Im Rahmen unserer aireg Mitgliedschaft haben wir die Möglichkeit mit vielen spannenden Persönlichkeiten aus der Luftfahrtbranche in Kontakt zu treten und uns gemeinsam darüber auszutauschen, was wir in Zukunft von Sustainable Aviation Fuels (SAF) erwarten können.
Dazu haben wir eine kleine Interviewreihe ins Leben gerufen, in der wir die verschiedensten Akteure im Bereich der nachhaltigen Flugkraftstoffe zu ihren beruflichen Tätigkeitsfeldern sowie den Herausforderungen und Perspektiven der Luftfahrt befragt haben. Mein heutiger Gast ist Kay Kratky. Durch seine langjährige Tätigkeit und verschiedene Stationen in der Airline-Industrie unter anderem als CEO von Austrian Airlines, Vorstandsmitglied der Lufthansa, Aufsichtsratsmitglied bei SAS aber auch als aireg Vorstandsmitglied hat er einen umfassenden Einblick in die Entwicklungen der Branche. Aktuell ist Kay Kratky unter anderem Vorsitzender des Beirats von Caphenia – einem Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, aus erneuerbarer Energie, (Bio-) Methan und CO2 nachhaltiges Kerosin herzustellen. Er gibt spannende Einblicke in Caphenia’s Vision und zeigt, dass Nachhaltigkeit und Mobilität keine Widersprüche sein müssen.
Herr Kratky, aktuell sind Sie unter anderem bei Caphenia als Beiratsvorsitzender tätig. Was genau macht Caphenia?
Bei Caphenia beschäftigen wir uns seit 2012 damit, einen Technologiepfad zur Entwicklung von Synthesegas zu designen. Synthesegas ist ein wichtiger Ausgangsstoff für viele Produkte wie zum Beispiel Diesel, aber eben auch Kerosin und darüber hinaus auch noch einige andere chemische Grundstoffe. Man kann sehr viel aus diesem Synthesegas machen. Unser Fokus lag allerdings schon ganz früh darauf, die Luftfahrt mit Kerosin zu versorgen. Aus unserer Einschätzung wird die Luftfahrt nämlich eine der allerletzten Industrien sein, für die es umfassende, alternative Antriebsmöglichkeiten geben wird. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis in der Luftfahrt große Strecken mit großen Flugzeugen mit Wasserstoff betrieben werden können. Noch länger wird es dauern, bis Batterie- und Elektroantriebe diese Art von Long Haul Operation übernehmen können. Daher haben wir uns extra auf Alternativen für die Luftfahrt also auf das Kerosin spezialisiert.
Aus welchem Grund wird der Wandel zu nachhaltigen Alternativen denn gerade in der Luftfahrt so lange dauern?
Das liegt ganz einfach an physikalischen Grundgleichungen und daran, dass man die benötigte Energie beim Flugzeug mit an Bord bringen muss. Wasserstoff ist sehr voluminös. Das heißt, selbst wenn die Antriebe vollständig entwickelt sind, gibt es weniger Platz für die Nutzlast. Als Nutzlast zählen Passagiere oder aber auch Fracht – beides wäre deutlich eingeschränkt bei dem ganzen Volumen, das der Wasserstoff in Anspruch nehmen würde. Selbst wenn man Wasserstoff unter extrem hohen Druck verflüssigen und betanken könnte, ist dies sehr aufwändig und in der Luftfahrt mit größten technischen, bislang ungelösten, Herausforderungen verbunden. Die Wirtschaftlichkeit würde in den Keller gehen. Noch größer ist dieses Problem bei den Batterien von Elektroflugzeugen, denn diese sind sehr schwer. Wenn wir mit einer Batterie die gleiche Energiemenge bereitstellen wollen wie wir es heute mit Kerosin hinbekommen, dann wiegt das so viel – da geht kein Flugzeug mehr in die Luft, ausser vielleicht für Ultrakurzstrecken mit wenig Payload.
