Laut einem Bericht können die Klimaziele der Luftfahrt ohne eine deutliche Anpassung von aktuellen oder ohne neue Strategien nicht eingehalten werden.
Bis 2050 will die Luftfahrt ambitionierte Emissionsziele erreichen und klimaschonenderes Fliegen ermöglichen. Erst kürzlich hatte sich der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) aufgrund reduzierter Subventionen durch den Staat für Sustainable Aviation Fuels (SAF) besorgt um die Erreichung der UN-Klimaziele bis 2030 geäußert und einen Mangel an klimafreundlichen Kerosin antizipiert. Nun geht aus einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hervor, dass keine aktuelle Strategie den Umschwung zu einer klimafreundlicheren Luftfahrtbranche schaffen wird, wie aero berichtet.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei der Analyse von innovativen Antrieben wurde festgestellt, dass keine Maßnahme oder Technologie momentan für eine klimaschonendere Luftfahrt bis 2050 ausreichend ist
- Die Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien dauert zu lange und ist mit massivem Aufwand und Mehrkosten verbunden
- Kritiker betonen die noch zu optimistische Ausrichtung des Berichts und fordern eine gezielte Besteuerung sowie Senkung der Nachfrage nach Flugreisen
Keine aktuelle Strategie reicht aus
Hauptkritik des Berichts des TAB ist, dass aktuelle Technologien und deren Entwicklungszeiträume nicht ausreichend für einen Umschwung der Branche sind. Das ging bei einer Untersuchung von innovativen Antrieben für einen umweltschonenderen Luftverkehr hervor. Einschätzungen zufolge dauert die Zulassung und Entwicklung neuer Triebwerke oder Flugzeugdesigns etwa 15 Jahre, weitere 30 Jahre werden für die Durchsetzung auf dem Markt angesetzt. Außerdem werden die nur langfristig absehbaren Erfolge der nachhaltigen Kraftstoffe betont. Für die Deckung des Strombedarfs von Elektrokraftstoffen (E-Fuels) wird beispielsweise ein deutlicher Ausbau erneuerbarer Ressourcen benötigt, ein großer Aufwand ist indessen für die Verwendung von Wasserstoff als Treibstoff notwendig.
Zusätzliche Kosten würden auch durch den Ausbau einer einheitlichen Energieversorgung an Flughäfen entstehen. Hinzu kommt, dass für Alternativen wie E-Fuels auch höhere Preise dazukommen, die nicht markttauglich sind, wie Stefan Gössling, Professor an der Linnaeus University in Kalmar (Schweden), kritisiert. Seiner Aussage nach seien die neuen Techniken und die aufzuwendenden Strommengen außerdem schwer skalierbar. Er fordert indessen, dass der Staat mitverantwortlich gemacht wird und Besteuerung oder Einspeisequoten als Maßnahmen ausgebaut werden.
Höhere CO₂-Emissionen durch mehr Flugreisen bis 2050
Ein weiterer Faktor für die ernüchternde Prognose des Berichts des Büros für Technikfolgen-Abschätzung ist die steigende Nachfrage nach Flügen. Die CO₂-Emissionen könnten hierdurch im Jahr 2050 im Vergleich zu 2019 rund 60 Prozent höher liegen. Der deutsche Luftverkehr erholt sich im Vergleich zwar langsamer von der Pandemie, nach dem Bericht des TAB wurde jedoch von 2004 auf 2019 ein Anstieg von über 66 Prozent verzeichnet. Schätzungsweise ist die internationale Luftfahrt für etwa 3,5 bis 5 Prozent der durch menschlichen Einfluss entstehenden Erderwärmung verantwortlich.
Hinzu kommen noch weitere Effekte, die bisher aber noch nicht vollständig wissenschaftlich zugeordnet werden können, wie Wasserdampf, Schwefel- und Stickoxide, die bei der Verbrennung von Kerosin entstehen. Die größten Effekte haben hier Langstreckenflüge. So sind laut Gössling 25 Prozent der Flüge mit den weitesten Strecken 70 Prozent der Emissionen zuzuschreiben. Als Lösung sieht er hier eine höhere Besteuerung der Langstreckenflüge, um die Nachfrage zu senken.
Verbot von Vielfliegerprogrammen?
Des Weiteren äußert Gössling weitere Lösungsansätze für eine Chance auf eine klimafreundlichere Luftfahrt. Unter anderem sollte der Fokus auf Privat- und Vielfliegern liegen, insbesondere kurze Strecken mit Privatflugzeugen sollen in Deutschland einen Anstieg verzeichnet haben. Außerdem sieht er ein Problem bei Vielfliegern, denn Flüge in Premium Reiseklassen sollen drei- bis fünfmal höhere Emissionen als Flüge in der Economy Class verursachen. Als Maßnahme nennt Gössling hier unter anderem das Verbot von Vielfliegerprogrammen, da diese zu mehr Flugreisen anregen.
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung nennt indessen einen Technologiemix als Lösungsansatz für eine realistischere Entwicklung zu einer klimaschonenderen Luftfahrt. Dazu gehören unter anderem nachhaltigere Kraftstoffe aus Abfall oder Biomasse, elektrische Antriebe, die Nutzung von grünem Wasserstoff und weitere Optimierung von Kraftstoffen. Des Weiteren soll eine Anpassung des Flugbetriebs noch Potenzial verbergen. Unter anderem durch effizienteres Luftraummanagement vonseiten der Fluggesellschaften (zum Beispiel durch Maßnahmen wie einen langsameren Sinkflug oder eine höhere Flugzeugauslastung) und ein umweltfreundlicheres Flugzeugdesign (glatte Oberflächen und geschwungene Flügelspitzen). Auch eine gezielte Besteuerung nennt das TAB als einen Antrieb für den Ausbau dieser Maßnahmen.