Das Coronavirus betrifft mittlerweile wieder fast ganz Europa und auch viele andere Kontinente gravierend – gleichzeitig erscheint die Einteilung von Risikogebieten mittlerweile fast sinnlos. Zeit für ein Umdenken.

Die Idee der Einteilung bestimmter Regionen als Risikogebiete rund um das Coronavirus erscheint sinnvoll und sie ist auch nicht neu. Wüten in bestimmten Regionen Kriege oder Krankheiten, wird von Reisen abgeraten – das ist nachvollziehbar und richtig. Beim Coronavirus kommt erschwerend hinzu, dass die Warnung nicht nur dem Selbstschutz dient, sondern durch eine Quarantäne bei der Rückkehr zum Schutz anderer verstärkt wird. Nachvollziehbar sind Reisewarnung und Quarantäne gleichermaßen – zumindest dann, wenn das andere Gebiet ein größeres Risiko darstellt. Genau deshalb sollten Auswärtiges Amt und RKI allerdings umdenken, jedenfalls dann, wenn Reisen nicht den ganzen Winter über verboten bleiben sollen. Ein anderes Land ist ein gutes Beispiel, wie die Einstufung in Zukunft funktionieren könnte.

Die Einstufung von Regionen als Risikogebiete ist nicht immer nachvollziehbar

Zu einhundert Prozent nachvollziehbar war das systematische Vorgehen von Robert-Koch-Institut und Auswärtigem Amt bei der Einstufung von Risikogebieten in den letzten Monaten selten. So war Luxemburg etwa im Frühsommer auf einmal ein Risikogebiet, weil es die gesamte Bevölkerung getestet hat und so – wenig überraschend – auf eine vergleichbar höhere Inzidenz gekommen ist, als viele Nachbarländer. Man darf gleichzeitig infrage stellen, ob das Virus zu diesem Zeitpunkt wirklich stärker in Luxemburg zirkuliert ist, als etwa in Frankreich oder dem Saarland. Noch ein Beispiel gefällig? Malta hatte wochenlang eine Inzidenz von über 100 und wurde erst vor wenigen Wochen zum Risikogebiet – andere Regionen kamen dagegen mit deutlich niedrigerer Inzidenz früher auf die Liste. Beim kleinen Malta erscheint zudem jede mögliche Begründung mit einem lokal begrenzten Infektionsgeschehen hanebüchen.

Valetta Malta 2

Dazu kommen weitere problematische Fragen, die sich um die generelle Einstufung stellen. Besonders relevant ist hier die Zahl der durchgeführten Tests pro 100.000 Einwohner. Zwar erklärt das Robert-Koch-Institut, dass entsprechende Werte in die Berechnung genauso einfließen wie etwa auch ein generelles Vertrauen in die tatsächliche Transparenz und Echtheit der Daten, doch wirklich fair erscheint das System dennoch nicht. Wie fair ist es etwa, dass ein Land wie die Vereinigten Arabischen Emirate mit 1,4 Millionen Tests pro 100.000 Einwohner und einer Inzidenz von knapp 80 pro 100.000 Einwohner ein Risikogebiet ist, Norwegen mit einer Inzidenz von 70 pro 100.000 Einwohner, aber gerade einmal 350.000 Tests auf dieselbe Zahl an Einwohnern nicht? Immerhin wurde dort beim letzten Update die Region Oslo zum Risikogebiet erklärt.

Ähnliche Beispiele konnte man in den letzten Wochen und kann man auch jetzt noch zu Dutzenden finden. Die Zahl der Tests scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, dabei ist sie nachweislich von entscheidender Relevanz für einen Blick darauf, wie stark das Virus wirklich zirkuliert. Fairerweise muss man auch auf die Positivrate der Tests blicken, aber auch hier ist das oben genannte Beispiel treffend: Die Positivrate von Tests in Norwegen ist deutlich höher als in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dennoch ist letztgenanntes und nicht erstgenanntes Land ein Risikogebiet. Selbst wenn man neben der Inzidenz auch immer die Positivrate im Blick hätte, ergeben sich einige Kuriositäten mit Blick auf die Liste der Risikogebiete.

