Viele Dinge stellt man sich am Ende ganz anders vor: Meine zu Ende gegangene Reise auf die Malediven ist ein gutes Beispiel, denn sie ist zu einem Sinnbild einer verrückten Zeit geworden und bis heute ist mir nicht klar: Hätte ich anders handeln müssen?
Dieser Bericht soll noch einmal eine eindringliche Warnung sein: Bleibt bitte zuhause, verbringt einige Zeit ohne Sozialkontakte und kommt so schnell es geht von Reisen zurück – wenn wir Euch dabei in irgendeiner Form helfen können, schreibt uns jederzeit gerne an [email protected]!
Wenn man sich ein wenig fühlt wie Silvio Berlusconi ist das wohl nie eine gute Sache. Der frühere italienische Premierminister hatte zu Beginn der sich ausbreitenden Corona-Krise zu einem besonderen Zusammenhalt aufgerufen – und sich gleichzeitig in seinem Feriendomizil in Frankreich verschanzt. Warum also musste ich mich wie ein italienischer Politiker, der seinen Zenit überschritten hat, fühlen? Weil ich während des schlimmsten Virus-Ausbruchs dieses Jahrtausends in meinem Heimatland und weltweit nicht nur fast 10.000 Kilometer entfernt, sondern auch noch an einem der schönsten Orte der Welt war.
Der Plan von einem echten Urlaub ohne Arbeit
Wer mich ein wenig besser kennt, der weiß: Ohne Arbeit kann ich nicht. Es gibt vermutlich keinen Tag in den letzten vier Jahren, an dem ich nicht mindestens eine halbe Stunde am Laptop war und etwas für reisetopia getan habe. Von meiner Frau gibt es dafür genauso Rüge wie von meiner Familie und auch von allen meinen Mitstreitern bei reisetopia. Vermutlich auch deshalb, weil man sein „Baby“ auch einmal erste Schritte alleine machen lassen muss, habe ich mich entschieden dieses Jahr wirklich einmal einen echten Urlaub zu machen – inklusive zehn Tagen ohne Arbeit.
Der kühne Plan fußte darauf, zwei tolle Award-Einlösungen mit Hilton Punkten zu kombinieren: Das Conrad Maldives mit dem neuen Waldorf Astoria Maldives. Dies hat soweit auch gut geklappt, doch schon die Urlaubsplanung meiner Reisebegleitung war äußerst komplex – dann habe ich mich mit der Suche nach passenden Flügen mit Meilen schwergetan. Als wäre das nicht genug, kam dann auch noch die Pleite von Air Italy dazwischen, sodass ich noch einmal umplanen musste. Eine Reise, die unter keinem guten Stern steht? Zu diesem Zeitpunkt war das schon klar, allerdings sollte die Situation sich noch ganz anders entwickeln.
Die Anfänge von Corona in Europa und begrenzte Sorgen
Als ich an meinem letzten Tag im Büro war, sprach bei uns kein Mensch davon, dass Corona meinen Urlaub wirklich betreffen könnte – von Home Office war keine Rede, in Deutschland gab es ein paar vereinzelte Fälle, die Strategie war sogenanntes „Contact Tracing“. Im Bundesland meines Wohnsitzes gab es sogar keinen einzigen Fall, genauso wenig auf den Malediven. Nun ist mir klar, dass manch einer sagen würde: All das war abzusehen, man hätte ja nur nach China (hier wurde allerdings bis heute nur eine Region und nicht das gesamte Land abgeriegelt) oder nach Italien (hier war man von einer Ausgangssperre noch weit entfernt) schauen können – aber am Ende habe ich mich darauf verlassen, dass die wichtigsten Institutionen in Deutschland (RKI genauso wie das Auswärtige Amt) sowie international (etwa die WTO) von Reisen nicht abgeraten haben.
Ob das am Ende richtig oder falsch war, liegt sicherlich im Blick des Betrachters, aber zumindest in dieser Situation vor mehr als zwei Wochen war für mich und auch für Bekannte und Freude keineswegs absehbar, wie sich die Situation entwickeln würde. Egal mit wem ich gesprochen habe: Angst vor Corona oder einer Entwicklung, wie wir sie bis heute gesehen habe, hatte niemand. Im Nachhinein könnte man das blauäugig, vielleicht auch falsch nennen. Doch man sollte auch nicht vergessen: Eine kostenfreie Stornierung von Flügen oder Hotels wäre zu diesem Zeitpunkt ohne Reisewarnung gar nicht möglich gewesen.
