Es liest sich mittlerweile fast schon wie eine Parodie: Nicht nur verzögert sich die Einführung der neuen Lufthansa Kabinen immer weiter, es kommen auch allerlei andere Planungsprobleme ans Licht.
Es war das Jahr 2017, als die Lufthansa erstmals ihre neue Allegris-Kabine vorgestellt hat. Erstmals eingebaut werden sollte das Produkt in der neuen Boeing 777-9 im Jahr 2020. Für das Produkt erhielt die Lufthansa sogar den fünften Stern der Bewertungsorganisation Skytrax. Dieser ist mittlerweile schon wieder weg, die neue Kabine findet man dennoch in keinem Flugzeug. Dass selbst der im Februar 2023 angekündigte Zeitplan nicht eingehalten werden kann, ist peinlich genug. Doch es wird noch schlimmer, denn scheinbar passt das neue Produkte nicht mal zur Flotte und den Erwartungen der Kunden.
Eine Komödie in vielen Akten
Egal wie positiv man der Lufthansa gestimmt sein mag, fragt man sich doch, wie sich ein Milliardenkonzern bei einer Produkteinführung so blamieren kann. Mochte man es noch als kluges Marketing abgetan haben, dass das neue Produkt der Lufthansa weit im Voraus angekündigt wurde, fehlen einem bei den neuesten Meldungen im Grunde genommen die Worte. Es stellt sich eigentlich nur noch die Frage, ob es sich eher um eine Komödie oder eine Tragödie handelt.
Beispiel gefällig? Keine sechs Monate nach der offiziellen Vorstellung der neuen Lufthansa Business und neuen Lufthansa First Class Ende Februar 2023, musste die Airline bereits einräumen, dass keineswegs wie wenige Monate zuvor angekündigt schon 2023 eine Maschine mit den neuen Sitzen abheben würde. Ein weiterer Akt der Komödie ist der wilde Wechsel des Flugzeugtyps, der mit den neuen Sitzen starten sollte.
Zurückgehend auf die Ankündigungen von 2017 bis 2021 sollte es eigentlich die Boeing 777-9 sein, die mit dem neuen Produkt startet. Durch die Probleme von Boeing mit den neuen Maschinen, für die Lufthansa immerhin nichts kann und auch nicht als einzige betroffen ist, sollte es dann Anfang 2023 der Airbus A350 sein. Weil der Sitzbauer Collins Aerospace dann allerdings Probleme bei der Zertifizierung mit dem europäischen Flugzeughersteller hatte, soll es nun die Boeing 787 sein, die zuerst mit den neuen Sitzen daherkommt.
Man fragt sich ein wenig, ob die Lufthansa nicht unübliche Risiken in der Welt der Luftfahrt bewusst ausblendet oder tatsächlich erwartet, dass sie als einzige nicht mit üblichen Verzögerungen zurechtkommen muss?
Ein Debakel nach dem anderen
Doch es sind nicht nur äußere Umstände, auf die man das Lufthansa Allegris Debakel schieben kann. Die Probleme sind in vielerlei Hinsicht auch hausgemacht. Gerade die neue First Class Suite für zwei Personen bereitet scheinbar Sorgen. Die Lufthansa selbst hat erst vor wenigen Wochen im sogenannten CoCreationHub Feedback der eigenen Kunden abgefragt, wie sie ein Konzept einer geteilten Suite finden – reichlich spät für eine längst angekündigte Produkteinführung. Entsprechend gespannt darf man sein, ob das Produkt wirklich genau in der Form eingebaut wird, wie es angekündigt wurde und vor allen Dingen, wie der Verkauf läuft.
Als würde das noch nicht reichen, kommen die ersten Airbus A350 mit dem neuen Lufthansa Allegris Produkt voraussichtlich ganz ohne First Class – stattdessen werden einfach Economy Class Reihen auf der entsprechenden Fläche eingebaut. Hintergrund sollen auch hier Lieferprobleme sein, was an Parodie kaum zu überbieten ist, bedenkt man die sowieso schon vorliegende Verzögerung des Starts von 2020 auf 2023 und nun sogar 2024. Ob die neue First Class überhaupt nächstes Jahr startet, darf man mittlerweile infrage stellen – es könnte sogar 2025 werden.