Deutschland sollte sich bei der Einstufung von Risikogebieten an der Schweiz orientieren

Doch das Problem mit den Daten und der teils nicht komplett nachvollziehbaren Einstufung von Risikogebieten ist nur eine Problematik. Schwerer wiegt eine andere Frage: Ist es sinnvoll, dass eine Region ein Risikogebiet ist, die deutlich weniger stark betroffen ist als Deutschland? Mit welcher Begründung werden etwa die nordeuropäischen Länder aktuell mehr und mehr zu einem Risikogebiet, obwohl sie deutlich weniger stark von der zweiten Welle des Coronavirus betroffen sind als Deutschland? Dasselbe gilt auch für Kanada, das trotz einer vergleichsweise beherrschbaren zweiten Welle ebenfalls wieder ein Risikogebiet ist. Der Hintergrund scheint klar: RKI und Auswärtiges Amt sind von den bisher geltenden Kriterien – einer Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohner und einigen weiteren Faktoren – nicht abgerückt. Diese Regel gilt unabhängig vom Infektionsgeschehen in Deutschland weiterhin – ein zweifelhafter Weg in einer schlichtweg veränderten Realität.

Kolosseum Rom

Wie es anders gehen kann, zeigt die zugegebenermaßen mit Blick auf das Coronavirus enorm liberale Schweiz. Hier wurde die Einstufung von Risikogebieten komplett verändert – mittlerweile gelten nur noch sehr wenige Regionen überhaupt als Risikogebiet mit entsprechender Pflicht zur Quarantäne bei der Rückkehr. Wie lässt sich das erklären? Die Schweiz stuft mittlerweile nur noch die Regionen als Risikogebiet ein, die relevant stärker vom Coronavirus betroffen sind als das Land selbst.

Um zu entscheiden, ob in einem Staat oder Gebiet ein erhöhtes Ansteckungsrisiko herrscht, werden die Neuansteckungen pro 100 000 Personen in den letzten 14 Tagen angeschaut. Wenn diese Inzidenz eines Landes um mindestens 60 höher ist als die Inzidenz in der Schweiz, kommt das Land auf die Liste.

Webseite der Schweizer Bundesamt für Gesundheit

Dadurch, dass die Schweiz von der zweiten Welle des Virus enorm stark getroffen wurde (die aktuellen Zahlen pro 100.000 Einwohner sind fast viermal so hoch wie in Deutschland), sind mit Andorra, Armenien, Belgien und Tschechien sowie Teilen von Frankreich nur noch fünf Länder auf der Liste zu finden. In aller Fairness darf man die Vorbildfunktion eines Landes zumindest infrage stellen, dass die Pandemie im Verhältnis zu Deutschland eher schlecht im Griff hat. Das heißt aber eben nicht, dass die Logik der neuen Regeln nicht stimmig wäre.

Ein Umdenken bei Risikogebieten könnte das Vertrauen in die Maßnahmen stärken

Um ein Umdenken beim Thema Risikogebiete zu fordern, muss man nicht gegen die aktuell verhängten Maßnahmen mit Blick auf den zweiten Lockdown sein. Es ist legitim, in diesen Zeiten von Reisen abzuraten, um durch weniger Mobilität für eine Eindämmung der Infektionszahlen zu sorgen. Dahingehend ist sogar das umstrittene Verbot von touristischen Übernachtungen im Inland nachvollziehbar – auch wenn es Grund für berechtigte Kritik gibt. Gleichzeitig sind internationale Reisen aber weiterhin erlaubt, eben nur mit entsprechenden Einschränkungen, sofern ein Land zum Risikogebiet wird. Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um in Länder oder Regionen zu verreisen, die aktuell kein ausgewiesenes Risikogebiet sind – beispielsweise die Kanaren oder die Malediven sowie einige Inseln in der Karibik. Die Flugdaten zeigen gut, dass von diesem Angebot eine nicht irrelevante Zahl von Reisenden Gebrauch macht.