Hätte ich dennoch anders entscheiden können? Vermutlich ja. Würde ich es im Nachhinein tun? Vermutlich ja. Aber am Ende des Tages würde ich mich als positiven Menschen beschreiben: Ich erwarte nicht das Schlechteste und hatte deshalb auch in dieser Abwägung entschieden, dass diese Entscheidung richtig ist und dazu stehe ich bis heute – auch wenn diese Entscheidung retrospektiv möglicherweise nicht richtig war.
Eine andere Welt weit weg von Corona und Angst
Manchmal ist die Betrachtung einer Situation aus einer ganz anderen Perspektive fast schon surreal: Meine ersten Tage auf den Malediven im Conrad waren mehr oder weniger „frei von Corona“. In Deutschland mehrten sich zwar die Fälle, aber so recht an eine Krise glaubte noch keiner – Einreiseverbote oder gestrichene Flüge? Fehlanzeige. So habe ich die ersten drei Tage tatsächlich damit verbracht, meinem Ziel nachzugehen, nicht zu arbeiten. Doch irgendwann sollte der Wind drehen und auch im Paradies machte sich eine etwas größere Panik breit – auf den Malediven gab es den ersten Fall, eine Insel wurde „geschlossen“, Touristen in Urlaubs-Quarantäne geschickt.
In diesen Tagen war ein Entzug vom Thema Corona längst nicht mehr möglich – die Nachrichten begannen sich zu überschlagen, erste Flugstreichungen, erste Hinweise darauf, dass man soziale Kontakte vermeiden sollte – unser Team in Deutschland ist in dieser Zeit schon frühzeitig ins Home Office gegangen. Auf den Malediven war die Welt zwar weiter in Ordnung und es gab keinerlei Einschränkungen, aber langsam begann ich ein etwas ungutes Gefühl zu bekommen. Nicht etwa, weil ich das Gefühl hatte in Gefahr zu sein, sondern nicht zuhause zu sein und meine Kollegen oder meine Familie unterstützen zu können.
Es ist ohne Zweifel viel Jammern auf hohem Niveau, aber in den letzten Tagen im Conrad war es mit der Entspannung ein wenig dahin. Ich habe in diesen Tagen gemerkt, wie unangenehm ein Urlaub ist, wenn man Unruhe verspürt. Könnte die Insel in Quarantäne kommen? Komme ich noch nach Hause? Hatte ich dennoch eine im Verhältnis besonders schöne Zeit? Ohne Zweifel, denn vor Ort war von Corona eigentlich nichts zu merken, aber rein vom Gefühl her hatte sich der Urlaub verändert. Da ich zudem vermutlich tiefer im Thema drin besser vernetzt bin als andere, kann ich mir vorstellen, wie es vielen anderen gegangen sein muss.
Eine Eskalation ohne Garantien für Reisende
Nachdem ich vom Conrad Maldives ins Waldorf Astoria umgezogen war, zeigte sich immer mehr, dass sich die Situation wirklich ernst entwickeln würde. Erst kam der US-Einreisebann für Deutsche, dann haben zahlreiche Airlines bekanntgegeben ihr Angebot entweder stark auszudünnen oder sogar komplett den Flugbetrieb einzustellen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es Zeit ist, so schnell wie möglich heimzukommen. Doch so einfach ist das gar nicht, denn alle Direktflüge waren längst für Wochen ausgebucht, Flüge mit Umstieg gab es zudem kaum.
Dazu kam zunehmend ein weiteres Problem: Ob man bei einem Flug mit Umstieg überhaupt nach Hause kommen würde war zeitweise mehr als zweifelhaft. Mit Turkish Airlines über Istanbul, mit Qatar Airways über Doha? Ob diese Verbindungen einen wirklich heimbringen würden, war zeitweise gänzlich unklar. Bei Airlines für eine Umbuchung durchzukommen war zudem gänzlich undenkbar. Ich vermute, dass es einen Weg gegeben hätte, früher heimzukommen, aber nur mit großen Risiken, für einen hohen Preis und mit unklarem Ausgang.
Bei alledem war zumindest auf der Insel selbst alles weiterhin ganz normal: Ein Leben in einer Art Blase, die komplett von der Welt abgeschnitten ist. Bei Traumwetter im Meer schnorcheln, mit Blick auf das weite Blau zu frühstücken oder in einer Villa mit hundert Quadratmetern für das „Social Distancing“ zu üben mag sicherlich gut klingen – aber der Urlaub war trotzdem vorbei. Jeden Tag bange darauf zu blicken, ob man noch heimkommt, sich in Listen des Auswärtigen Amtes einzutragen und die Einreisebestimmungen im Blick zu behalten ist ohne Zweifel nicht schön, auch wenn das auf den Bildern anders aussehen mag.
