Nach dem weichen Einstieg in das inländische Kurzstreckenflugverbot soll jetzt härter durchgegriffen werden. Doch sind die Maßnahmen wirklich weitreichend und sinnvoll?
Als Reaktion auf den Zuwachs des inländischen Flugverkehrs um 24 Prozent im Zeitraum 2010 bis 2019, verabschiedete Frankreich in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission als erstes europäisches Land das gesetzlich verankerte Kurzstreckenflugverbot. Bei Alternativverbindung mit dem Zug im Rahmen von 2,5 Stunden ist die Reise mit dem Flugzeug seither untersagt, beziehungsweise werden keine Verbindungen mehr angeboten. Frankreich testete das Unterfangen bislang auf drei Strecken. Nun wurde das finale Dekret der französischen Regierung veröffentlicht, das auch weitere Verbindungen stilllegen könnte.
Weicher Einstieg in das Kurzstreckenflugverbot
Bereits im vergangenen April ist das Inlandsflugverbot in Frankreich teilweise in Kraft getreten. Nach der Zustimmung der Europäischen Kommission und der Stellungnahme des Staatsrates ist die heutige Veröffentlichung des Dekrets der letzte Schritt, der das Verbot wirksam werden lässt. Das Kurzstreckenflugverbot im Inland war aus einer Bürgerklimakonvention hervorgegangen.
Das Verbot soll zunächst für eine Zeitspanne von drei Jahren gelten und dann neu evaluiert werden. Bislang wurde das Kurzstreckenflugverbot auf den folgenden Verbindungen getestet, die ab heute offiziell für den Flugverkehr verboten sind:
- ´´Paris Orly ⇾ Bordaux
- Paris Orly ⇾ Nantes
- Paris Orly ⇾ Lyon St. Exupéry
Hier wurden die Direktverbindungen allerdings von allen Airlines bereits vor Jahren eingestellt. Die Lösung: Ein Zwischenstopp im europäischen Ausland.
Zudem gelten aufgeweichte Regelungen für den Umstieg über Paris – beispielsweise bleiben Zubringer für internationale Flüge von der Regelung unberührt. Außerdem werden viele hochfrequent genutzte Strecken in Frankreich mit dem Zug in knapp drei Stunden erreicht, weshalb auch hier die neue Regelung weiterhin nicht greifen wird. Von den über 100 Inlandsflugverbindung wird also sehr wahrscheinlich nur ein Bruchteil wirklich von dem Kurzstreckenflugverbot betroffen sein.
TGV-Netz kann Kurzstreckenflugverbot nicht abfangen
Auch die Routen Paris CDG-Rennes, Paris CDG-Nantes und Lyon-Marseille könnten bei geeigneter Alternativverbindung künftig unter das Kurzstreckenflugverbot fallen – doch nicht ohne Weiteres.
In den vergangenen Monaten wurde viel daran gesetzt, die Taktung des Bahnverkehrs zu verdichten, sodass Reisende auch an Tagesrand- und Stoßzeiten ihr Ziel problemlos erreichen können, bevor der Flugverkehr eingestellt werden kann. Allerdings bietet das TGV-Netz (Hochgeschwindigkeitsschienennetz) trotz des erheblichen Ausbaus für die meisten Routen noch keine effiziente Alternative.
Querverbindungen stellen größtes Problem dar
Insbesondere die Querverbindungen zwischen Städten, die nicht über Paris verlaufen, bedeuten bei Zugreisen noch große Umwege und viel Reisezeit in Frankreich. Von Lyon aus empfiehlt es sich aktuell, nach Orléans, Nantes und selbst in das südlich gelegene Bordeaux mit dem Zug über Paris zu fahren, um Anschluss an das TGV-Netz zu erhalten.
Im Fall Lyon-Bordeaux bedeutet das einen Umweg von knapp 500 Kilometern und eine Fahrzeit von circa fünf Stunden und 24 Minuten, die einem Direktflug von rund 65 Minuten Dauer gegenübersteht. Der Zuwachs an Kurzstreckenflügen in der letzten Dekade, insbesondere mit Lowcost-Airlines (circa 72 Prozent), lässt sich also mit dem Mangel an geeigneten Alternativstrecken erklären.
Fazit zum Verbot von Kurzstreckenflügen in Frankreich
Der nachhaltige Ansatz in Bezug auf den inländischen Flugverkehr ist sicherlich ein zukunftsorientierter und wegweisender in der europäischen Mobilitätshistorie. Allerdings bedeutet er bei einem Land, dessen kultureller und kommerzieller Mittelpunkt sich so stark auf eine Stadt konzentriert, dass ein erheblicher finanzieller und logistischer Aufwand vor der Etablierung steht. Bis das Verbot also wirklich maßgeblichen Einfluss auf die Wahl des Transportmittels hat, muss das TGV-Netz bei Querverbindungen ausgebaut und die Zugtaktung verdichtet werden. Summa summarum steht Frankreich am Beginn eines langjährigen Prozesses mit hohem Personalaufwand, Materialkosten und einer dezidierten Planung neuer Schienenstreckenverläufe. Ob diese ambitionierten Pläne innerhalb von drei Jahren umsetzbar sind, bleibt abzuwarten.