Teneriffa

Wer nun also sagt, dass eine geringere Zahl an Risikogebieten gleichzeitig für einen politisch nicht gewollten Reiseboom sorgen würde, dürfte sich tauschen. In der Schweiz hat die Zahl der Flüge in den letzten Tagen weiter abgenommen, obwohl Reisen im Prinzip quer durch die Welt wieder problemlos möglich sind (zumindest, sofern Schweizer einreisen dürfen). Die allermeisten Bürger halten sich an die Empfehlung, zur Eindämmung des Infektionsgeschehens lieber zu Hause zu bleiben. Genau das könnte auch in Deutschland großenteils passieren, zumal man durch nachvollziehbare Schritte eher einen stärkeren als einen geringeren Rückhalt für Empfehlungen und getroffene Maßnahmen erhält. Solange bestimmte Schritte aber schlichtweg nicht logisch erscheinen, verwundert es nicht, dass immer mehr Verbraucher nicht mehr hinter verschärften Maßnahmen stehen, die zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus fraglos notwendig sind.

Zuletzt bleibt auch die Frage, ob es aus rein epidemiologischer Sicht überhaupt problematisch wäre, wenn wieder eine größere Zahl an Personen internationale Urlaubsreisen in vom Coronavirus deutlich weniger betroffene Regionen unternimmt. Die Datenlage zu Infektionen im Urlaub ist weiterhin dünn, die Zahl der nachgewiesenen Infektionen bei Urlaubsrückkehrern aus vom Coronavirus wenig stark betroffenen Regionen ist laut regelmäßig veröffentlichen Studien des RKI zudem ausgesprochen gering und spielt im Verhältnis zum lokalen Infektionsgeschehen absolut keine Rolle. Nicht nur deshalb, sollte die Verantwortung für solche Reisen bei den Bürgern liegen – genauso wie die Entscheidung, ob sie in diesen Zeiten größere Gruppen an Freunden zu sich nach Hause einladen. Verboten ist auch das nicht, richtig aber ganz bestimmt nicht.

Fazit zu einem Umdenken bei der Einstufung von Risikogebieten

Sich mehr an der Schweiz zu orientieren, wäre auch in Deutschland mit Blick auf Risikogebiete eine gute Idee, denn nur mit nachvollziehbaren Regeln, gibt es auch genügend Unterstützung für schwierige, aber notwendige Maßnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie. Deutschland müsste nicht einmal so weit gehen wie die Schweiz, aber könnte bei der Einstufung von Risikogebieten zumindest die eigene Inzidenz statt einem mittlerweile willkürlichen Wert von 50 pro 100.000 Einwohner ansetzen und damit mehr Verständnis schaffen. Ansonsten muss man sich darauf einstellen, dass es noch Monate lang primär Risikogebiete in Europa gibt – obwohl einige Länder im Kampf gegen die Pandemie sogar erfolgreicher sind.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Danke, Moritz!
    Neben dem Umstand, dass ich dir bei dieser Thematik inhaltlich vollständig zustimme macht es einfach Freude, Beiträge von dir und den anderen aus dem Gründerteam zu lesen. Ihr kommt einfach fachlich wesentlich differenzierter, fundierter und in eurer medizinischen, ökologischen und ökonomischen Einordnung nicht so mainstream-boulevardesque rüber!
    Ihr seid der Grund, warum ich damals bei eurem Blog hängengeblieben bin.
    Danke und macht bitte gerne (wieder mehr) weiter so!

    • Das kann ich zu 100% unterschreiben. In den letzten Monaten habe ich mich so oft über Beiträge von manchen eurer Neuen (nicht alle) geärgert, in denen man den Eindruck hatte, dass die schreibende Person sich gar nicht die Mühe gemacht hat, die Zusammenhänge zu verstehen, sondern einfach Infos aus anderen Quellen ein bisschen umformuliert und umgestellt hat. Das klingt jetzt böse und tut mir auch Leid. Aber vielleicht könnt ihr ja darüber nachdenken, denjenigen gezielt Feedback zu geben und Artikel durchzusprechen oder gegenzulesen.

