In der komplexen Welt der Geldanlage tauchen immer wieder Begriffe auf, die für viele Anleger schwer zu greifen sind. Besonders Zertifikate stellen für viele ein Mysterium dar, obwohl sie an den Finanzmärkten weitverbreitet sind.
Inhaltsverzeichnis
Doch was genau sind diese Wertpapiere und für wen eignen sie sich? Dieser Ratgeber erklärt Euch umfassend, was hinter Zertifikaten steckt, welche Arten es gibt und ob sie als Anlageinstrument für Euch in Frage kommen könnten.
Was sind Zertifikate?
Zertifikate sind besondere Wertpapiere, die Ihr wie Aktien und ETFs an der Börse kaufen und verkaufen könnt. Zertifikate gehören zur Familie der Derivate (abgeleitete Wertpapiere), zu der auch Optionen und Futures zählen. Sie leiten ihren Wert von der Entwicklung des jeweiligen Basiswerts ab und können auf steigende, fallende oder sogar seitwärts laufende Märkte setzen – das kann eine Aktie, ein Index wie der DAX, ein Rohstoff oder eine Währung sein.
Während Ihr mit Aktien tatsächliche Unternehmensanteile erwerbt, setzt Ihr beim Kauf eines Zertifikats auf eine Kurssteigerung oder einen Wertverlust. Der Wert eines Zertifikats wird damit direkt durch die Entwicklung dieses Basiswerts bestimmt – Dividenden bekommt Ihr keine.
Ein besonderes Merkmal von Zertifikaten ist ihre flexible Gestaltung. Laufzeit, Zinszahlungen oder Rückzahlungsmodalitäten können durch den jeweiligen Anbieter frei ausgestaltet werden. Das macht Zertifikate einerseits sehr vielseitig, andererseits aber auch komplex und manchmal schwer zu durchschauen.
Verschiedene Arten von Zertifikaten
Schwer zu durchschauen sind auch die vielen verschiedenen Arten von Zertifikaten. Es gibt Zertifikate mit begrenzter und unbegrenzter Laufzeit: Bei unbegrenzten (auch Open-End-Zertifikate genannt) gibt es kein festgelegtes Laufzeitende, Ihr könnt sie theoretisch unbegrenzt lange halten. Begrenzte haben hingegen ein festes Ablaufdatum, an dem sie automatisch fällig werden.
Hier ein Überblick über die wichtigsten Arten:
- Basket-Zertifikate: Diese bilden einen Korb verschiedener Basiswerte ab, etwa mehrere Aktien aus einer Branche. So könnt Ihr mit einem einzigen in mehrere Unternehmen gleichzeitig investieren.
- Index-Zertifikate: Daneben gibt es auch Index-Zertifikaten, die die Entwicklung eines bestimmten Index wie DAX, S&P 500 oder MSCI World nachbilden. Sie funktionieren ähnlich wie ETFs, haben aber einige rechtliche und strukturelle Unterschiede – und sind deutlich risikoreicher.
- Tracker-Zertifikate: Diese folgen dem Kursverlauf des jeweiligen Basiswertes 1:1. Tracker-Zertifikate sind die einfachste Form und eignen sich für Anleger, die genau auf die Entwicklung eines bestimmten Wertes setzen möchten.
- Optionsscheine: Mit Optionsscheinen wettet Ihr auf den Verlauf des Kurses eines Basiswertes. Sie haben einen Hebel und reagieren überproportional auf Kursveränderungen.
- Knock-Out-Zertifikate: Hier setzt Ihr mit großer Hebelwirkung auf die jeweiligen Veränderungen. Bei diesem extrem spekulativen Zertifikat habt Ihr zwar hohe Renditechancen, aber auch entsprechend hohe Risiken.
- ETCs (Exchange Traded Commodities): Diese Zertifikate bilden die Preisentwicklung von Rohstoffen nach und ermöglichen Euch, ohne direkten Rohstoffhandel in diese Anlageklasse zu investieren.
- Bonus-Zertifikate: Mit diesen könnt Ihr auch Gewinn verbuchen, wenn der Kurs fällt oder stagniert. Sie können attraktive Renditen in Seitwärtsmärkten bieten.
- Garantie-Zertifikate: Sie werden auch Garantieschutz-Zertifikate genannt und garantieren die Rückzahlung eines Mindestbetrags (meist des eingesetzten Kapitals) am Laufzeitende, unabhängig von der Entwicklung des Basiswertes. Dafür ist die Verzinsung vergleichsweise gering, aber Ihr profitiert von mehr Sicherheit.