Wenn dann sogar die Statik zum Thema wird, wird man irgendwann sprachlos und gelangt dann von der Komödie doch in die Tragödie. So kam heute heraus, dass die Boeing 747-8 wohl nur teilweise umgerüstet wird. Im Oberdeck bleibt erstmal die alte Business Class, die First Class wird auch erst einmal nicht umgerüstet. Der Hintergrund? Die neuen Sitze müssten für das Oberdeck gesondert angepasst werden und die First Class Sitze wären zu schwer und würden dafür sorgen, dass die Nase des Flugzeugs zu viel Gewicht haben würde. Die Kosten für eine entsprechende Umrüstung zur Problembehandlung sollen bei bis zu dem Zehnfachen der ursprünglich geplanten Summe liegen.
Kaum mehr zu kaschierende Planungsprobleme
Mit jeder neuen Meldung schient die Lufthansa Allegris Einführung mittlerweile mehr zum Desaster zu werden. Wir nähern uns langsam dem sechsjährigen Jubiläum der Produktankündigung und noch immer gibt es nicht einmal ein einziges Flugzeug, das mit den neuen Sitzen ausgestattet ist – immerhin auf Messeständen wurde das Produkt schon stolz präsentiert. Gleichzeitig scheint die Lufthansa selbst immer mehr das Vertrauen in seine eigene Innovation zu verlieren und zumindest bei der First Class noch einmal Änderungen vornehmen zu wollen.
Was sich dabei längst nicht mehr kaschieren lässt, sind gravierende Planungsprobleme. Ob diese nun hausgemacht sind oder teilweise auch auf Verzögerungen der Zulieferer zurückgehen, ist dabei im Grunde genommen egal. Nicht zuletzt als Konzern mit DAX-Ambitionen muss man in der Lage sein, auch Effekte von außen bis zu einem gewissen Maße einzuplanen und die Erwartungen entsprechend anzupassen. Bei der Allegris-Einführung ist das der Lufthansa fraglos nicht gelungen.
Dass indessen nach und nach auch noch gravierende interne Planungsprobleme ans Licht kommen, passt ins Bild. Wann wir die Allegris-Kabine derweil das erste Mal wirklich in Dienst sehen werden, bleibt einem Blick in die Glaskugel vorenthalten.
Es ist immer leicht die Arbeit anderer Leute vom Sofa aus zu kritisieren, allerdings sind die strategischen Fehlentscheidungen des LH Group Vorstands so gravierend, dass man sich fragt, wie diese Menschen zu ihrer Position gekommen sind. Erst will man die Komplexität der Flotte reduzieren, dann verfügt man über mehr unterschiedliche Modelle als je zuvor. Man gründet eine neue Airline, um sie zwei Jahre später für x Millionen zu rebranden. Man geht mit seiner neuen Kabine groß auf Werbetour, verspricht eine schnelle Umsetzung, hat aber nicht mal die Basics der Umsetzung vorher abgeklärt. Es gibt mein Erachtens kein anderes großes Unternehmen in Deutschland, das so inkompetent geführt wird wie die LH Group. Es ist allein der dominanten Marktposition und der hohen Nachfrage nach Flugreisen zu verdanken, dass der Laden weiterhin brummt.
Auch wenn Moritz teilweise mit seinen Beobachtungen recht hat, so erkennt man doch sehr deutlich, dass es in ihm eine sehr tief liegende und deutlich erkennbare Abneigung, wenn nicht sogar Feindschaft in Bezug auf die Lufthansa gibt. Immer wieder feststellbar bei seinen LH Artikeln. Nicht professionell.
Erstaunlich, oft wird mir nämlich das Gegenteil vorgeworfen. Ich bin ehrlich gesagt ein ziemlicher Supporter der Lufthansa und fliege – trotz Abflugort Berlin – präferiert mit der Lufthansa und bin sogar Senator. Dennoch nehme ich mir heraus die Dinge zu kritisieren, die nicht gut laufen. Das gilt für die Lufthansa übrigens genauso wie für reisetopia – auch hier hinterfrage ich unsere eigene und dabei auch meine eigene Arbeit immer wieder.
Also ich, und sicher viele Andere auch, habe durchaus eine Feindschaft und deutlich Abneigung für die LH und bekunde dies auch gerne so oft und laut wie möglich. Wo du in dem Artikel aber diese Tendenzen siehst ist mir ein Rätsel?! Wie Moritz auch selber sagt, hat er doch eher positive Tendenzen und da zeigt so ein Artikel ja eigentlich umso mehr seine Integrität als Autor und CEO.
