Allem Druck der deutschen und auch anderen Regierungen zum Trotz wird die Europäische Union bis auf Weiteres keine Änderung der Rechtslage vornehmen – Fluggesellschaften sind damit weiterhin in der Pflicht, Flugtickets zu erstatten.

Gutscheine statt Erstattungen – diesen Beschluss hat das Corona-Kabinett der Bundesregierung bereits vor einer Woche getroffen. Während eine solche Änderung bei Tickets für Konzerte oder andere Großveranstaltungen allerdings national umgesetzt werden kann, bedarf es bei Flugtickets und auch Pauschalreisen eine Änderung auf EU-Ebene. Diese allerdings wird es vorerst nicht geben, dies hat die zuständige Kommissarin gestern Abend noch einmal offiziell bestätigt.

EU-Kommission gibt Druck von Deutschland nicht nach

Die Europäische Kommission ist für Änderungen an EU-Gesetzen der ersten Ansprechpartner, weswegen Justizministerin Christine Lambrecht, Verkehrsminister Andreas Scheuer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier in einem gemeinsamen Brief an die EU-Verkehrs-Kommissarin Adina-Ioana Vălean die Forderung noch einmal bekräftigt haben. “Das gemeinsame Ziel Europas und der Mitgliedstaaten muss es jetzt sein, den europäischen Flugverkehrsmarkt über die Krise hinaus in seiner Struktur zu erhalten”, heißt es in dem Brief, über den die Süddeutsche Zeitung berichtet. Laut des Briefes fordert Deutschland, dass Gutscheine statt Erstattungen “auch ohne Zustimmung des Fluggastes” möglich sein sollen.

Austrian Airbus A320

Diesem Vorhaben haben sich auch andere EU-Staaten angeschlossen, darunter die Niederlande und auch Frankreich. Doch trotz des Drucks der wichtigsten Staaten des Verbundes wird es zu einer Änderung so schnell nicht kommen. Gegenüber Reuters hat die EU-Kommissarin Vălean am gestrigen Abend bestätigt: “Wir werden zum aktuellen Zeitpunkt keinen Gesetzgebungsakt anstoßen”. In der Erklärung gegenüber Reuters erklärt Vălean weiter, dass für eine Änderung des Gesetzes die Zustimmung der drei wichtigen EU-Institutionen vorliegen müsste: des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass es mindestens in einer Institution keinen Konsens gibt.

Rettung von Fluggesellschaften über andere Wege

Gegenüber Reuters hat Vălean zwar betont, dass sie die Liquiditätsprobleme der Fluggesellschaften und Reiseveranstalter nachvollziehen könne, deshalb allerdings nicht zwingend eine Änderung der Rechtslage für notwendig halte. Vielmehr sieht die EU-Kommissarin andere Möglichkeiten zur Rettung von Fluggesellschaften seitens der nationalen Regierungen, etwa über Kredite, die Übernahme von Anteilen oder andere Liquiditätshilfen. Die EU-Regeln hierzu wurden seitens der Kommission beriets gelockert, um der aktuellen Situation Rechnung zu tragen. Damit steht Vălean auf einer Linie mit Verbraucherschützern, die eine solche Lösung gegenüber “Krediten” durch Kunden klar bevorzugen.

Zwar erteilt die zuständige Kommissarin einer möglichen Änderung auch weiterhin nicht grundsätzlich eine Ablehnung, doch eine zeitnahe Lösung erscheint unwahrscheinlich. Stattdessen einer Gesetzesänderung setzt Vălean aber generell auf Freiwilligkeit. So ließ sie gegenüber Reuters verlauten: “Wir planen es Passagiere dazu zu animieren, Gutscheine zu akzeptieren, wenn diese Art von Instrument durch einen Fonds der Regierungen oder ähnliches garantiert ist.” Auch hier allerdings wird klar, dass dies nur eine freiwillige Option ein soll, einen Zwang auf einen Gutschein statt eine Erstattung soll es bis auf Weiteres weiterhin nicht geben.

Nationale Regierungen haben keinen Spielraum

Die Absage der EU-Kommission in Hinblick auf eine Änderung der EU-Fluggastrechteverordnung sorgt dafür, dass auch in Deutschland keine Veränderung der gültigen Rechtslage möglich ist. Ohne Änderung der EU-Richtlinie für Pauschalreisen sowie der EU-Verordnung für Fluggastrechte sind keine nationalen Änderungen möglich. Sollte eine Regierung solche dennoch umsetzen, würde sie gegen EU-Recht verstoßen, sodass Verbraucher über den Klageweg dennoch an ihre Erstattung kommen könnten – dies erscheint allerdings aufgrund der Rückwirkung eines möglichen Gesetzes selbst dann wahrscheinlich, wenn die Europäische Union einer Änderung zustimmen würde.