      • Hi Stefan, danke für das aufschlussreiche Feedback. Zum einen natürlich, weil es mich sehr freut, dass mein Beitrag gut ankommt, zum anderen weil auch der andere Teil des Feedbacks hilfreich ist. Es ist zweifelsfrei so, dass wir beim Ausbau unserer Redaktion in den vergangenen Monaten nicht aus dem Stegreif sofort dieselbe Qualität geboten haben, die erfahrene Redakteure mitbringen – das ist gewissermaßen auch nachvollziehbar. Wir haben deshalb zuletzt auch noch einmal verstärkt in Coachings und mehr Qualität für unsere Artikel investiert und gehen diesen Weg durch die Krise konsequent weiter – ich hoffe entsprechend auch, dass die Beiträge in den nächsten Wochen und Monaten (wieder) besser ankommen. Dabei freue ich mich jederzeit über konstruktives Feedback, gerne auch zu einzelnen Artikeln, die dich “ärgern”. Immer gerne auch direkt an [email protected]!

    • Vielen Dank für das positive Feedback, freut mich sehr, dass der Beitrag bzw. generell meine Beiträge gut ankommen. Es ist in der Tat der Plan, dass ich in den kommenden Wochen und Monaten mit Blick auf Kolumnen und andere Beiträge dieser Art wieder mehr schreiben werde – und ich hoffe natürlich, dass auch die weiteren Artikel gut ankommen!

    • Hallo Andi W, auch ich kann die meisten Beschränkungen nachvollziehen, damit umgehen und halte sie auch für notwendig, z.B. Abstand, Maske und Disziplin. Nur was mich ständig bzgl. der Thematik stört ist, daß einfache Fragestellungen in Verordnungen nicht sauber ausgearbeitet werden. Aktuell digitale Einreise. Erneut furchtbar schlecht ungesetzt. Ich erwarte von der zuständigen Behörde eigentlich nur, daß sie die ihr anvertraute Aufgabenstellung sorgfältig in Form einer plausiblen und für den Bürger anwendbaren Form zur Verfügung stellt. Hier müssen auch Sonderfälle und Abweichungen angegeben werden können. Das Resultat ist nun leider eine primitive Ja/Nein Fragerei. Mit so was schürt man Verdrossenheit.
      Daß hinter unsauberer Arbeit “Kalkül” stecken könnte, hoffe ich nicht, das wäre dann schon fatal. Da hoffe ich doch lieber noch darauf, daß die zuständigen Sachbearbeiter einfach motivationslos bei der Sache waren.

  • Danke für diese fundierte Darstellung. Kein anderes Land hat bis vor wenigen Wochen so pauschal fast alle Länder, ungeachtet des Infektionsgeschehens als Risikogebiete deklariert. Dann endlich hat man etwa zehn Länder davon entfernt. Offenbar war dem Druck gegen solche Fehlentscheidungen nicht mehr Stand zu halten. In Folge solcher oft nicht nachvollziehbaren oder gar widersprüchlichen Regularien, vor allem wenn sie nicht temporär sondern über Monate aufrecht erhalten wurden, macht man sich eben unglaubwürdig. Dafür hat man keinerlei Gespür. Die ab heute neue gültige Einreise Qarantäneverordnung mit digitaler Einreise Anmeldung setzt das Ganze weiter fort. Wieder in einfachster Form gehalten lässt dieses “Werk” viele Fragen offen und Konstellationen unbeantwortet. Die Anmeldung lässt keinen Vermerk mehr über z.B das Umsteigen in Flughäfen in Risikogebieten zu. Hier hatte die Papierform den Vorteil, daß dies hinzu geschrieben werden konnte und dann entsprechend bei der Kreisverwaltungsbehörde aussortiert wurde. Heute muss man sich anmelden, wenn man aus einem Risikogebiet einreist, unabhängig davon, ob man nur umgestiegen ist oder wenige Stunden in diesem Land war. Wie die neue 24 Std. Regel für den “Grenzverkehr” in solchen Fällen auszulegen ist, ist ebenfalls noch weitgehend unklar, geschweige denn, wie so etwas bei den einfachsten digitalen Formularen dargestellt werden soll.

    • “Dafür hat man keinerlei Gespür.” Ihr glaubt immer noch, dass “die” sich irren und falsche Entscheidung treffen, die Tatsache ist, dass dahinter ein Kalkül steckt. Die Mehrheit der Bevölkerung begrüßt die meisten Beschränkungen, die Mehrheit verreist auch max. 1x im Jahr, von daher ist das für die meisten egal, Schulterzucken, dann halt nächstes Jahr. Ich empfehle das Buch “Psychologie der Massen”, dort findest du die meisten Antworten.

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