Noch vor wenigen Wochen hatten wir über den geplanten Start von Primera Air ab Berlin gesprochen, einer skandinavischen Billigairline, die mit Boeing 737 Transatlantikflüge anbieten wollte. Nun scheint das Experiment frühzeitig beendet, denn die Gesellschaft hat gestern Abend in einem Brief (1. Oktober) bekanntgegeben einen Antrag auf Insolvenz zu stellen. In diesem Zuge werden alle Flüge mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Kostendruck zwingt Primera Air in die Knie
Wer die Airline in den letzten Wochen und Monaten beobachtet hat, war sicherlich verblüfft. Erst Mitte 2017 hatte die Airline die neue Strategie bekanntgegeben, Langstreckenflüge im Billigsegment anbieten zu wollen. Diese sollten mit neuen Airbus A321 LR durchgeführt werden, die man dann von Großbritannien in die USA schicken wolle. Durch Auslieferungsverspätungen und andere Probleme wurden die Flüge allerdings immer weiter verzögert und sogar Erstflüge kurz vor Abflug gestrichen.
Die weitere Expansion mit Flügen ab Deutschland sowie die andauernden Probleme scheinen die Airline nun finanziell ans Ende der Fahnenstange gebracht zu haben. Wie berichtet wird, hat der Eigentümer die Finanzierung der Airline nicht weiter zusichern können und auch keine neuen Mittel auftreiben können, sodass das Unternehmen zur Insolvenz gezwungen wurde. Heute morgen wurde auf der Webseite dann bekanntgegeben, dass die Operations von Primera Air mit sofortiger Wirkung eingestellt werden und auch die IATA-Codes nicht mehr genutzt werden. Sogar der Service der Airline ist komplett eingestellt, es scheint als wären die finanziellen Probleme wirklich brenzlig.
Zu hoffen bleibt, dass die Mitarbeiter anderswo unterkommen, schließlich kam die Nachricht und die anschließende Einstellung des Betriebes wirklich schnell. Im Rennen um die schnellste Airline-Insolvenz könnte Primera Air sogar Niki und airberlin Konkurrenz machen, die immerhin noch einige Tage über Ihren Insolvenzantrag hinaus flogen.
Zweifelhaftes Geschäftsmodell in jeglicher Hinsicht
Primera Air ist keine Startup-Airline, die Gesellschaft gibt es seit 2003, sodass man davon ausgehen könnte, dass etwas Kompetenz im Airline-Business vorlag. Allerdings war die Strategie von Primera Air wirklich mutig, wenn nicht sogar verrückt. Es wurden massenhaft Routen angekündigt, ohne die Flugzeug zu haben, um diese zu bedienen. Anschließend wurden extreme Dumping-Preise angeboten, um Tickets zu verkaufen. Diese Tickets konnten aber dann nicht genutzt werden, weil die Flüge großenteils storniert wurden, sodass der Ruf der Airline stark gelitten hat.
Andere Kuriositäten, wie etwa das Buy-on-Board Menü mit Preisen von 70 Euro und aufwärts für eine Mahlzeit sorgten für Kopfschütteln. Insgesamt könnte man sogar sagen, es war abzusehen, dass die Pläne der Airline so nicht lange aufrechtzuerhalten waren. So hohe Investitionen über mehrere Jahre, die keinerlei Früchte tragen, lassen sich einfach nicht lange gegenfinanzieren. Wer einen noch etwas tieferen Blick in die kuriose Geschichte der Expansion von Primera werfen will, sollte sich die Analyse von James auf OMAAT anschauen, dort ist die ganzen Sache (vor der Insolvenz) ziemlich detailliert auseinander genommen worden.
Fazit zur Insolvenz von Primera Air
Natürlich ist es immer schade, wenn eine Airline den Betrieb einstellen muss, vor allem wenn es so schnell geht. Allerdings ist die Sache nicht unbedingt überraschend, denn das Modell und die Pläne der Airline waren insgesamt einfach doch zu ambitioniert, um langfristig erfolgreich sein zu können. Ebenfalls schade ist es natürlich auch für Berlin, denn der Stadt hätten ein paar zusätzliche Langstreckenflüge sicherlich gut getan.
Danke für den Tipp an OMAAT & Aerotelegraph!