Aber damit wenigstens Einer hier die LH beschimpft…. An der Airline ist so gut wie nichts gutes mehr. Ein ewiger Fall seit den 2000er Jahren. Hardware und Service, vor allem in Relation zum Preis sind eine absolute Frechheit, und das Unternehmen ist ein Schandfleck auf der eh schon verschmutzten Flagge von Firmen die Deutschland repräsentieren sollten. Ein perfektes Beispiel für den Zerfall Deutschlands als Land des schlechten Service und schwindender Qualitätsnormen.
Irgendwie sieht die Klasse genauso aus, wie die bereits etablierte Condor Business.
Aber neue AOC kann die LH (bzw. Spohr) wunderbar immer wieder neue aus dem Hut zaubern. Was Planung angeht, hat LH aber ein großes Problem. Sieht man aber auch bei der Flottenplanung. Sollte tatsächlich Lufthansa City mit der E2 bereedert werden, hätte man auch hier wieder eine grandiose Fehlplanung. Denn derzeitig wird die E1 bei CityLine ja ausgeflaggt. Daher werden natürlich nach und nach nun Cockpitcrews mit EMJ Rating umgeschult auf LH Muster (787,320,350 …). Wenn dann aber tatsächlich die E2 kommt, braucht man neue Crews mit Rating auf EMJ (inkl Checker/Trainer) … Aber hey. Das gehört dann alles zu den “Anlaufverlusten” eines neuen AOC. Zurück zum Thema: Die 744/748 gab es damals doch schon als Allegris das erste mal vorgestellt wurde. Aber die 744/748 war da bestimmt “out of scope”.
Lufthansa will erstmal ab nächstem Jahr die Zahl der FTL und SEN reduzieren und vor allem die privat erflogenen SENs rausdrängen. Da wäre ein Anreiz durch durch neue Sitze zu diesem Zeitpunkt natürlich kontraproduktiv. Wenn der Mitgliederschwund dann noch höher ausfällt als erhofft, kann man das schön auf die veraltete Kabine schieben und muß sich nicht für das verschlechterte M&M Programm rechtfertigen.
Hat schon mal jemand ausgerechnet, wie viele Sitze (Umsatz) LH mit der Umstellung eigentlich verliert, zum Beispiel in der 747-8?
sehr gut formuliert , lustig dabei das die preise der vergammelten first class berechnet werden als wäre die allergie schon montiert und man die 5 Sterne airline wäre . die Selbstreflexion mir konkurrezvergleich fehlt irgendwie. die anderen airlines hauen nicht ewig auf den putz was für eine tolle neue Kabine kommt , sie machen sie fertig und präsentieren sie .
Ist Lufthansa noch ein DAX Konzern?
Hätte nicht gedacht, dass man in diesem Trauerspiel nochmal derart eins draufsetzen könnte, aber man kann sehr wohl.
Mal sehen, welche -äußeren – Umstände da jetzt ins Feld geführt werden., konzerninterne Ursachen wird es – wie bisher – natürlich nicht geben…
Das scheint zum Charakteristikum der Lufthansa zu werden – auf nichts ist Verlass, alles wird improvisiert. Und der Kunde steht da und ist der Blöde. Wenn er nur vor Staunen die Augen aufreissen muss, dann gehts ja noch. Aber die Servicequalität sinkt im Sturzflug und die Kundenbetreuung ist nicht vorhanden. Flugstreichungen, Verspätungen und Anschlussflug verpasst, Gepäck nicht da und erst 3 Tage später aufgetaucht (ich weiss 3 Tage würden sich manche wünschen), bei Beschwerden keine Rückmeldung etc. etc. Qualität ist anders.
Gute Zusammenfassung
Absolute Zustimmung! Das schlimme an der Arroganz der Geschäftsleitung sind die hohlen Marketing Phrasen konterkariert in der Operation. Es war wohl symptomatisch, das auf der Alegris Werbetour in München weder das Video funktionierte noch die Verstellfunktion der Sitze.
Die Vertriebler im Mockup berauschten sich an sich selbst, unfähig sich mit der Konkurenz messen zu wollen. Aufstieg und Fall der Stadt Mahagoni, ein klassisches Thema.
Ich finde diesen Artikel mehr schlecht als recht. “Debakel”, “Kaum mehr zu kaschierenden Planungsproblemen”. Das ist kein seriöser Artikel, das ist Meinungsmacherei vom feinsten. Wie die Bildzeitung. Liebes Reisetopia Team. Bleibt bitte bei dem was Ihr könnt- seriöser Journalismus gehört da allerdings nicht dazu.
