Die Eindämmung der Corona-Pandemie muss das oberste Ziel sein – darüber besteht in Deutschland Einigkeit. Das rechtfertigt aber nicht alle Verbote, besonders wenn es an der wissenschaftlichen und juristischen Basis fehlt. Das geplante Verbot touristischer Übernachtungen macht das deutlich.

Die steigenden Infektionszahlen nicht nur in Deutschland, sondern besonders auch in anderen europäischen Ländern machen deutlich: Es ist Zeit zu handeln, um die Ausbreitung der Pandemie zu verlangsamen oder einzudämmen. Entsprechend erscheinen auch weitere einschneidende Maßnahmen des Alltags richtig – so hart sie auch sein mögen. Doch was die Bundesregierung in der Nacht als Beschlussvorlage vorgelegt hat, wirkt in vielen Bereichen dennoch wie Aktionismus und Symbolpolitik. Das macht das Abwürgen des Tourismus mehr als deutlich.

Ein Verbot ohne wissenschaftliche Grundlage ist die falsche Wahl

Über die verschiedenen Maßnahmen, welche die Bundesregierung gemeinsam mit den Länderchefs heute Abend gerne beschließen würde, gibt es jede Menge Diskussionen. Das gilt unter anderem für die vorgeschlagene Schließung von Restaurants, aber genauso auch für das geplante Übernachtungsverbot zu touristischen Zwecken. Gerade hier muss man die Frage stellen, wo sich die wissenschaftliche Grundlage für die entsprechende Maßnahme finden lässt. Die Zahl der bekannten Infektionsfälle in Hotels, Ferienwohnungen oder anderen touristischen Unterkünften ist verschwindend gering. Sogar das RKI schreibt zum Thema Reisen in einem Strategiepapier: “erhöhte Mobilität (berufliche oder private Reisetätigkeit) bedeutet erweitertes Risiko; jedoch ist dieses Risiko nicht primär an den Ort der Reise oder ein spezifisches Gebiet gebunden, sondern hängt wesentlich von dem Verhalten des Einzelnen in einem Gebiet mit Virusübertragungen ab.”

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Schon aus der Logik ergibt sich, dass die Risiken auf Reisen also eher nicht bei der Übernachtung zu finden sind, sondern eben eher in Restaurants, bei kulturellen Aktivitäten oder aber bei der Nutzung von Transportmitteln. Verboten werden soll aber nicht etwa die erhöhte Mobilität, von der das RKI spricht, sondern Übernachtungen. Natürlich sorgt das Verbot touristischer Übernachtungen möglicherweise gleichzeitig auch für weniger Mobilität, aber eine Rechtfertigung für die enormen Folgen für Hoteliers und andere Betriebe ergibt sich dadurch noch lange nicht. Wären Beherbergungsbetriebe oder Reisen allgemein der Haupttreiber der Pandemie, könnte man die Einschränkungen wie im Frühjahr rechtfertigen. Mittlerweile weiß man aber, dass Beherbergungsbetriebe mit Hygienekonzepten in den seltensten Fällen für Ansteckungen verantwortlich sind. Nahezu alle entsprechenden Statistiken der letzten Wochen und Monate zeigen: Private Feiern, private Haushalte und Kontakte zwischen Freunden sind die Haupttreiber der Pandemie – von hohen Infektionszahlen auf Reisen ist nahezu nie die Rede.

Ein Verbot statt einem Gebot ist nur mit Gleichbehandlung akzeptabel

Das Ziel der geplanten Regelung ist klar: Die Bundesregierung würde gerne dafür sorgen, dass die Verbraucher in Deutschland weniger mobil sind und die eigenen vier Wände seltener verlassen. Doch ein Verbot von touristischen Übernachtungen in Hotels und anderen Betrieben ist dafür schlichtweg nicht der richtige Weg. Denn gleichzeitig nicht verboten, sind nämlich Übernachtungen bei Freunden oder Bekannten oder auch touristische Tagesausflüge. Natürlich lässt sich ein Eingriff in Übernachtungen im privaten Raum rechtlich sehr schwierig rechtfertigen und auch kontrollieren, aber es entspricht schlichtweg nicht dem Recht auf Gleichbehandlung, wenn touristische Mobilität mit privaten Übernachtungen bei Freunden erlaubt ist, Übernachtungen in Hotels zum selben Zweck gleichzeitig aber verboten sind.

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Besonders paradox wird dieser Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dann, wenn man bedenkt, dass Übernachtungen bei Freunden und generell Zusammenkünfte zwischen verschiedenen Haushalten deutlich stärkere Treiber der Pandemie sind als Aufenthalte in Hotels. Dass bestimmte Bereiche in Beherbergungsbetrieben schließen müssen, bei denen verschiedene Menschen zusammenkommen, wäre nachvollziehbar. Dass aber gerade auch Übernachtungen verboten werden, ist mit Blick auf das gewünschte Ziel der Maßnahme schlichtweg der falsche Weg. Lernen sollte die Bundesregierung hier auch von bereits getroffenen Entscheidungen der Gerichte, so hat etwa das Oberverwaltungsgericht in Schleswig das ähnlich geartete Beherbergungsverbot aus eben jedem Grundsatz der Gleichberechtigung gekippt. An den Argumenten dürfte sich in den letzten Tagen trotz der verstärkten Ausbreitung des Coronavirus wenig geändert haben.

