Eigentlich orientiert sich die Verzinsung von Tagesgeldkonten am EZB-Einlagezins. Doch seit September überbieten sich Banken in Deutschland gegenseitig – in Höhen, die mit dem Leitzins wenig zu tun haben!
Aufgrund der hohen Inflation hatte die Europäische Zentralbank (EZB) im Jahr 2023 gleich mehrfach die Zinsen erhöht und mit dem Zinsentscheid im September 2023 einen Höchstwert von 4,5 Prozent bekannt gegeben. Nach einigen Zinspausen geht es seit Juni 2024 wieder bergab, zuletzt geändert wurden die Leitzinsen am 5. Juni 2025, als sie auf 2 Prozent gesunken sind. Doch der lange Trend entsprechend auch sinkender Tagesgeldzinsen ist gebrochen, stattdessen zeigt sich gerade eine ausgesprochen verrückte Entwicklung.
Steigende Zinsen bei gleichbleibendem Leitzins
Nun ist es seit jeher so, dass Banken sich bei der Zinsfindung nicht komplett an dem Zinssatz orientieren, welchen die EZB für Einlagen über Nacht bietet. Gleichzeitig liegen die durchschnittlich angebotenen Tagesgeldzinsen in der Regel im Bereich von 50 bis 75 Prozent des jeweils gültigen Leitzinses. Nur vereinzelte Anbieter wagen sich in der Regel über die von der Zentralbank bestimmten Leitzinsen hinaus.
Eben jene Regel scheint allerdings nicht mehr zu gelten, denn obwohl die Leitzinsen seit nunmehr fast fünf Monaten konstant sind, hat sich im Sommer eine überraschende Trendwende gezeigt. Wie reisetopia Analysen zeigen, sind die Zinsen in den vergangenen Monaten, aber besonders noch einmal im Oktober, im Schnitt deutlich gestiegen.

Besonders auffällig waren dabei die Zinserhöhung bei der Umweltbank sowie das verbesserte Angebot der Consorsbank. Beide Institute haben die Aktionszinsen für Neukunden auf einen Wert, der mindestens 50 Prozent über dem Leitzins liegt, erhöht. Bei der Umweltbank bekommen Kunden aktuell 3 Prozent für drei Monate, bei der Consorsbank sogar 3,1 Prozent.
Eine so große Differenz zum Leitzins gab es bei als besonders sicher und empfehlenswert einzustufenden Anbietern in den ergangenen Monaten eigentlich nie. Es scheint, als wären die Banken von der wachsenden Konkurrenz am deutschen Markt getrieben – ganz im Sinne der Kunden.
Neue Wettbewerber sorgen für überdurchschnittlich hohe Zinsen
Insbesondere dürfte der aktuelle Wahnsinn bei den Tagesgeldzinsen mit dem Marktstart der BBVA in Deutschland zu tun haben. Die spanische Großbank bietet seit Sommer ein Girokonto mit Guthabenverzinsung von 3 Prozent für ganze sechs Monate, was im Grunde alle Anbieter in Deutschland in den Schatten stellt.
BBVA Tagesgeld
- 3 Prozent Zinsen für sechs Monate
- 0,5 Prozent Zinsen für Bestandskunden
- Hoher Anlagebetrag bis 500.000 Euro
- Monatliche Zinsausschüttung
- Solide Einlagensicherung
Doch auch andere europäische Banken drängen immer stärker auf den deutschen Markt. Das Openbank Tagesgeld spielt beispielsweise schon länger eine relevante Rolle auf dem Markt und auch das Suresse Bank Tagesgeld bietet seit vielen Monaten attraktive Konditionen. Weitere Wettbewerber für die deutschen Banken starten gerade, etwa die französische Crédit Agricole Tochter BforBank, die ebenfalls mit einem Tagesgeldzinssatz jenseits der 3 Prozent startet.
Dass die US-Großbank J.P. Morgan Chase im kommenden Jahr ebenfalls ausgerechnet mit einem Tagesgeldkonto auf dem deutschen Markt starten möchte, dürfte den Druck auf die Platzhirsche nur noch weiter erhöhen. Die aktuell besonders aggressiv angebotenen Zinsen könnten so auch nur ein Vorgeschmack auf das sein, was Kunden noch erwartet.
Wie groß der Druck ist, zeigte in dieser Woche auch die Bank of Scotland, die sich gezwungen fühlte, gleich zweimal in Folge die Zinsen zu erhöhen.
Lockzinsen verdecken die tatsächlichen Zinssätze
Gleichzeitig sollte man sich nicht blenden lassen, denn die reisetopia Marktanalyse zeigt auch, dass zwar die Aktionszinsen seit September im Schnitt relevant gestiegen sind. Doch bei den regulären Zinsen lässt sich ein vergleichbarer Trend nicht wirklich beobachten. Hier gibt es seit Juni im Grunde ein Plateau.
Im Schnitt liegen die Tagesgeldzinsen für Bestandskunden sowie nach der Aktionsphase für Neukunden bei gerade einmal 1,2 Prozent und damit bei weniger als der Hälfte der durchschnittlichen Angebotszinsen. Der Wahnsinn bei den Tagesgeldzinsen konzentriert sich also auf die Neukundenangebote und ist aus Anlegersicht nicht unbedingt nachhaltig.