Mit einem „Rettungsflug“ zurück nach Hause
Ich hatte es dabei sicherlich extrem gut: Ich hatte bereits ein bestätigtes Ticket für Donnerstag (Monate im Voraus gebucht) und es stellte sich am Dienstag heraus, dass Condor diesen Flug auf jeden Fall noch als einen der ersten „Rettungsflüge“ durchführen würde – genauso vermutlich auch noch einige weitere, um andere Urlauber nach Hause zu bringen. Ein Direktflug zurück nach Deutschland, zumal in der Business Class, lindert die Sorgen sicherlich ein wenig. Vermutlich war genau dies auch der Grund dafür, dass ich mich schlussendlich entschieden habe zu bleiben und eben bis Donnerstag auszuharren – inklusive einer Nacht Verlängerung im Waldorf Astoria, da eine Übernachtung in Malé, wie ursprünglich geplant, nicht mehr möglich war. Ein mehr oder weniger sicherer Direktflug nach Deutschland erschien mir allesamt besser als Alternativen mit unklarem Ausgang.
Dennoch habe ich in diesen Tag gelernt, wieso es eben nicht so einfach ist, Leute zu verurteilen, die aktuell noch im Ausland gestrandet sind: Man kann sich beim Auswärtigem Amt kaum registrieren, weil die Seite andauernd nicht verfügbar ist. Die Botschaften telefonisch zu erreichen ist kaum möglich, Flugtickets nach Hause sind auf Urlaubsstrecken fast komplett ausgebucht und Verbindungen mit Umstieg bedeuten enorme Risiken irgendwo zwischendurch zu stranden. Ich kann jedem sagen: In einer solche Situation möchte zweifelsfrei niemand kommen – auch nicht grob fahrlässig, weil man erst vor einigen Tagen noch vor der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes geflogen ist. Viele haben die Situation sicherlich unterschätzt, aber in eine solche Situation zu kommen ist alles andere als schön. Besonders wenn man bedenkt, dass viele ein ganzes Jahr auf den Urlaub gespart haben und vor der Reisewarnung nicht kostenlos stornieren konnten, selbst wenn sie das gewollt hätten.
Für mich begann schon im Waldorf Astoria die Umstellung auf eine neue Welt: Statt wirklich ohne Arbeit auszukommen, galt es so einige Calls zu führen, denn reisetopia ist natürlich auch stark von der aktuellen Situation betroffen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass mein Team zuhause wirklich beeindruckende Arbeit geleistet und auch in dieser Krise besonnen und hervorragend reagiert hat. Dennoch möchte man in einem solchen Moment ebenfalls mithelfen und nicht am Pool liegen und die Sonne genießen – so schön die Welt direkt um einen herum auch sein mag. Gerade in einer solchen Situation möchte niemand sein Team im Stich lassen.
Viele schwierigere Schicksale als Zeit in der eigenen Wohnung
Ganz ehrlich habe ich wenig Probleme mit einigen Wochen im Home Office und freue mich sogar, endlich meine ganze Kraft zu investieren, um Lesern zu helfen und Euch so gut es geht über die Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Auch wenn ich noch mehrere Reisen, auf die ich mich durchaus gefreut habe, absagen muss, kann ich nur sagen: Ich habe Glück gehabt und ich habe auch weiterhin Glück so viel Flexibilität zu haben und in einer solchen Situation mit meinem Wissen vielleicht wirklich vielen helfen zu können oder es zumindest so gut es geht zu versuchen.
Dies zu sagen ist mir insbesondere deshalb wichtig, weil es vielen anderen nicht so geht. Ich habe auf den Malediven mit Urlaubern gesprochen, deren Reisepläne komplett über den Haufen geworfen wurden und die bis heute nicht wissen, wie sie heimkommen. Doch wer sich so einen Urlaub leisten kann, der kommt am Ende schon irgendwie nach Hause. Noch schlimmer trifft es viele andere: Angestellte der Hotels dürfen für Wochen nicht mehr zu ihren Familien, da Reisen zwischen lokalen und Touristen-Inseln verboten sind. Ein weiterer Angestellter kann nicht mehr zurück nach Ägypten und weiß nicht, wann er wieder seine Familie sehen wird. Über Rettungsflüge dürfen sich zudem keineswegs Staatsangehörige aller Länder freuen.