Gleichberechtigung ist auch in anderer Hinsicht ein wichtiges Thema, denn die Bundesregierung möchte nur Übernachtungen aus touristischen Zwecken verbieten. Das bedeutet konkret, dass geschäftliche Übernachtung erlaubt bleiben. Damit diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, müssten Geschäftsreisen weniger ein Treiber von Infektionen sein als touristische Maßnahmen – hierzu fehlt es aber an jeglicher Evidenz und die RKI-Logik der erhöhten Mobilität als Treiber der Infektionen deutet eher darauf hin, dass geschäftliche Reisen ein größeres Problem sind als private. Entsprechend groß sind auch hier die juristischen Fragezeichen hinter einem Übernachtungsverbot. Doch damit nicht genug, denn ein weiterer Aspekt mach das geplante Verbot besonders angreifbar.

Gerichte dürften ein Verbot wegen fehlender Verhältnismäßigkeit kippen

Juristisch betrachtet sind die Eingriffe durch das Infektionsschutzgesetz schon grundlegend problematisch, genauso die fehlende parlamentarische Kontrolle, die in den letzten Tagen wiederholt kritisiert wurde. Mit Blick auf das Verbot von touristischen Übernachtungen im Inland sollte die Bundesregierung gemeinsam mit den Ministerpräsidenten entsprechend auch einen Blick darauf werfen, wie die Gerichte das Beherbergungsverbot nahezu im gesamten Land auseinandergenommen haben. In fast allen Fällen war die Begründung für eine Ende der entsprechende Verbote das Fehlen der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Das für gesetzliche Entscheidungen wichtige Übermaßverbot besagt: “Staatliche Eingriffe müssen geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen oder zu fördern; der Eingriff ist nur erforderlich, wenn kein milderes, den Betroffenen oder Dritte weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht, das den Zweck ebenso gut zu fördern vermag; ein geeigneter und erforderlicher Eingriff darf dennoch nicht vorgenommen werden, wenn der damit verbundene Schaden in grobem Missverhältnis zu dem angestrebten Zweck steht.”

Die Eignung der Maßnahme dürfte sich juristisch begründen lassen, denn eine mit der Verbot einhergehende geringere Mobilität wird auch dafür sorgen, dass das Infektionsgeschehen stärker eingedämmt wird – wenngleich unklar ist, wie stark wirklich. Die Erforderlichkeit des Eingriffes ist zumindest fraglich, denn ein milderes Mittel könnte beispielsweise das Verbot von jeglichen Einrichtungen sein, bei denen mehrere Gäste aufeinandertreffen. Wirklich schwierig dürfte es vor Gericht für die geplante Maßnahme aber mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit werden, wie die Urteile zum Beherbergungsverbot gezeigt haben.

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Der verbundene Schaden der Maßnahme dürfte nicht nur in den Milliarden Euro liegen, sondern auch in zehntausenden Arbeitsplätzen im Tourismus, die durch die Einschnitte wegfallen könnten. Verhältnismäßig wäre die Maßnahme bei einem so starken Schaden nur dann, wenn sich das Infektionsgeschehen dadurch gravierend eindämmen lässt. Wie sich das mit Blick auf die fehlende wissenschaftliche Evidenz für Ansteckungen bei Übernachtungen in touristischen Betrieben begründen lassen soll, erscheint ausgesprochen fraglich. Das zeigen die Urteile zum Beherbergungsverbot gut.

Regierung und Ministerpräsidenten sollten sich auf ein Gebot einigen

Die Entscheidung rund um das Übernachtungsverbot für touristische Reisen im November ist noch nicht gefallen. Allerdings zeigt der Aufschrei der Branche und vielen Beobachtern an diesem Morgen gut, dass die Maßnahme auf keine breite Unterstützung stößt. Gerade Hotels werden gewissermaßen zum Sündenbock, obwohl die Zahl der Ansteckungen in diesem Bereich enorm gering sind und die Hotels mit hohen Investitionen erfolgreiche Hygienekonzepte umgesetzt haben. Wissenschaftliche Evidenz gibt es genauso wenig wie eine juristische saubere Basis für eine Umsetzung eines solchen Verbots. Die Regierung sollte sich in Kooperationen mit den Ländern also eher darauf konzentrieren, Infektionen im besonders problematischen privaten Bereich einzudämmen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen, statt Symbolpolitik zu betreiben. Dabei lohnt auch ein Blick auf andere Länder, denn trotz teils deutlich strikteren Maßnahmen wurden Übernachtungen in Hotels oder anderen Betrieben in nahezu keinem Land verboten.