Das ist ein Punkt, der vielen gar nicht richtig bewusst ist. Natürlich ist es gut und erstrebenswert, dass wir auch in der Luftfahrt jetzt in Richtung Wasserstoff- und Elektroantriebe schauen , allerdings wird das nur für die kleinsten Anwendungsbereiche in näherer Zukunft nutzbar sein. Schon eine Strecke nach Kreta oder Mallorca könnte zu weit sein, von den Langstrecken brauchen wir gar nicht erst anfangen zu sprechen. Aber es wird trotz alledem ein bisschen das Bild vermittelt, als wäre das eine grundsätzliche Lösung für die gesamte Luftfahrt.
Zurück zu Caphenia – was macht Ihre Technologie denn so besonders im Vergleich zu anderen Produktionswegen von Sustainable Aviation Fuels?
Dazu muss man sich anschauen, was uns unterscheidet und was die langfristigen Marktchancen sind. Der Kernpunkt liegt hier beim erneuerbaren Strom. Alle Hersteller benötigen Strom, für manche ist das sogar die Grundsubstanz. Aber so viel erneuerbarer Strom wie aktuell, vor allem aber in den nächsten Jahren, durch die Wirtschaft aber auch von Privathaushalten nachgefragt wird, wird nicht auf die Schnelle produziert und geliefert werden können.
Und hier sehen wir unseren Vorteil. Zum einen aus einer Kostenperspektive, aber auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit des Produkts. Denn wir brauchen zwar auch erneuerbaren Strom, aber etwa siebenmal weniger als die auf Elektrolyse basierten Wettbewerber. Das liegt daran, dass wir Methan nutzen. Methan gibt’s einmal in Form natürlichen, fossilen Erdgases und es gibt Methan als Biogas, was schon relativ in großen Mengen verfügbar ist und im Moment oftmals dann verbrannt wird, um entweder Wärme oder über Verbrennung auch Elektrizität zu erzeugen. Aber das können wir viel besser nutzen, weil in diesem Bio-Methan stecken alle Rohstoffe drin, die wir außer Strom benötigen. Und das Elegante an der Sache ist, dass Bio-Methan einerseits Energielieferant ist, weshalb wir viel weniger Strom als andere brauchen und andererseits auch noch CO2 und Kohlenstoff für unseren Prozess liefert.
Normalerweise wird bei der Verbrennung von Methan in Biogasanlagen immer noch CO2 in die Luft ausgestoßen, was im Endeffekt dann auch wieder negative Folgen für die Umwelt hat. Aber mit unserer Technologie könnten wir alles verwenden, was im Methan enthalten ist. Es würden bei diesem Prozess keine Stoffe ungenutzt ausgeschieden werden. Man spricht von 100 Prozent Selektivität.
Seit 2012 entwickeln wir dieses Verfahren nun stetig weiter und wir sind auch weltweit die einzigen, die diesen Weg gehen, der übrigens global patentrechtlich geschützt ist. Gerade sind wir in der Phase, dass wir die letzten Bausteine der Finanzierung für die erste Anlage zusammentragen und wir möchten, im Laufe des Jahres soweit sein, dass wir mit dem Bau beginnen können. Die Anlage soll in der Nähe des Frankfurter Flughafens errichtet werden. Hier wird dann zunächst in kleinen Mengen produziert, damit wir beweisen können, dass unsere Technologie auch tatsächlich so funktioniert. Davon gehen wir natürlich aus und im nächsten Schritt würden wir dann richtig in die industrielle Produktion gehen und die Kapazitäten ausbauen, sodass wir dann auch mehrere tausend bis Hunderttausend Tonnen pro Jahr produzieren können. Im Verlauf dieses Jahrzehnts soll sich das dann schrittweise mit mehreren Anlagen auf mehrere Millionen Tonnen erhöhen. Es ist sicherlich noch ein weiter Weg, aber alle Wissenschaftler und Techniker sagen, dass es, so wie unsere Technologie aufgebaut ist, funktionieren wird.