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Etwas mehr Spielraum haben die Regierungen grundsätzlich bei Pauschalreisen, da es sich bei der Grundlage in den europäischen Gesetzen, um eine sogenannte Richtlinie handelt, die Mitgliedsstaaten mit eigenem Spielraum umsetzen können. In puncto Erstattungen ist ein solcher Spielraum allerdings nicht vorgesehen. Bei der EU-Fluggastrechteverordnung haben die Mitgliedsstaaten dagegen sogar überhaupt keine Möglichkeit, eigene Regeln einzuführen. Entsprechend können Passagiere auch weiterhin eine vollständige Erstattung des Flugpreises fordern, wenngleich es aus moralischen Gründen durchaus angebracht sein kann, sich für eine Gutscheinlösung zu entscheiden, um der Branche zu helfen.

Fazit zur Ablehnung einer Gutscheinlösung durch die EU

Die Europäische Union stellt sich auf die Seite der Verbraucher – und entscheidet sich damit unserer Meinung nach richtig. Eine Änderung der Rechtslage ist bei den Fluggastrechten und auch bei Pauschalreisen weiterhin nicht vorgesehen, trotz des großen Drucks der Nationalstaaten. Für Kunden sind dies gute Nachrichten, denn sie können weiterhin selbstständig wählen, ob sie eine Erstattung möchten oder eine Fluggesellschaft durch die Entscheidung für einen Gutschein unterstützen möchten.

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Autor

Max saß irgendwann häufiger in einem Flugzeug als in einer Straßenbahn, und kam so nicht umhin sich immer mehr mit den Themen rund um das Sammeln von Meilen, sowie den besten Flug- und Reisedeals zu beschäftigen. Auf reisetopia teilt er mit euch die neusten Deals und wichtigsten Tipps!

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  • Die Fluggesellschaften bleiben weiter skrupellos und treten EU-Recht mit Füßen. Einfach skandalös, aber niemand tut etwas dagegen. AIR France/KLM kassiert Milliarden vom französischen Staat und verweigert nachhaltig die Erstattung!

    • Hey Colditz, ich verstehe deine Aufregung sehr gut – jedoch sollte man nicht vergessen, dass gerade Fluggesellschaften aktuell eine schwere Zeit haben. Jedoch hast du natürlich recht, dass dies kein Grund ist, das EU-Recht auszuhebeln. Wir sind gespannt, wann die Fluggesellschaften die Rückerstattungen auszahlen. Viele Grüße

  • Was ist denn nun mein Gutschein von Germanwings wert?
    Zudem habe ich null Verständnis für die Fluggesellschaften, die einfach das Recht beugen und gar keine Möglichkeit der Rückerstattung zulassen.
    Ach ja, wer erstattet mir meine über € 300 Telefonkosten bzgl. der ewigen Flugstornierungen von vor 2 Wochen?
    Weiterhin bekam ich von BA in der “C” von MIA nach DUS, über LHR : ein Wasser und ein Brötchen. Null Alkohol an Bord…
    Das nenne ich insgesamt einen “interessanten” Kundenservice…

  • Wäre es ein Leistungsgutschein, sähe das schon anders aus. Dann wüsste man, das das Ticket nur verschoben ist. So hab ich der Airline Geld geliehen und wenn die Preise hoch gehen, schaue ich auch dann doch in die Röhre…
    Und eine Marktbereinigung schadet auch nicht. Man sieht ja aktuell, dass wir auch ohne das Angebot dieser “Systemrelevanten” Airlines überleben. Tut mir halt leid für alle Meilensammler und Statuskunden.

  • Grundsätzlich mag das richtig und nachvollziehbar sein. Mehrere Fakten sprechen dagegen:

    -es handelt sich hier um höhere Gewalt. Damit entstehen Ausnahmen…
    -der beste Verbraucherschutz nützt nichts, wenn die Unternehmen durch Insolvenz verschwinden oder die Fluggastrechte nicht bedienen können…
    -Lobbyismus gegen Vernunft hat noch nie etwas für die Menschen geschaffen…
    -Letztlich zahlt es der Verbraucher trotzdem; denn das wird aus den fiskalischen Gegebenheiten der Länder und den klammen Kassen der EU bestimmt
    -…und vieles andere was mit Vernunft zu diskutieren ist…

    • Hallo Jürgen,
      Das mit der Insolvenz hat 2 Seiten – es werden nämlich vermutlich auch mit Gutscheinlösung einige Fluggesellschaften nicht überleben – und dann haben die Verbraucher einen wertlosen Gutschein. Eine Absicherung gibt es ja schliesslich immer noch nicht.
      Wir haben bei Air Berlin und Niki Geld verloren – jetzt will ich selbst entscheiden, welche Gutscheine ich akzeptiere…

    • Und wie ist das mit der Familie, die jetzt plötzlich auf Kurzarbeit ist und jeden Cent benötig, um Miete oder Darlehen zu bezahlen und deswegen das Geld für den Flug in den Osterferien zurück haben möchte? Was hilft denen ein Gutschein?