Was sind die Vorteile von Zertifikaten?
Wie jede Anlageklasse haben auch Zertifikate ihre Stärken und Schwächen. Nehmen wir zunächst die Vorteile von Zertifikaten unter die Lupe:
Zugang zu unzugänglichen Anlageobjekten
Mit Zertifikaten könnt Ihr in Märkte und Anlageklassen investieren, die für Euch als Privatanleger sonst schwer zugänglich sind. Sei es der direkte Handel mit Rohstoffen, exotische Währungen oder spezielle Marktindizes – Zertifikate machen diese Anlageobjekte für jeden investierbar.
Niedrige Einstiegssummen
Im Gegensatz zu manch anderen Anlageformen könnt Ihr bereits mit kleinen Geldbeträgen in Zertifikate investieren. Während Ihr bei vielen Aktien mehrere hundert Euro pro Stück zahlen müsst, sind Zertifikate schon für deutlich kleinere Beträge erhältlich.
Das ermöglicht auch Anlegern mit bescheidenem Budget den Einstieg in verschiedene Märkte und Anlagestrategien.
Hohe Flexibilität
Wenn Ihr Zertifikate kaufen möchtet, bleibt Ihr flexibel – ein Kauf oder Verkauf ist jederzeit während der Börsenöffnungszeiten möglich. Anders als bei Festgeld oder Anleihen seid Ihr nicht an bestimmte Haltedauern oder Kündigungsfristen gebunden.
Vielfältige Produktpalette
Ein besonderer Vorteil von Zertifikaten ist ihre einfache Herausgabe und damit nahezu unbegrenzte Vielfalt. Banken können neue Zertifikate mit maßgeschneiderten Eigenschaften relativ schnell und unkompliziert emittieren – das bedeutet aber auch, dass Ihr die Konditionen genau überprüfen solltet.
Vertrauenswürdige Emittenten
Viele Zertifikate werden von etablierten und vertrauenswürdigen Banken herausgegeben, wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank. Das schafft ein gewisses Grundvertrauen in die Solidität der Produkte, auch wenn das Emittentenrisiko natürlich bestehen bleibt.
Hohe Liquidität
Der Zertifikatemarkt ist relativ liquide, was bedeutet, dass Ihr Eure Papiere in der Regel jederzeit zu marktgerechten Preisen kaufen und verkaufen könnt.
Die Emittenten stellen üblicherweise kontinuierlich Kauf- und Verkaufskurse (Quotes), was einen reibungslosen Handel ermöglicht.
Transparente Auszahlungsprofile
Der Auszahlungsplan ist immer klar und transparent. Je nach Zertifikat könnt Ihr auch bei unveränderten oder sogar bei begrenzt fallenden Kursen Gewinne erzielen. Auch hier gilt es, die Bedingungen gut zu verstehen.
Außerbörslicher Handel möglich
Neben den Zertifikatebörsen werden viele Zertifikate „Over-the-Counter” (OTC), also außerbörslich, gehandelt. Das sorgt für mehr Flexibilität und die Chance, Kosten zu reduzieren.
Alle Vorteile auf einen Blick:
- Zugang zu unzugänglichen Anlageobjekten
- Niedrige Einstiegssummen
- Hohe Flexibilität
- Vielfältige Produktpalette
- Vertrauenswürdige Emittenten
- Hohe Liquidität
- Transparente Auszahlungsprofile
- Außerbörslicher Handel möglich
Was sind die Nachteile von Zertifikaten?
Trotz ihrer Vorteile haben Zertifikate in den vergangenen Jahren viel Kritik einstecken müssen. Hier sind die wichtigsten Nachteile von Zertifikaten, die Ihr kennen solltet:
Hohes Risikopotenzial
Zertifikate gelten generell als risikoreich und spekulativ im Vergleich zu anderen Anlageformen. Besonders gehebelte Produkte wie Knock-Out-Zertifikate oder Optionsscheine können zu schnellen und hohen Verlusten führen – im Extremfall bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Wenn Ihr welche kaufen möchtet, solltet Ihr dieses Risiko keinesfalls unterschätzen.
Hohe Komplexität
Die meisten Zertifikate sind relativ komplex und daher nicht gut geeignet für Anfänger – die Produktmechanik, Auszahlungsprofile und Risiken sind oft schwer zu durchschauen. Selbst scheinbar einfache Produkte können unerwartete Eigenschaften haben, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.