Und wie machen es Ihre Wettbewerber?
Die Prozesse von unseren meisten Wettbewerbern brauchen deutlich mehr erneuerbare Energien als wir, denn sie basieren häufig, wie bereits erwähnt, auf Elektrolyse, dem sogenannten Power-to-Liquid. Das ist ein Verfahren, das in sich zwar schon ziemlich gut ist, aber es braucht halt sehr viel Energie. In diesem Prozess spaltet man – vereinfacht gesagt – Wasser mithilfe von erneuerbaren Energien, um daraus Wasserstoff gewinnen zu können. Und über den Weg der CO2 Beimischung bekommt man dann auch irgendwann zu dem Synthesegas, das wir alle haben wollen.
Dann gibt es natürlich auch noch andere Verfahren, die in der Produktion synthetischer Kraftstoffe deutlich mehr CO2 emittieren als wir. Hier geht es nun etwas tiefer in die Materie rein, aber es gibt zum Beispiel das HEFA-Verfahren zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Das ist die Produktlinie, bei der Speiseöl – beziehungsweise generell Öle und Lipide – eingesetzt werden und wenn man sich da den kompletten well to wheel CO2-Fußabdruck anschaut, dann ist der um einiges höher als bei uns. Gleiches gilt für das sonst immer als besonders klimafreundlich geltende Power-to-Liquid-Verfahren.
Dabei ist dann noch nicht mal eingerechnet, dass es ja im Moment nicht genügend erneuerbaren Strom gibt. Das heißt, viele technologische Anwendungen werden aus dem normalen Netz betrieben. Und unser normaler Netzstrom, der besteht aktuell nur zu 40 Prozent aus erneuerbaren Energien. In diesem Moment kippen dann die ganzen Berechnungen zur Klimaneutralität. Da wir bei Caphenia aber Biogas nutzen, was im Verwertungskreislauf zu 100 Prozent recyclebar ist, und somit deutlich weniger auf den Netzstrom angewiesen sind, ist unser Produkt in allen Szenarien auch heute schon dementsprechend klimafreundlicher.
Welche Rohstoffe wollen Sie denn in Ihrer Technologie verwenden?
Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Denn als das ganze Thema anfing, dass man die Biostoffe nutzbar machte, da wurde zunächst alles genommen. Da kam dann natürlich schnell die Debatte auf, ob es sinnvoll ist, wenn ein Bauer riesige Maisfelder anbaut, nur damit das dann fermentiert und zu Gas umgewandelt wird. So etwas soll es heutzutage nicht mehr geben, das ist auch in der RED II (EU, Renewable Energy Directive 2) so vorgesehen. Hier wird es jetzt spannend für uns, denn inzwischen kommt Biomasse der zweiten Generation wie Klärschlamm oder Siedlungsabfälle infrage. Damit wollen wir arbeiten und somit dann sogar zwei Probleme auf einmal lösen. Da haben wir einen Rohstoff für die Herstellung des Synthese Gases, der nicht extra und mühsam angebaut werden muss und gleichzeitig verringern wir die Menge des Mülls, der aufwändig entsorgt und verbrannt werden müsste mit einem lukrativen Geschäftsmodell für Kommunen und Entsorger.
Somit haben wir tatsächlich eine Reihe an Vorteilen, die unser Produkt so attraktiv machen. Wir haben einen viel geringeren Stromverbrauch, wir fördern die Nutzbarmachung von Abfällen und zudem ist unser Prozess noch viel effizienter. Hier bin ich noch gar nicht drauf eingegangen, aber durch unseren deutlich effizienteren Prozess sind wir auch noch viel kostengünstiger und damit wettbewerbsfähiger im Markt.
