Wegen des Vertragsendes vom Flughafen Düsseldorf mit der belgischen Abfertigungsfirma Aviapartner droht die Gewerkschaft ver.di nun unbefristete Streiks an. Doch sind die Drohungen gerechtfertigt und was hat überhaupt zum Ende des Vertrages geführt? Wir haben die Situation vor Ort dank Insiderinformationen genauer betrachtet.

Erst vor wenigen Tagen kam es zum ersten Warnstreik am Düsseldorfer Flughafen. Dabei haben Angestellte von Aviapartner ihre Arbeit wegen der fehlenden Lizenzverlängerung für einen Tag niedergelegt. Etwa die Hälfte der geplanten Flüge war dabei ausgefallen. Die Gewerkschaft ver.di droht mit unbefristeten Streiks und warnt vor einem Chaos-Sommer, der bereits im Frühjahr zu den Osterferien beginnen könnte. Wir haben bei den Beteiligten am Flughafen Düsseldorf nachgefragt und wollen die Situation vor Ort einordnen.

Alles auf Anfang

Mit dem Ende vieler Einreisebeschränkungen im vergangenen Jahr war das Reisen wieder (fast) wie gewohnt möglich. Die Nachfrage nach Flugreisen stieg bereits 2022 gravierend an. Die Folge: Ein Chaos-Sommer an deutschen Flughäfen. Und auch in diesem Jahr könnte sich dieses Schauspiel wiederholen. Die Flugsicherung warnt bereits vor eigenen Personalengpässen, die wiederum in Luftraumbeschränkungen resultieren könnten. Doch auch am Boden könnte es vielerorts nicht besser aussehen. Der Flughafen Düsseldorf steht dabei im Mittelpunkt des aktuellen Geschehens. Der Vertrag mit dem Bodendienstleistungsunternehmen Aviapartner endet fristgemäß und wird nicht verlängert. Die Lücke sollen zwei neue Partner füllen. Experten sehen hier aber die große Gefahr.

Airport 2085262 1280 1024x706 Cropped

Denn die ungeklärten Zuständigkeiten, gepaart mit sowieso bestehenden Personalengpässen, könnten in einem weiteren Chaos münden, das bereits in den Osterferien in Nordrhein-Westfalen den Anfang nehmen könnte. Darüber hinaus ist es aber vor allem das Personal, das die Auswirkungen kurzfristig zu tragen hat. Mit dem Ende von Aviapartner ist die Zukunft der 700 Mitarbeitenden nämlich ungewiss. Und die Verantwortlichkeit für die aktuelle Situation schieben sich alle Parteien ebenfalls hin und her. Doch sind die Anschuldigungen überhaupt korrekt? Wir haben Insiderinformationen erhalten und versuchen diese nun aufzuarbeiten.

Einigkeit, außer im Ministerium

Das Ende des Vertrags mit Aviapartner kam nicht gänzlich überraschend. Die Vertragslaufzeit ist abgelaufen und nach sieben Jahren kommt es immer wieder zu öffentlichen Ausschreibungen an europäischen Flughäfen, die mehr als zwei Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen. Aviapartner, ein belgisches Unternehmen, was bereits seit über 20 Jahren in Düsseldorf tätig ist, möchte die Situation dennoch nicht endgültig akzeptieren:

Die Entscheidung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr ist zunächst rechtskräftig. Wir haben jedoch Rechtsmittel eingelegt und erwarten alsbald die Aussetzung des sofortigen Vollzugs und klagen gegen die Entscheidung.

Statement von Aviapartner gegenüber reisetopia

Als Gründe, warum Aviapartner die Situation nicht akzeptieren möchte, nennt man folgende:

Wir haben nachvollziehbare, konsistente, transparente Bewerbungsunterlagen abgegeben, die einen verlässlichen Betrieb zulassen. Die Flughafengesellschaft wollte uns weiterhin als Partner, der Betriebsrat des Flughafens wollte uns weiterhin als Partner und die Fluggesellschaften haben uns mehr als 73 Prozent ihrer Stimmen gegeben. Einzig der Verwaltungshelfer des Ministeriums hat die eingereichten Bewerbungsunterlagen offensichtlich anders bewertet.

Statement von Aviapartner gegenüber reisetopia

Angestellte am Flughafen Düsseldorf schätzen die Lage jedoch anders ein. Laut uns exklusiv vorliegenden Informationen soll das Verhältnis zwischen den Angestellten von Aviapartner mit dem Management sowie zwischen Aviapartner und dem Flughafen Düsseldorf schon länger angeschlagen und das Ende des Vertrages ein hausgemachtes sein. Dafür muss man die Situation am Flughafen Düsseldorf verstehen.

Flughafen Dc3bcsseldorf Dus 1024x766 Cropped

Noch vor etwa 20 Jahren stellte der Flughafen Düsseldorf selbst mit der FDGHG einen eigenen Bodendienstleister. Hinzu kam dann Aviapartner. Das belgische Unternehmen konnte dank Subventionen deutlich günstigere Preise anbieten. Mehr und mehr Airlines wechselten zu Aviapartner, auch aufgrund der wohl damals gebotenen Expertise, wie uns ein Insider berichtete. Übrigens: Mittlerweile hat sich die FDGHG endgültig aus dem Bereich Gepäckabfertigung zurückgezogen und überlässt dies ausschließlich anderen Unternehmen.