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Die touristischen Betriebe spüren in den letzten Tagen und Wochen sowieso schon, dass das Interesse an touristischen Reisen enorm abnimmt und die Buchungszahlen einbrechen. Ein Gebot, auf Reisen jeder Art – privat, geschäftlich und touristisch – bis auf Weiteres zu verzichten, ist entsprechend absolut ausreichend und auch juristisch unproblematisch. Damit wären Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben auch wieder privaten Übernachtungen gleichgestellt. Hoteliers könnten ihre Betriebe offen halten und zumindest ein wenig besser durch die schwierige Zeit kommen. Zudem wären die langfristigen Folgen weniger schwer, denn selbst wenn das Verbot nur im November andauern würde, wäre genauso wie im Frühjahr eine lange und teure Phase der Wieder-Inbetriebnahme notwendig. Das Vertrauen der Gäste wäre sowieso verloren – der wirtschaftliche Schaden enorm. Wenn ein totaler Shutdown der Hotels verhindert werden kann, könnte der Schaden zumindest etwas begrenzt werden.

Fazit zur falschen Entscheidung zum geplanten Übernachtungsverbot

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten sollten den heutigen Tag nutzen, um verhältnismäßige und sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu beschließen. Ein Übernachtungsverbot gehört zweifelsfrei nicht dazu, aus juristischen Gründen genauso wie mit Blick auf die wissenschaftliche Evidenz. Es bleibt zu hoffen, dass die Ministerpräsidenten dies im Blick haben und die Linie der Regierung in dieser Hinsicht nicht mitgehen – ansonsten bleibt immer noch die juristische Kontrolle, die einem möglichen Verbot garantiert folgen dürfte.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Natürlich wirkt ein Übernachtungsverbot! Die wenigsten (potenziellen) Touristen werden überhaupt kommen, wenn sie nicht übernachten können. Wer nicht da ist, kann sich nicht “falsch” verhalten, kann niemanden anstecken, muss nicht getestet werden, wird kein Spitalbett belegen, ist das kleinste Risiko von allen. ÜN im Privaten dürften dem gegenüber vernachlässigbar sein. Das Ziel ist: So wenig Kontakte wie möglich, und dazu muss eine sehr ungemütliche, nicht etwa eine gesellige, anziehende Umgebung geschaffen werden, wo man sich noch irgendwie durchmanövrieren kann.

    In diesem Artikel merkt man deutlich, schon an seiner Länge, euer Bias als Reisebüro.

    • Danke für deine Meinung. Es ist sicherlich richtig – und das steht auch genauso im Artikel – dass ein Übernachtungsverbot zu einer geringeren Mobilität führt. Allerdings ist es nun einmal nachweislich so, dass nicht der “Ort” das Fehlverhaltens entscheidend ist, sondern das Fehlverhalten. Wer sich “falsch” verhält, tut das ja nicht nur am Zielort des Tourismus, sondern genauso an seinem Heimatort. Entscheidend ist in diesem Kontext nicht, dass ein solches Verbot Ansteckungen verhindert – das steht außer Frage – sondern ob es verhältnismäßig ist. Man könnte auch den öffentlichen Nahverkehr stoppen, eine Pflicht zum Home Office einführen oder wieder die Schulen schließen. Jede dieser Maßnahmen würde dabei helfen, die Zahl der Infektionen zu reduzieren – deshalb sind sie aber nicht alle per se richtig.

      Ich will an sich auch gar nicht infrage stellen, dass wir einen gewissen “Bias” mitbringen, weil das Thema uns natürlich persönlich und als Unternehmen bewegt. Das heißt aber noch lange nicht, dass man deshalb zu einem Thema keine Meinung haben darf, sofern man sie gut und schlüssig begründet 😉

    • Es gibt zahlreiche Studien, welche die Wirksamkeit von MNS-Masken nachweisen. Es mag keinen wissenschaftlichen Konsens über den Grad der Wirksamkeit geben, das ist aber nicht vergleichbar mit dem Fehlen von Evidenz. Bei touristischen Übernachtungen per se (nicht Reisen) fehlt es dagegen komplett an Evidenz.

      • Interessant ist, dass gerade die Studie (aus Hongkong), auf die sich das RKI als auch die WHO mit Ihrer „Neubewertung“ der Masken- Sinnhaftigkeit stützt, nichts über deren Schutz aussagt, eher das Gegenteil.
        Ich habe mich mit dieser Thematik sehr intensiv auseinandergesetzt und komme zu dem Ergebnis, dass es KEINE evidenzbasierte Studie zur Sinnhaftigkeit der verwendeten Alltagsmasken gibt, geschweige denn zur Pflicht des Tragens. Alles nur purer Aktionismus.
        Und nur weil eine Botschaft 1000 mal wiederholt wird, muss sie nicht richtig sein!

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