2. März 1969 und damit rund zwei Monate später als der Tu-144 ihren Erstflug hatte.
Neben der Tu-144 entwickelte Tupolev noch den sogenannten Schwenkflügel-Überschall-Bomber, ein Flugzeug, das sich noch heute im Dienst der russischen Streitkräfte befindet. Das Flugzeug weist eine Spitzengeschwindigkeit von 2.200 Kilometer pro Stunde auf.
Anfang der 2000er arbeitete Tupolev an der Entwicklung eines modernen Überschallflugzeugs, dass lediglich zehn Passagiere an Bord aufnehmen konnte. Es blieb jedoch bei den Plänen, entwickelt wurde das Flugzeug nicht.
Fazit zum Projekt von Tupolev
Seitdem die Concorde endgültig aus dem Verkehr gezogen wurde, gab es kein Überschallflugzeug für den normalen Passagierverkehr mehr. Das liegt natürlich auch an der Verschiebung des Fokus auf Effizienz, Ökologie und den Kosten. Ob also die Entwicklung einer neuen “russischen Concorde” oder eben einem Nachfolger der ebenso ikonischen Tupolev Tu-144 sinnvoll und vor allem von Erfolg gekrönt sein wird, muss sich erst zeigen. Spannend ist das Projekt aber in jedem Fall!