Die Preise müssen weiter sinken

Doch die Preise mussten immer weiter gedrückt werden, und das zulasten des Personals. Laut uns vorliegenden Informationen soll das Personal immer schlechter geschult worden sein. Leiharbeiter sollen sogar nur eine einwöchige Ausbildung bei Aviapartner erhalten haben.

Tobias FZRvB6KoRxE Unsplash Cropped

Ähnliche Ergebnisse haben Recherchen vom Pro7-Format “Zervakis & Opdenhövel. Live.” aufgedeckt, und zwar am Flughafen Köln-Bonn. Auch am Flughafen Düsseldorf recherchierte das Format, eine Reporterin fing als Ramp Agent an und berichtete vor allem von fehlendem Personal und die dadurch verspätete Abfertigung von Flugzeugen. Zwei Online-Schulungen sollen ausgereicht haben, um in den Sicherheitsbereich des Flughafens zu kommen und allein ins Cockpit eines Flugzeuges zu sein. Das verstößt klar gegen das Gesetz.

Aviapartner selbst entgegnet uns auf Nachfrage:

Unsere Mitarbeitenden werden nach sämtlichen weltweiten Standards der IATA und der Fluggesellschaften sowie der Flughafenbenutzungsordnung geschult und weitergebildet. Dieser Vorwurf ist absurd. Aviapartner schult an über 50 Standorten nach eigenen Standards, die über den geforderten Standards liegen. In Düsseldorf erfolgt nach der Schulung auch stets eine Abnahme und Lizensierung durch die flughafeneignen Schulungsabteilung, was in Deutschland einzigartig ist. Es kommt ganz selten zu Unfällen, die im niedrigen Promillebereich weit unterhalb bundesweiter Standards liegt. Uns ist nicht bekannt, dass es bei Aviapartner „immer wieder zu Komplikationen, Zwischenfällen und gar Unfällen auf dem Vorfeld“ kommt.

Statement von Aviapartner gegenüber reisetopia

Derweil wurde Preisdruck in der Branche immer größer, so auch am Flughafen Düsseldorf. Und so soll der Flughafen Düsseldorf seinem eigenen Bodendienstleistungsunternehmen mit noch mehr Wettbewerb gedroht haben, sollte man nicht auf mehr Lohn verzichten. So kam es, wie es kommen musste: Mit Acciona kam ein dritter Anbieter auf das Vorfeld. Ein Preiskampf, den sich am Ende nur noch Acciona und Aviapartner leisten konnte, wie uns berichtet wurde. Aviapartner konnte darauf nur mit noch mehr günstigen Leihkräften reagieren. Der Frust beim Personal soll dabei immer größer geworden sein.

Vorwürfe haltlos?

Dieser Frust gipfelte letztlich in der Corona-Pandemie. Laut internen Informationen war die Fluktuation bei Aviapartner besonders groß. So sollen mit Beginn der Corona-Pandemie zahlreiche Beschäftigte, besonders Leiharbeiter bei Aviapartner, entlassen worden sein oder sind selbst gegangen. Der Lohn bei Kurzarbeit soll netto nur noch zwischen 800 und 900 Euro betragen haben. Zudem kam Anfang 2022 der sogenannte Flex-Dienstplan ins Spiel, welcher den Mitarbeitenden weniger eigene Planbarkeit und Flexibilität geboten hat. Aviapartner selbst entgegnet darauf nur:

Wir haben keinen Mitarbeitenden entlassen. Es gab wenige Vertragsausläufe und eine normale Fluktuation in dieser schwierigen Zeit.

Statement von Aviapartner gegenüber reisetopia

Das soll nun auch mit dem offiziellen Ende am Flughafen Düsseldorf der Fall sein, wie Aviapartner mitteilt:

Einige Mitarbeitende werden die Angebote der beiden Mitbewerber annehmen und uns verlassen, andere verlassen den Flughafen gänzlich und wieder andere arbeiten in Zukunft für das Joint Venture der Firmen AAS Deutschland GmbH und Aviapartner. Es sind keine betriebsbedingten Kündigungen geplant.

Statement von Aviapartner gegenüber reisetopia

Interessant ist, dass die Branche etwa 13 Prozent ihrer Arbeitskräfte in diesem Bereich während der Pandemie verloren haben soll. Zudem fehlt es in Deutschland hier laut Schätzungen an über 7.000 Mitarbeitenden.

Die WISAG, die bereits mit Ground Handling an mehrere deutschen Flughäfen tätig ist, wird zum anderen am Flughafen Düsseldorf neu übernehmen.

Wichtig zum Verständnis ist, dass hier bei der WISAG aus rechtlichen Gründen kein Betriebsübergang stattfinden kann, das heißt MitarbeiterInnen des vorherigen Dienstleisters Aviapartner können nicht einfach an die WISAG als einem der neuen Lizenznehmer übergehen. Hintergrund ist die Entscheidung des größten Volumenkunden am Flughafen Düsseldorf, zum Dienstleister Acciona zu wechseln.

