Experten in Deutschland und Spanien warnen vor einer neuen Infektionswelle, ausgelöst durch den Ansturm auf die beliebte Urlaubsinsel Mallorca.
Der Nachfrage- und Reiseboom auf die beliebte Urlaubsinsel im Mittelmeer sorgt bei vielen Experten für große Sorgen. Diese sehen die Gefahr, dass das Infektionsgeschehen in diesen Regionen, aber auch in Deutschland, wieder rasant ansteigen könnte – der nächste harte Lockdown würde dann wieder drohen. Wie die Tagesschau ebenfalls berichtet, sehen auch spanische Medien die Maßnahmen der Bundesregierung eher kritisch.
Mallorca – das zweite Ischgl?
Die Balearen gehören zu den beliebtesten Urlaubsinseln der Europäer. Vor allem Mallorca erfreut sich in Deutschland noch immer großer Beliebtheit. Da lag es nicht fern, dass die Aufhebung der Einstufung Mallorcas als Risikogebiet zu einem wahren Boom bei den Buchungszahlen von Fluggesellschaften, Hotels und Reiseveranstaltern gleichermaßen geführt hat. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA kritisiert diesen Schritt der Bundesregierung und fordert Gleichberechtigung. Auch Hotels und Gaststätten in Deutschland sollten schleunigst wieder öffnen dürfen. Während die Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA die Ungleichbehandlung kritisiert, äußern Experten in Deutschland und Spanien ihre Sorgen in Bezug auf eine neue Infektionswelle.
Grundsätzlich ist dieser Ansturm eine Katastrophe. Wir haben gesehen, was bei Reise-Großereignissen passieren kann – Stichwort Ischgl.
Jürgen Schmude, Professor für Tourismuswirtschaft und Nachhaltigkeit Universität München
Die Sorgen sind durchaus berechtigt, vor allem mit Verweis auf Ischgl im Jahr 2020. Während das Corona-Virus bereits auf dem Vormarsch war, wurden in der Skihochburg Ischgl keine weiteren Maßnahmen getroffen. Auch auf Hinweisen anderer Länder, dass die Infektionen auf Ischgl zurückzuführen wären, wurde vorerst nicht reagiert. Ein Muster, welches sich auch in diesem Jahr zu wiederholen schien. So war das Bundesland Tirol die Region mit den meisten Nachweisen der Virus-Mutante aus Südafrika – außerhalb Südafrikas. Das Skifahren wurde vorerst dennoch wieder erlaubt, ehe die Regierung Österreichs Maßnahmen ergriffen hat. Infolgedessen hat auch die Bundesregierung entschieden, Tirol zum Virusvariantengebiet zu erklären und die Einreise zu verwehren.
Wenig Gefahr bei klassischen Urlaubsreisen
Der Reiseboom nach Mallorca und anderen Urlaubsregionen würde eine erhöhte Gefahr für das Infektionsgeschehen im Urlaubs- und Heimatland darstellen. Diese Sorgen äußerte auch der Virologe Bodo Plachter aus Mainz. Seiner Meinung nach würde die Vorsicht sinken und die Infektionsraten steigen und verweist dabei auf den vergangenen Sommer. Tatsächlich sind mit Beginn der Reiseaktivitäten im Sommer 2020 die Infektionszahlen stark angestiegen. Zwischenzeitlich konnten etwa 50 Prozent der Neuinfektionen auf Reisende aus dem Ausland zurückgeführt werden. Das lag zum einen aber auch an der ausgedehnten und flächendeckenden Teststrategie für Reisende. Diese konnten sich kostenlos bei der Rückkehr testen lassen. Zum anderen ist ein Großteil dieser Neuinfektionen jedoch nicht auf Reisende aus den klassischen Urlaubsländern zurückzuführen gewesen. Viel mehr Infektionen wurden bei Rückkehrern vom Heimaturlaub festgestellt, wie eine Studie des RKI herausgefunden hat. Während sich Reisende größtenteils in Spanien beispielsweise vorsichtig und unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen bewegt haben, ist die Gefahr beim sogenannten Heimaturlaub größer, da der Kontakt zu anderen Menschen, meistens der Familie, eher gegeben sei.
Wenn die Reiseaktivität steigt, dann werden auch die Inzidenzraten steigen, das ist relativ klar. Im Urlaub möchte man sich erholen, möchte man dann auch Corona vergessen.
Bodo Plachter, Virologe am Institut für Virologie in Mainz
Professor Schmude fügt dem jedoch an, dass die aktuelle Situation äußerst gefährlich sei. Menschen würden bewusst aus der aktuellen Corona-Situation in Deutschland flüchten wollen. Das wiederum könnte zu verstärkter Unachtsamkeit im Urlaub kommen. Nach Annahmen der Experten könnte sich die Insel deshalb schon bald wieder im harten Lockdown befinden. Während Fluggesellschaften und Reiseveranstalter die Aufhebung der Einstufung als Risikogebiet als starkes Signal deuten, kritisieren auch die spanischen Medien die Maßnahmen der Bundesregierung. Während Deutsche nach Mallorca reisen dürfen, bleibt der Rest Spaniens zum großen Teil im harten Lockdown – Spanier dürfen ihre Heimatregion nur in seltenen Ausnahmefällen verlassen.
Dafür hat Spanien jedoch weitreichende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Die Einreise ist aktuell nur mit einem negativen Testergebnis eines molekularbiologischen Tests (PCR-Test oder sogenannter TMA-Test) möglich. Die Testung darf höchstens 72 Stunden vor Einreise vorgenommen worden sein, das Ergebnis muss jederzeit vorgelegt werden können. Außerdem müssen alle Reisenden eine Online-Einreiseanmeldung vor Abflug ausfüllen und ebenfalls vorzeigen können. Detailliertere Informationen findet man auf der Seite des Auswärtigen Amts.
Fazit zu den Sorgen der Experten bezüglich Mallorcas
Die Sorgen sind durchaus nachvollziehbar. Niemandem ist geholfen, wenn die Infektionszahlen innerhalb der nächsten Wochen tatsächlich wieder rasant ansteigen würden. Das würde zum erneuten Lockdown führen, Hotels und Restaurants in den Urlaubsregionen müssten wieder schließen und auch ein Lockdown wegen zu hoher Inzidenzwerte in Deutschland wäre dann nicht ausgeschlossen. Auf der anderen Seite hat eine Studie des Robert-Koch-Instituts bereits nachgewiesen, dass keine erhöhte Gefahr von Reisenden aus den klassischen Urlaubsländern ausgehen würde. Diese halten sich in den meisten Fällen an den gesetzlichen Vorschriften und verlassen die Hotelanlage generell eher selten – Kontakt mit anderen Menschen ist also eher begrenzt. Zudem waren damals, auch in Ischgl, keine Strategien implementiert. Spanien kontrolliert die Einreise direkt mit einem verpflichtenden COVID-19 Test. In Deutschland haben Reisende nach der Rückkehr zudem die Möglichkeit die kostenfreien Tests zu nutzen.