Dennoch kann man als Kunde das aktuelle Marktumfeld nutzen, gerade wenn man kein Problem mit dem sogenannten Tagesgeld-Hopping hat. Mit Blick auf die große Auswahl an verschiedenen Angeboten, spricht im Grunde nichts dagegen, das Tagesgeldkonto alle paar Monate zu wechseln, um von überdurchschnittlichen Zinsen zu profitieren.
Wer sich besonders geschickt anstellt, dürfte es dabei in den kommenden Monaten auch schaffen, sich immer einen Zinssatz jenseits der Inflation zu sichern. Besonders spannend sind dabei sicherlich Angebote wie das BBVA Tagesgeld oder auch das Volkswagen Bank Tagesgeld, bei denen die hohen Zinsen gleich für sechs Monate garantiert werden. Die von den reisetopia-Finanzexperten empfohlene Top 3 unterscheidet sich entsprechend ein wenig von den aktuell besonders gehypten Angeboten:
BBVA Tagesgeld
- Aktion: 20 Euro Startguthaben
- Zinssatz: 3,0 Prozent p.a.
- Zinsgarantie: 6 Monate
- Anlagebetrag: bis 500.000 Euro
- Einlagensicherung: 100.000 Euro
- Zinsausschüttung: monatlich
Trade Republic Tagesgeld
- Zinssatz: 2,0 Prozent p.a.
- Zinsgarantie: keine (variabel)
- Anlagebetrag: unbegrenzt
- Einlagensicherung: 100.000 Euro
- Zinsausschüttung: monatlich
Volkswagen Bank Tagesgeld
- Zinssatz: 2,9 Prozent p.a.
- Zinsgarantie: 6 Monate
- Anlagebetrag: unbegrenzt
- Einlagensicherung: 3.000.000 Euro (BdB-Fonds)
- Zinsausschüttung: monatlich
Nächster EZB-Zinsentscheid dürfte keine Änderungen bringen
Mit Blick darauf, dass am 30. Oktober der nächste Zinsentscheid der EZB ansteht, sind weitere Veränderungen am Marktumfeld nicht ausgeschlossen. Allerdings erscheint mit Blick auf aktuelle Inflationsdaten eine weitere Zinssenkung eher unwahrscheinlich, sodass der positive Wahnsinn mit den Tagesgeldangeboten erst einmal weitergehen sollte.

Da die Inflation gleichzeitig allerdings zumindest noch sehr nahe an der von der EZB vorgegebenen Spanne liegt, ist auch eine erneute Erhöhung nach zahlreichen Senkungen unwahrscheinlich. Demnach dürften sich potenzielle weitere Zinsangebote der Banken in Deutschland primär aus der Wettbewerbssituation ergeben.
Gerade das muss aber nichts Schlimmes sein, denn aktuell drängen immer neue Anbieter auf den deutschen Markt. Entsprechend dürfte der positive Wahnsinn bei den Tagesgeldzinsen in den kommenden Monaten erst einmal weitergehen. Als Kunde darf man sich darauf freuen, lässt sich mit den richtigen Angeboten aus dem Tagesgeld-Vergleich doch endlich wieder die Inflation schlagen!