Und dann sind da noch die allgemeinen Auswirkungen: Bei unserer Reise aus dem Waldorf Astoria hat mir ein Mitarbeiter erzählt, dass keine weiteren Anreisen mehr geplant – keine einzige. Aktuell ist das Hotel zu 16 Prozent belegt und schon bald wird niemand mehr dort sein. Nun habe ich zwar Mitleid mit dem Hotel, aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um eine internationalen Kette mit verrückten Preisen handelt, jedoch gewissermaßen noch in Grenzen. Man sollte einen größeren Blick haben: Viele Hoteliers, Mitarbeiter, Stewardessen und Stewards sowie Mitarbeiter im Reisebüro müssen in den nächsten Wochen um ihre Existenz kämpfen – darüber nachzudenken, während man in einer privaten Yacht zum Flughafen gebracht zu werden sorgt nicht wegen dem Wellengang für ein flaues Gefühl im Magen.
Fazit zu einer unerwarteten Reise
Ich darf mich mehr als glücklich schätzen überhaupt noch einen Urlaub genossen haben zu können und sogar mehr als das, am Ende relativ problemlos wieder heimgekommen zu sein. Luxusreisen über den „reisetopia Weg“ zu erleben ist ein unglaubliches Privileg und genau deshalb habe ich es mir vor vier Jahren zum Ziel gemacht, dass jeder diese Chance haben sollte. In dieser Situation allerdings habe ich auch gelernt, dass außergewöhnliche Erlebnisse nicht alles sind und dass wir alle zusammenhalten müssen, um denen zu helfen, die nicht so viel Glück haben. Besonders deshalb freue ich mich auch, dass diese Reise, die ich mir von Anfang bis Ende ganz anders vorgestellt habe, vorbei ist und ich mich ab sofort voll und ganz dem widmen kann, das mir mindestens genauso wichtig ist wie außergewöhnliche Reisen: Anderen Reisenden in schwierigen Situationen zu helfen und ein Baustein dabei zu sein, der Reiseindustrie nach dieser Krise wieder auf die Beine zu helfen.
Zuletzt sollte dieser Bericht auch noch einmal eine eindringliche Warnung sein: Bleibt bitte zuhause, verbringt einige Zeit ohne Sozialkontakte und kommt so schnell es geht von Reisen zurück – wenn wir Euch dabei in irgendeiner Form helfen können, schreibt uns jederzeit gerne an [email protected]!
Moin Moritz,
cooles Statement und zum Glück bist Du ja noch mit einem blauen Auge davom gekommen und relativ problemlos in die Heimat zurückgekehrt.
Auch wenn der Traumurlaub nicht ganz so entspannt war wie geplant/gehofft bin ich immernoch voller Spannung auf Deine Berichte zu den beiden Hotels! Darauf warte ich nämlich schon seitdem Du die Reise vor fast einem Jahr (?) angekündigt hast.
Irgendwann wird die aktuelle Situation ja hoffentlich vorbei sein, man wird wieder reisen können/dürfen und zumindest das Conrad steht ziemlich weit oben auf meiner to do Liste!
Alles Gute & Danke für die tollen Einblicke 🙂
Hallo Dennis, vielen Dank für die positiven Worte. In den nächsten Tagen geht es los mit den ersten Eindrücken, danach folgt dann auch in einigen Wochen der Tripreport. Ich hoffe, dass dir meine Erfahrungen bei der Planung weiterhelfen 🙂
Sehr authentische und vor allem glaubwürdige Einschätzung und Selbstreflexion von dir.
“Baustein dabei zu sein, der Reiseindustrie nach dieser Krise wieder auf die Beine zu helfen”
Ich denke, dass ist ein sehr wichtiges mittelfristiges Ziel. Nicht nur, damit wir wieder verreisen und in Urlaub fliegen können, sondern vor allem, damit Hunderttausende von Menschen ihren existenzsichernden Arbeitsplatz behalten können; vor allem in den Ländern mit nicht so einer guten sozialen Absicherung wie z.B. in Deutschland.
“Eine kostenfreie Stornierung von Flügen oder Hotels wäre zu diesem Zeitpunkt ohne Reisewarnung gar nicht möglich gewesen”
Ist das denn jetzt – aufgrund der Reisewarnungen und Einreiseverbote – grundsätzlich möglich? Viele Individualreisende haben ja schließlich nicht stornierbare Nur-Flug- und Nur-Hotel-Buchungen und müssen befürchten auf ihrem Geld sitzen zu bleiben.
Hallo Marcel, danke für den ausführlichen Kommentar. Bezüglich der kostenfreien Stornierung: An sich sollte dem so sein, aber die Rechtslage ist aktuell kaum zu überblicken, zumal sich die Airlines und Veranstalter auch nicht so recht daran halten.