    • Hallo Jürgen, explizit ist höhere Gewalt anders als bei den Entschädigungen keine Ausnahme von der Erstattungspflicht der Airline (steht auch genau so in der Verordnung). Es ist zudem sicherlich richtig, dass bei einer Insolvenz keinem geholfen wäre (unabhängig von Gutscheinen oder keinen Gutscheinen), aber dennoch erscheint eine staatliche Rettung über Kredite und Garantien sinnvoller als eine Haftung durch die Kunden. Nicht weil die Lösung per se fairer ist, sondern weil alles andere eine nachträgliche Veränderung der Rechtslage ist – sowas hat in einem Rechtsstaat nichts verloren.

  • Gerade bei einem OTA stellt sich das aus meiner Sicht aber nochmal etwas schwieriger heraus. Hier erhebt man für eine potentielle Umbuchung zusätzlich eine recht hohe Gebühr.
    Konnte hier bisher jemand Erfahrungswerte sammeln um an eine Erstattung zu kommen?

    • Hallo Niklas, wenn der Flug seitens der Airline gestrichen wurde, darf der OTA keine Gebühr für Umbuchungen nehmen. Auch für eine Erstattung darf in diesem Fall keine zusätzliche Gebühr anfallen. Im Zweifel muss man das leider über einen Anwalt regeln.

    • Hallo Goran, in der Praxis ist das leider korrekt. Dennoch kann man in den allermeisten Fällen eine Erstattung erzwingen. Dafür musst du dann im Zweifel allerdings über einen Anwalt gehen.

  • Die TUI hält uns seit dem 18.3. (Das wäre der Reiseeanfang gewesen)mit der Rückzahlung unseres Reisendes hin, wir haben noch zwei Reisen dort gebucht, mussten dieses Jahr vorplanen. Diese Hinhaltetaktik droht uns nun also noch zwei mal. Wir vertrauen dieser Gesellschaft nun überhaupt nicht mehr und sind auch erbost über die Art, wie man uns hinhält. Niemals würden wir bei dieser Glaubwürdigkeit von denen einen Gutschein akzeptieren.

  • Dass das so für den Verbraucher gut und richtig sei, kann man so sehen. Bei Pauschalreisen wird es dann mit dem Verbraucherschutz spannend, wenn aufgrund dieser Entscheidung die Reiseveranstalter reihenweise umkippen. Dann könnte dem ein oder anderen auffallen, dass dem schon jetzt entstandenen Schaden durch abgesagte Reisen von über 4 Milliarden Euro eine (durch den Bund verursachte) ungenügende Versicherungsdeckung für den sogenannten Sicherungsschein von nur gut 330 Millionen Euro gegenüber steht. Möglich dass die Verbraucherschützer dann mit Zitronen gehandelt haben. Regelungen, die für „normale Zeiten“ gemacht wurden, müssen in einer Pandemie nicht unbedingt funktionieren. Gutschein-Solidarität ist hier durchaus im positiven Sinn eigennützig.
    Übrigens… Fluggesellschaften haben gar keine Kundengeldabsicherung. Die Politik wusste dies bisher erfolgreich zu verhindern.

  • Das sind ja gute aber eigentlich auch selbstverständliche Nachrichten.

    Dann bin ich mal gespannt wann LH meinen annullierten Flug erstattet.

  • Reiseveranstalter sind an dieser Misere nicht unschuldig. Kein Reiseveranstalter ist gezwungen von Kunden eine Anzahlung und eine Restzahlung zu verlangen. Wie im normalen Wirtschaftleben sollte auch hier der Grundsatz “Geld gegen Ware” gelten. Bezahlung erst nach der Reise.
    So handeln ja auch die meisten Reiseveranstalter, wenn es um die Begleichung der Hotelkosten geht. Es ist nicht die Aufgabe eines Reiseveranstalters Kundengelder zu bunkern….
    Eine adäquate sinnvolle Stornoregelung, die denn trifft, der reisevertragsbrüchig wurde , steht dem Grundsatz “Geld gegen Ware” nicht entgegen. Gutscheine sind nach einer Reise auch nicht mehr nötig.
    Somit wären auch Insolvenzversicherungen unnötig, da es nichts zu versichern gäbe. Deswegen ist das jetzt Jammern auf hohem Niveau….von den Reiseveranstaltern, die durch ihre “Geiz ist geil” Mentalität erst zu diesem Fiasko geführt hat.

    Diese unsägliche Vorkasse bei Vertragsabschluss ist so, als würde ich beim Bäcker Brötchen anzahlen, die ich erst Monate später abhole.

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