Statement einer Pressesprecherin von WISAG gegenüber reisetopia

So macht die WISAG bereits Angebote an Mitarbeitende von Aviapartner und lädt zu Veranstaltungen ein. Ein willkommener Schritt. Laut Insiderinformationen spielen auch einige Angestellte mit dem Gedanken, zur WISAG oder zu Acciona zu wechseln.

Die WISAG Aviation ist bereits unmittelbar seit Bekanntwerden der Lizenzentscheidung Ende Dezember 2022 in Gesprächen mit Luftverkehrsgesellschaften am Flughafen Düsseldorf sowie mit potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Stellenausschreibungen richten sich selbstverständlich und insbesondere auch an MitarbeiterInnen, die aktuell bereits am Flughafen beschäftigt sind. Die WISAG Aviation arbeitet intensiv und mit Hochdruck daran, die Betriebsaufnahme im April bestmöglich vorzubereiten und für einen reibungslosen Start der WISAG Aviation Düsseldorf zu sorgen.

Statement einer Pressesprecherin von WISAG gegenüber reisetopia

Die Gewerkschaft ver.di hingegen monierte zuletzt noch fehlende Übernahmeangebote und drohte sogar unbefristete Streiks an. Zu welchen Konditionen die Mitarbeitenden bei den neuen Partnern anfangen können, ist offiziell unbekannt. Dass es bei AAS an öffentlichen Stellenausschreibung fehlt, ergibt mittlerweile durchaus Sinn. Denn das Unternehmen will dank des Joint Ventures mit Aviapartner möglichst alle Angestellten übernehmen, und das zu gleichen Konditionen. Dementsprechend sollen auch die Angestellten über die Streikandrohungen der ver.di eher verwundert sein.

Wir haben zudem auch bei AAS, Acciona und der Gewerkschaft ver.di in Düsseldorf um Stellungnahme zur aktuellen Situation gebeten, bis zur Veröffentlichung des Beitrags aber keinerlei Rückmeldung erhalten. Auch beim Flughafen Düsseldorf haben wir nachgefragt, aber lediglich eine sehr allgemein gehaltene Rückmeldung ohne direkte Antworten auf unsere Fragen erhalten. Die uns vorliegenden internen Informationen beruhen auf einer anonymen Quelle. Die entsprechenden Informationen liegen der Redaktion von reisetopia vor.

Fazit zur Situation am Düsseldorfer Flughafen

Die Situation scheint für alle Beteiligten unbefriedigend und frustrierend zu sein. Jahrelanger Preisdruck mündete in diese Entscheidung, einen langjährigen Partner des Flughafens Düsseldorf zu verabschieden. Vor allem sind es die Angestellten, die mit diesen Folgen zu leben haben. Scheinbar wird für eine Nachfolgelösung, sowohl von Aviapartner als auch von den neuen Partnern am Flughafen Düsseldorf gesorgt. Sollten die Bemühungen aller Beteiligten aber sich tatsächlich bewahrheiten und für alle interessierten Angestellten eine ansprechende Nachfolgelösung gefunden werden, so sind die Aussagen der Gewerkschaft ver.di und besonders die Androhungen zu unbefristeten Streiks haltlos.

Ich persönlich denke, dass sich ein Chaos-Sommer, oder ein Chaos-Frühjahr, nicht zwangsläufig wiederholen muss, nur weil neue Anbieter auf das Vorfeld kommen. Im Gegenteil: Ein Großteil der Mitarbeitenden soll erhalten bleiben. Zudem verfügen Unternehmen wie die WISAG über Expertise in diesem Bereich. Daher kann ich die Vorwürfe der ver.di auch hier nicht ganz nachvollziehen und würde stattdessen auf ein generelles Problem verweisen, welches nicht nur den Flughafen Düsseldorf betrifft. Denn die Branche altert schnell, zumindest bei den Mitarbeitenden. Und ausreichend (qualifiziertes) Personal wird auf lange Sicht unter den aktuellen Bedingungen immer schwerer zu finden sein. Wenn die Luftfahrtbranche gleichzeitig weiter wachsen will, muss sich hier unbedingt etwas tun. Denn sonst gibt es nicht mehr nur noch einen Chaos-Sommer, sondern Chaosjahre.

Ihr habt spannende Informationen, Euch fehlen wichtige Themen oder Ihr habt einfach eine Anregung für neue Content Ideen? Dann sendet sie uns über dieses Formular!

Autor

Alexander Fink ist als Content Editor seit Januar 2021 für reisetopia tätig. Zuvor war er als Account Manager in der Industrie beruflich unterwegs und schrieb von seinen Reiseerfahrungen im eigenen Blog. Heute ist er Euer Ansprechpartner für alle Airline- und Kreditkartenthemen.

Fragen? In der reisetopia Club Lounge auf Facebook beantworten wir Eure Fragen.

Alle Kommentare anzeigen (1)