Über ein Drittel der Sicherheitstests der Federal Aviation Administration (FAA) wurden von Boeing nicht bestanden. Umstrukturierte Mitarbeiter-Boni sollen künftig mehr Gewicht auf Qualität und Sicherheit legen.
Die Krise um US-Flugzeughersteller Boeing verschärft sich weiter. Seitdem ein Türpanel im Startflug einer Alaska Airlines Boeing 737 MAX 9 herausgebrochen ist, befindet sich das Unternehmen in einer kritischen Lage in puncto Qualitätssicherung. Erst jüngst hat sich das US-Justizministerium eingeschaltet, um in dem Fall weiter zu ermitteln. Die FAA hat erneut dutzende Probleme dokumentiert, wie Reuters berichtet. Und das ist nicht das einzige Thema, das Boeing aktuell vor der Brust hat.
Dutzende Sicherheitstests nicht bestanden
Die FAA hat den Vorfall in den vergangenen Wochen schon oft unter die Lupe genommen. Anfang des Monats bestätigte die Behörde den Verstoß gegen mehrere Vorgaben der Qualitätskontrolle. Nun wird bekannt, dass Boeing 33 von 89 durchgeführten Tests nicht bestanden hat – es wurden Verstöße bei der Steuerung des Herstellungsprozesses, der Teilehandhabung und -lagerung sowie der Produktkontrolle gemeldet. Laut Reuters will Boeing nun wöchentliche Konformitätsprüfungen für jeden 737-Arbeitsbereich und Kontrollen der Ausrüstung durchführen. Auch der Zulieferer Spirit Aerosystems schnitt nicht gut ab.
Lediglich sechs von 13 Tests wurden von Spirit Aerosystems bestanden – besonders der Installationsprozess von den betroffenen Bolzen stand schlecht dar. Denn bei dieser Schlüsselkomponente bestand weder Boeing noch der Zulieferer die Sicherheitstests. Bei Spirit Aerosystems kommen einige Zwischenfälle hinzu, welche den Betrieb in ein schlechtes Licht rücken. Mitarbeiter der FAA sahen Mechaniker etwa dabei, eine Tür-Versiegelung mit einer Hotel-Schlüsselkarte zu testen oder flüssige Seife als Schmiermittel einzusetzen, wie aeroTELEGRAPH berichtet.
Die Ursache des Alaska Airlines Vorfalls war auf fehlende Bolzen an dem Rumpfteil zurückgeführt worden. Eine Stellungnahme von Boeing oder Spirit Aerosystems gibt es bislang nicht.
Mitarbeiter-Prämien künftig an Qualität geknüpft
Der Flugzeughersteller will seine Mitarbeiter-Prämien neu denken, wie airliners berichtet. Für alle 100.000 nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten soll zukünftig die Qualität und Sicherheit eine größere Rolle spielen. Die Kennzahlen in diesem Bereich werden – laut einem Memo an die Mitarbeiter – 60 Prozent der jährlichen Boni ausmachen.
Die Prämien sollen sich folglich an Kriterien aus den Bereichen Mitarbeiter-Sicherheit, Fließband-Arbeiten und Nacharbeiten bei Problemen orientieren. Stephanie Pope, Chief Operating Officer bei Boeing, setzt damit auf eine Qualitäts-Steigerung:
Es ist sehr, sehr wichtig, die Ergebnisse voranzutreiben, zu denen wir uns alle verpflichtet haben, nämlich unseren Kunden ein sicheres und qualitativ hochwertiges Produkt zu liefern.
Stephanie Pope, Boeing-COO
Auch in Zukunft sollen 75 Prozent der Boni anhand von Finanzkennzahlen aus den Geschäftsbereichen der Verteidigung und Dienstleistung ermittelt werden.
Überraschender Tod eines Boeing-Whistleblowers
Auch über den Alaska Airlines Vorfall gab es bereits Whistleblower, die Informationen aus dem Unternehmen an die Öffentlichkeit getragen haben. Ein Boeing-Whistleblower, der in anderem Zusammenhang Bedenken an der Qualität des Flugzeugherstellers geäußert hatte, wurde nun tot vorgefunden, so Simple Flying.
Am Wochenende wurde John Barnett in einem Auto in Charleston gefunden. Der ehemalige Mitarbeiter war für juristische Interviews aufgrund fehlgeschlagener Tests des Notfall-Sauerstoffsystems der Boeing 787 angereist. Barnett ist an einer selbst zugefügten Wunde verstorben. Als ehemaliger Qualitätsmanager für den Dreamliner hatte er mehrmals Versuche unternommen, Probleme des Unternehmens anzusprechen. Barnett hatte mit einem US-Fernsehsender ebenfalls über seine Bedenken bezüglich der Boeing 737 MAX 9 gesprochen.
Fazit zur verschärften Lage bei Boeing
Die FAA hat bestätigt, dass Boeing über ein Drittel an Sicherheitstests nicht bestanden hat. Ebenfalls der Zulieferer Spirit Aerosystems schnitt schlecht bei den Prüfungen ab. Beide bestanden Tests zu den betroffenen Schlüsselkomponenten des Vorfalls nicht. Unterdessen will Boeing die Prämien für Mitarbeiter an der Qualität aufhängen.