Wie Sie wissen, spielt der Preis in der Airline-Industrie eine enorm große Rolle, da die Margen so niedrig sind. Kerosin ist da einer der großen Kostenfaktoren und wenn dieser Punkt auch nur minimal ansteigt, kann das das ganze Jahresergebnis stark negativ beeinflussen. Da wir günstiger sind als die Wettbewerber, rechne ich uns also auch durch diesen Aspekt sehr große Marktchancen aus. Natürlich haben aber auch die anderen ihre Daseinsberechtigung, schließlich brauchen wir in Zukunft so viel von den nachhaltigen Kraftstoffen, dass ein Alleingang sowieso nicht sinnvoll ist.
Wie schätzen Sie denn die globale Entwicklung in diesem Bereich in den nächsten Jahren ein?
Global gesehen muss sich noch einiges tun. Wir als wohlhabendes Land tendieren ja gerne immer dazu, die Welt aus unserer Perspektive zu sehen und wir können sicherlich auch in den nächsten Jahren einiges in Deutschland erreichen in Sachen Forschung und erneuerbaren Energien. Vielleicht könnten wir es uns hier sogar gerade so noch leisten innerhalb kürzerer Zeit klimaneutral zu werden, doch es bringt global gesehen wenig, wenn nur wir oder aber auch z.B. noch Skandinavien unsere CO2 Emissionen auf null herunterfahren, aber sich im Rest der Welt nichts tut. Wenn wir es hier nicht schaffen, Technologien zu entwickeln, die sich auch in Afrika oder Teilen von Asien und Südamerika einsetzen lassen, dann können wir die globalen Klimaziele für 2050 ad acta legen. Damit will ich nicht sagen, dass wir nicht alle diese Varianten, die eher teurer oder komplexer sind, auch hier für uns entwickeln und nutzbar machen sollten – aber wir müssen darüber hinaus gleichzeitig schauen, welche Lösungen sich für globale Anwendungen anbieten. Der Klimawandel kennt schließlich kein Deutschland oder Skandinavien, hier geht es um das Gesamtklima der Welt.
Ich plädiere ausdrücklich dafür, dass wir Deutschland als einen Innovations- und Zukunftsstandort sichern und nutzen. Hier können wir dann auch exportfähige Lösungen entwickeln, die ebenso oder gerade für Länder anwendbar sind, die aktuell noch vor ganz anderen Herausforderungen stehen. Ich wünsche mir hierzu viel mehr Innovations- und vor allem Investitionsbereitschaft in Deutschland. Dass man sich auch mal an Lösungen herantraut, die vielleicht nicht das 100-prozentige Idealziel erreichen, aber vielleicht schon einmal 25, 50 oder 75 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Das ist meiner Meinung nach der einzige Weg, wie es möglich ist, die Klimaziele schnellstmöglich anzugehen, zu erreichen und die globale Herausforderung auch gemeinsam zu meistern.
Fazit zum Interview mit Kay Kratky über die Möglichkeiten des klimafreundlicheren Fliegens
Der Ansatz von Caphenia hat mich wirklich beeindruckt und klingt fast zu schön um wahr zu sein. Das spezielle Verfahren, das effizienter, günstiger und umweltfreundlicher als alles Bisherige ist und gleichzeitig noch dazu beiträgt das Abfallproblem von großen Städten zu bekämpfen, könnte einen großen Beitrag zum klimafreundlicheren Fliegen leisten. Gleichzeitig wurde mir auch wieder bewusst, wie sehr man die Thematik aus der eigenen Blase betrachtet und oft den Bezug zur globalen Herausforderung verliert. In jedem Fall bin ich sehr gespannt, wie es weitergeht, sobald die erste Produktionsanlage von Caphenia tatsächlich gebaut wird und sich die vielversprechende Technologie in der Praxis beweisen kann.
Übrigens ist Caphenia auf der Suche nach Partnern, die sich in den verschiedenen Projektphasen und dann im Bau von verschiedenen Anlagen engagieren möchten. Nach der Pilotanlage wird mit einer schnellen, industriellen Skalierung gerechnet und hier wird dann kompetente Unterstützung gebraucht!