Undurchsichtige Kostenstrukturen
Zertifikate haben oftmals unübersichtliche Kostenstrukturen, was Eure Rendite unbemerkt schmälern kann.
Die Kosten sind häufig in den Produktbedingungen versteckt und nicht direkt ausgewiesen, sodass viele Anleger am Ende mehr für ihr Investment zahlen als geplant.
Eingeschränkte Verfügbarkeit bei Brokern
Viele Broker haben Zertifikate nicht im Angebot. Wenn Ihr Zertifikate kaufen wollt, kommen viele Neobroker wie Trade Republic und ähnliche Anbieter daher nicht für Euch in Frage.
Das schränkt die Auswahl an günstigen Handelsplattformen ein und kann zu höheren Transaktionskosten führen.
Emittentenrisiko
Ein unterschätztes Risiko bei Zertifikaten ist das Emittentenrisiko. Zertifikate sind rechtlich gesehen Schuldverschreibungen des Emittenten. Geht dieser in die Insolvenz, kann es zum Totalverlust kommen – unabhängig von der Entwicklung des Basiswerts.
Was kosten Zertifikate?
Von der undurchsichtigen Gebührenstruktur haben wir Euch schon erzählt. Aber im Vergleich zu anderen Wertpapieren sind Zertifikate noch dazu relativ teuer. Die Kosten setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen:
- Depotgebühren
- Ausgabeaufschlag
- Geld-Brief-Spanne (Spread)
- Verwaltungs- und Managementgebühren
- Ordergebühren
- Währungskosten
Für wen eignen sich Zertifikate?
Zertifikate sind definitiv nicht für jeden Anleger geeignet. Sehen wir uns an, wann es sich für Euch lohnen kann, Zertifikate zu kaufen:
Erfahrene Anleger
Erfahrene Anleger, die weiter an ihrer Diversifikation arbeiten wollen und eine handfeste Strategie haben, in die Zertifikate gut passen, könnten mit dieser Anlageform zufrieden werden. Sie verstehen die komplexen Mechanismen und Risiken besser und können Zertifikate gezielt als Ergänzung zu ihrem bestehenden Portfolio einsetzen.
Anleger mit hoher Risikotoleranz
Sie eignen sich besonders für Menschen, die kurzfristige Strategien verfolgen und für mögliche Erfolge auch mehr Risiko in Kauf nehmen wollen. Eine hohe Risikotoleranz ist unabdingbar, da viele Zertifikate erheblichen Wertschwankungen unterliegen können und im schlimmsten Fall ein Totalverlust droht.
Anleger mit spezifischen Markterwartungen
Wenn Ihr eine sehr konkrete Markterwartung habt – etwa dass ein bestimmter Index in den nächsten Monaten seitwärts laufen wird oder dass ein Rohstoff eine bestimmte Preisschwelle nicht unterschreiten wird – könnt Ihr mit passenden Zertifikaten gezielt von dieser Einschätzung profitieren.
Zertifikate bieten für nahezu jede Markterwartung ein passendes Produkt.
Professionelle Trader
Für aktive Day Trader, die täglich am Markt agieren und kurzfristige Kursschwankungen nutzen wollen, können bestimmte Zertifikate wie Hebelprodukte interessante Instrumente sein. Sie ermöglichen mit vergleichsweise geringem Kapitaleinsatz überproportionale Gewinne – haben aber natürlich auch entsprechend hohe Verlustrisiken.
Anleger mit Interesse an exotischen Märkten
Wenn Ihr in Märkte investieren möchtet, die sonst schwer zugänglich sind – etwa spezielle Rohstoffe, exotische Währungen oder Nischenmärkte – können sie ein praktisches Tool dafür sein. Sie ermöglichen den Zugang zu diesen Märkten, ohne dass Ihr Euch mit den Besonderheiten des direkten Handels auseinandersetzen müsst. Auch hier solltet Ihr jedoch viel Erfahrung mitbringen.
Nicht für Anfänger und langfristige Anleger
Für Anfänger und langfristig orientierte Anleger sind Zertifikate in den meisten Fällen ungeeignet. Dafür sind sie zu komplex und die Risiken zu schwer abzuschätzen. Beginner sollten lieber mit vergleichsweise sichereren Anlagen wie ETFs oder sogar Aktien für Anfänger starten. Diese Anlageklassen sind transparenter, leichter zu verstehen und bieten ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis für unerfahrene oder langfristige Anleger.
Wie kauft man Zertifikate?