Hallo Tobi, danke für deine Meinung. Der Artikel ist eine Kolumne und damit schon per se ein Meinungsartikel – was ist also daran falsch, eine Meinung zu äußern, die zudem komplett auf den seitens der Lufthansa veröffentlichten Meldungen bzw. Updates zum Allegris-Launch basiert?
Lieber Moritz, das ist sehr gut und fundiert geschrieben
Sehr guter Artikel, der die Probleme schön aufzeigt und beim Namen nennt.
Wir meiden LH seit Jahren, da das aktuelle Produkt auch ein veritables Debakel ist, konnten vor kurzem einen Transatlantik Flug nicht vermeiden, und es war einfach nur schlimm: Hardware, Crew, mehrstündige Verspätung.
Ich finde den Artikel sehr detailliert und super, der aktuellen Situation, geschrieben. Ich frage mich auch immer mehr, ob irgendwann jemand hervor kommt und sagt, versteckte Kamera. So ein Konzern, wie die LH, da geht so etwas einfach nicht. Ich unterstelle mittlerweile dem Management total versagen oder sogar mutwillige Absicht. Es kann doch nicht sein, dass seit 2017 nicht alle Szenarien durchgespielt wurden, mit allen Flugzeugtypen und ausreichend mit den Herstellern gesprochen wird. Wir reden hier von 7 Jahren, geschweige denn die Vorlaufzeit die wir nicht wissen.
Hallo Tobi, dieses völlig falsch verstandene “Gutmenschentum” (jaaa, jetzt kann man wieder einen wunderbaren Nebenkriegsschauplatz eröffnen, indem man sich in einzelne Begriffe wie diesen oder “Debakel” verbeißt) geht mir immer mehr auf bestimmte Körperteile unterhalb des Nabels (…): Moritz betreibt sehr wohl seriösen Journalismus, denn er hat nicht einfach plump draufgehauen, sondern jede (!) seiner Aussagen journalistisch bzw. chronologisch sauber erläutert und begründet mit Quellen und Datumsangabe etc. Die Dinge sind meiner bescheidenen Sicht mit “Debakel” eher noch höflich umschrieben, denn das Ganze ist schlichtweg ein hochnotpeinliches Desaster bzw. ein Skandal bzw. ein Trauerspiel (oder wie immer man dies nennen mag), für das man sich fast schon fremdschämt! Was ist nur aus dem Volk der Dichter, Denker und Lenker geworden… um Missverständnisse zu vermeiden: Ich lebe gerne in Deutschland, aber wir sind mittlerweile degeneriert zu einem Volk von weichgespülten Traumtänzern, die die Augen vor der Realität verschließen und sich ständig wegducken – auch außenpolitisch (siehe jüngste Enthaltung bei der UN-Resolution, weitere Details würde den Rahmen sprengen). Wenn man so wie Moritz die Dinge klar und fundiert (!) beim Namen nennt, melden sich sofort selbsternannte Hüter von Ethik und Moral zu Wort, um sich als Rächer der Witwen und Waisen zu profilieren… boah eh!
Das hätte ich nicht besser sagen können, sokratino. Daumen hoch.
Ich würde beim herkömmlichen Kabinenkonfiguration bleiben – mit einfachen neuen Sitzen.
Ich finde die neue Business-Kabine der Allegris ungemütlich. Vermittelt das Raumgefühl eines Bürowürfels aus einem Großraumbüro. Enge, Gefangenschaft, Trennung. Die Economy sieht gemütlicher aus wenigstens und kann man sich noch miteinander unterhalten. In der jetztigdn offenen Business, kann mich hinlegen, Kontakt zur Begleitung haben und hat auchauch vom Gangplatz einen Blick zum Fenster.
Allegris wiegt mehr? Zieht Folgen bei der Gewichtsverteilung nach sich? Passt nicht ins Oberdeck der 747/380? Ist weiterhin nicht im Zulauf? Und die Kapazität in der Business wird deutlich kleiner? Sitzplatzreservierung komplizierter?
Gibt es nicht passende, zertifizierte Businesssitze für die bisherige (normale) Sitzkonfiguration? Scheint Mir die bessere Wahl. Ansonsten könnte man nur die Touchscreens austauschen, offenbar ein Kritikpunkt.
Mir scheint die Lufthansa wollte eine komplexe Lösung für ein extra kompliziertes Kabinenlayout. Und das passt nicht.
Perfekt! Danke für diesen Kommentar. Die neue Business-Class zwängt ein. Neueste Sitzgeneration rein wäre das beste für die Kunden und günstigste für die LH. Die Suiten für die First dagegen finde ich adäquat…