Das Allgäuer Unternehmen ACM Aerospace arbeitet an einem speziellen Pilotensitz für künftige Ein-Mann-Cockpits, der die Vitalwerte des fliegenden Piloten misst.

Erst kürzlich hat reisetopia über die potenzielle Einführung von Ein-Mann-Cockpits und den damit verbundenen Risiken berichtet. Während Airbus gemeinsam mit Cathay Pacific an einer solchen Single Pilot Operation arbeitet, entwickelt die Allgäuer Firma ACM Aerospace, Aircraft Cabin Modification GmbH, spezielle Cockpit-Sitze für Piloten, die die Gesundheit und Vitalwerte des jeweils fliegenden Kapitäns messen und kontrollieren sollen. Die Sitze sollen in der Zukunft für mehr Sicherheit im Ein-Mann-Cockpit sorgen, doch das Vorhaben wird nach wie vor kritisiert, wie aerotelegraph berichtet.

Künftig nur noch ein Pilot im Airbus A350?

Gerade nach den harten Krisenzeiten und den langfristigen Auswirkungen der Pandemie steht die Kostenminimierung bei einigen Unternehmen an erster Stelle. Um auch in der Luftfahrt speziell im Personalwesen Einsparungen erzielen zu können, sollen in ein paar Jahren Ein-Mann-Cockpits die Zukunft bilden – doch ist es moralisch vertretbar, die Gesundheit und Sicherheit hunderter Fluggäste aufs Spiel zu setzen, nur um Kosten, die für einen Co-Piloten anfallen würden, einzusparen?

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Der Koordinator der deutschen Regierung für Luftfahrt, Thomas Jarzombek, nimmt dabei eine ganz klare Position ein und befürwortet das Projekt zur Kosteneinsparung. Dennoch betont er, dass für dieses neue Vorhaben natürlich einige Sicherheitsvorkehrungen notwendig wären. Airbus und Cathay Pacific haben sich genau das zur Aufgabe gemacht, damit beispielsweise der beliebte Airbus A350 auf Reiseflughöhe ab 2025 nur noch von einem Piloten im Cockpit gesteuert werden kann, während der Andere sich erholt. Während Start und Landung wären dann allerdings beide Piloten im Cockpit anwesend.

Der Avital-Sitz von ACM Aerospace

Laut der europäischen Luftfahrtbehörde Easa würde ein sicherer Einsatz eine ständige Überwachung der Wachsamkeit und der Körperfunktionen des Piloten durch die Bordsysteme erfordern. Sollte es nämlich zu einem Zwischenfall kommen, bei dem der fliegende Pilot arbeitsunfähig wird, müsse der ruhende Co-Pilot umgehend über den Vorfall informiert werden. Und genau hier kommt ACM Aerospace, eine Firma aus Memmingen, ins Spiel, die nun ein Produkt entwickeln möchte, welches den Ein-Mann-Cockpits der Kooperation von Airbus und Cathay namens “Project Connect” zu Nutzen kommen könnte.

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Mit dem “Avital-Sitz” hat ACM einen speziellen Pilotensitz entwickelt, der mithilfe von eingebauten kapazitiven Sensoren laufend die Körperfunktionen des Piloten messen soll. Der Vorteil ist, dass die Technik soweit vorangeschritten ist, dass dazu keine Verkabelungen oder direkter Hautkontakt notwendig sind.

Sobald Auffälligkeiten auftreten, können frühzeitig medizinische Untersuchungen eingeleitet und schwerwiegende Erkrankungen vermieden werden.

Roger Hohl, Chef von ACM Aerospace in Memmingen

Die speziellen Sensoren befinden sich im Inneren der Rückenlehne und der Sitzfläche und können deshalb dauerhaft die Vitalfunktionen der Piloten messen. Das geschieht, indem Veränderungen der elektrischen Kapazität eines Mini-Kondensators wahrgenommen werden und die Herzfrequenz, die Herzfrequenzvariabilität sowie die Atemfrequenz gemessen werden. Die dokumentierten Werte würden dann in Echtzeit mit einer der größten medizinischen Datenbanken abgeglichen werden, um beste Analyseergebnisse zu erhalten.

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Als großes Manko bleibt allerdings die Tatsache bestehen, dass selbst diese speziellen Sitze keine psychischen Krankheiten feststellen können. Die Zwei-Mann-Regelung im Cockpit wurde ja gerade in Andacht an den Absturz der Germanwings-Maschine aufgrund von etwaigen suizidalen und depressiven Gedanken der Piloten eingeführt, damit eben nicht nur eine Person über das Überleben hunderter Fluggäste entscheiden kann. In dieser Hinsicht bedeuten Ein-Mann-Cockpits für viele Kritiker einen Rückschritt statt einer Innovation, denn nur unter Beobachtung der Vitalwerte lässt sich nichts über die Psyche der Piloten aussagen.

Da die Sitze außerdem über einen Ermüdungsassistenten verfügen, wird der Pilot oder die Betriebszentrale der Fluggesellschaft dazu aufgefordert, zu handeln und rechtzeitig einzugreifen. Hier argumentieren Kritiker, dass auf die Technik allerdings nicht immer Verlass sei. Sollte es also zu einem Fehlalarm des Stuhles im Cockpit kommen, würde das System sozusagen übernehmen. Hier bleibt dann fraglich, ob der Pilot dann überhaupt noch an die Steuerung zurück käme oder in diesem Fall machtlos wäre.

Fazit zum Avital Sitz von ACM

Prinzipiell ist die Idee hinter dem Avital Sitz nachvollziehbar, denn teilweise erkennen Systeme etwaige Probleme wie Müdigkeit und Unkonzentriertheit schneller als der Pilot selbst. Aus diesem Grund würde der Sitz definitiv für eine erhöhte Sicherheit in Ein-Mann-Cockpits sorgen. Hier stellt sich allerdings wieder die Frage, wie sicher das System ist, ob es sich bei Fehlern ausschalten lässt und wie sinnvoll die Einführung von Single Pilot Operations generell eingeschätzt wird. Die Meinungen spalten sich diesbezüglich stark. ACM erklärt abschließend, dass der Sitz nicht ausschließlich für Cockpits konzipiert sei, sondern auch bei Passagieren in Privatjets Verwendung finden würde.

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Autor

Emily reist schon seit sie denken kann und ist fasziniert von der Luftfahrt. Den Traum, Flugbegleiterin zu werden, hat sie erst einmal hinten angestellt und studiert derzeit Internationales Tourismusmanagement an der Nordseeküste. Sie freut sich darauf, Euch auf ihrem Weg mitzunehmen!

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