Der Kauf von Zertifikaten funktioniert grundsätzlich ähnlich wie der Kauf von Aktien, hat aber einige Besonderheiten, die Ihr beachten solltet:
Schritt 1: Geeigneten Broker finden
Zunächst benötigt Ihr einen Broker, der den Handel mit Zertifikaten anbietet. Wie bereits erwähnt, haben nicht alle Broker Zertifikate im Angebot, besonders viele Neobroker verzichten darauf. Etablierte Anbieter wie Consorsbank, comdirect, ING oder DKB ermöglichen in der Regel den Zertifikatehandel. Achtet bei der Auswahl auf die Gebührenstruktur und das verfügbare Angebot.
Schritt 2: Wertpapierdepot eröffnen
Wenn Ihr noch kein Wertpapierdepot habt, müsst Ihr nun eines eröffnen. Dies funktioniert meist online über die Website des Brokers. Ihr müsst Euch identifizieren und einige Fragen zu Eurer Anlageerfahrung beantworten. Sobald das Depot eröffnet ist, könnt Ihr mit dem Trading loslegen.
Schritt 3: Das passende Zertifikat auswählen
Die Auswahl des richtigen Zertifikats ist der komplexeste Teil. Ihr solltet zunächst festlegen:
- Welchen Basiswert Ihr abbilden möchtet (Aktie, Index, Rohstoff etc.)
- Welche Art von Zertifikat zu Eurer Marktstrategie passt
- Welche Laufzeit Ihr bevorzugt
- Welches Risikoprofil Ihr sucht
- Von welchem Emittenten Ihr kaufen möchtet
Die meisten Broker bieten Suchfunktionen und Filter, die Euch bei der Auswahl helfen. Achtet besonders auf das Produktinformationsblatt (PIB), das alle wichtigen Eigenschaften und Risiken des Zertifikats beschreibt.
Schritt 4: Handelsplatz wählen
Ihr könnt Zertifikate an verschiedenen Handelsplätzen kaufen, zum Beispiel an speziellen Derivatebörsen wie der EUWAX in Stuttgart oder der Börse Frankfurt. Aber auch der Direktkauf beim Emittenten über außerbörsliche Handelsplattformen (OTC) ist möglich.
Beachtet jedoch, dass die Wahl des Handelsplatzes Einfluss auf die Kosten und die Liquidität haben kann. An den spezialisierten Börsen gibt es oft bessere Preise und mehr Transparenz, während der direkte Handel mit dem Emittenten manchmal günstiger sein kann. Hier gilt es also zu vergleichen.
Schritt 5: Order aufgeben
Nachdem Ihr das passende Zertifikat und den Handelsplatz gewählt habt, gebt Ihr Eure Order auf – und schon ist der Kauf abgeschlossen. Das Zertifikat wird in Eurem Depot eingebucht und der Kaufbetrag plus Gebühren wird von Eurem Verrechnungskonto abgebucht.
Schritt 6: Überwachung und Management
Nach dem Kauf solltet Ihr Eure Zertifikate regelmäßig überwachen. Anders als bei langfristigen Aktieninvestments ist bei den meisten Zertifikaten ein aktiveres Management nötig, besonders bei Produkten mit Knock-Out-Schwellen oder zeitlich begrenzten Auszahlungsprofilen.
Behaltet die Entwicklung des Basiswerts und des Zertifikats im Auge und setzt gegebenenfalls Stop-Loss-Orders, um Verluste zu begrenzen. Entscheidet rechtzeitig, ob Ihr das Zertifikat bis zur Fälligkeit halten oder vorher verkaufen möchtet.
Unser Fazit zu Zertifikaten
Zertifikate sind vielseitige Finanzinstrumente, die erfahrenen Anlegern interessante Möglichkeiten bieten können. Ihre Flexibilität und die Möglichkeit, auf nahezu jede Marktentwicklung zu setzen, machen sie zu einem spannenden Tool im Anlage-Werkzeugkasten.
Allerdings sind sie komplex, teurer als andere Wertpapiere und mit erheblichen Risiken verbunden. Als Einsteiger solltet Ihr daher die Finger von Zertifikaten lassen und zunächst Erfahrungen mit einfacheren Wertpapieren sammeln.
Für versierte Anleger mit einer klaren Strategie und der entsprechenden Risikobereitschaft können Zertifikate hingegen eine wertvolle Ergänzung im Portfolio sein – vorausgesetzt, Ihr versteht genau, wie das jeweilige Produkt funktioniert und welche Risiken damit verbunden sind.