Alex und Livia schwärmen beide für den nächtlichen Express in die Traumdestination, würden aber dennoch anders entscheiden, wenn es darauf ankäme. Im folgenden pro/contra erklären sie wieso.
In unserer pro/contra-Serie diskutieren zwei unserer Autorinnen und Autoren im Artikel-Format über ein bestimmtes Thema. Die Themen reichen von aktuellen bis hin zu allgemeinen, wichtigen, oder einfach interessanten Themen, die uns – und hoffentlich auch Euch – derzeit bewegen. Jede Autorin und jeder Autor übernimmt dabei entweder den Pro- oder den Contra-Part, je nachdem, welche Seite beziehungsweise welche Meinung vertreten wird. In dieser Ausgabe beschäftigen sich unser Autor Alex sowie unsere Autorin Livia mit der Thematik, was mehr für die Reise mit einem Nachtzug oder einem Kurzstreckenflug spricht. Um die Thematik zu vereinfachen, sprechen sie hier von der Reise von Zürich nach Berlin.
Alex – Nachtzüge sind klasse, aber aktuell keine Alternative
Ich muss zu Beginn gleich mehrere Dinge zugeben. Ich fahre nicht gerne Auto und auch nicht mit der Bahn, zumindest die langen Strecken nicht. Dafür liebe ich das Fliegen umso mehr, egal wie kurz oder lang die Strecke ist. Den Nachtzug fahre ich aber gerne. Ich weiß nicht genau, woran das liegt. Aber vermutlich fühlt sich eine Fahrt mit dem Nachtzug nicht wie eine typische Bahnfahrt an, zumindest nicht im Schlafabteil mit eigener Kabine. Egal wie luxuriös diese ist, es hat schon etwas Besonderes, sein eigenes Zimmer mit Bett, und im Idealfall mit Toilette und Dusche, auf Rädern zu haben.
Dabei kann ich vor allem die Vorteile des Nachtzugs schätzen. Neben der hohen Privatsphäre ist es vor allem ein Zeitgewinn, auch wenn eine Fahrt gerne mal eben eine ganze Nacht lang dauert. Aber zunächst eine Nacht im Hotel zu verbringen, um am nächsten Morgen mit dem Flugzeug zum nächsten Ziel zu fliegen, ergibt nicht so viel Sinn. Vor allem dann nicht, wenn ich Hotelübernachtung und Transport zusammenfassen kann. Dafür steht für mich der Nachtzug. Doch wo genau beginnt jetzt eigentlich der Teil, der mehr fürs Fliegen spricht?
So sehr ich Nachtzüge schätze, so sehr liegen auch die derzeitigen Probleme noch immer auf der Hand. Das Netz ist zu klein und verbindet lediglich die großen Metropolen. Möchte ich von Berlin nach Barcelona mit dem Nachtzug fahren, komme ich wahrscheinlich nur bis nach Zürich oder Paris, und muss den folgenden Tag über noch weitere Stunden im Zug verbringen, bei weniger Komfort. Vor allem auf den längeren Strecken innerhalb Europas ist der Nachtzug allein deshalb keine Alternative für mich. Da ist ein Flug einfach angenehmer und schneller. Und vor allem günstiger, selbst wenn ich noch eine Nacht im Hotel buchen muss.
Eine Fahrt von Berlin nach Wien mit dem ÖBB Nightjet mit privater Deluxe Sleeper Kabine ist kaum für unter 200 Euro zu finden, möchte man alleine reisen. Kein attraktiver Preis, vor allem nicht in Zeiten, in denen das Bahnfahren als nachhaltige Alternative einen wichtigen Stellenwert einnehmen soll. Die hohen Preise liegen sicherlich auch an den geringen Verfügbarkeiten. Zwar ist das Nachtzugnetz eine Gemeinschaftsproduktion der Deutschen Bahn, der SBB sowie ÖBB und weiteren Zugunternehmen Europas. Die Vorteile Europas kommen hier tatsächlich mal zur Geltung. Aber mehr als finanzielle Mittel und das Schienennetz werden von der Deutschen Bahn nicht zur Verfügung gestellt.
Schade eigentlich! Denn wie ein Nachtzugnetz sehr gut funktionieren kann, durfte ich in Finnland erfahren. Hier habe ich gemeinsam mit meiner Freundin über die Osterfeiertage einen Ausflug hin geplant. Dabei soll es dann auch von Helsinki nach Rovaniemi in Lappland gehen, mit dem Santa Claus Express. Dabei handelt es sich um einen Nachtzug, der einmal quer durchs Land führt und die wichtigsten Metropolen Turku und Tampere eben mit Helsinki und Lappland verbindet. Die Fahrt für zwei Personen in privater Kabine mit zwei Betten, einer Dusche und Toilette kostet uns insgesamt gerade einmal 110 Euro. Das ist mit dem Flugzeug tatsächlich nicht zu schlagen, obwohl Finnair hier gerne mit Kampfpreisen Paroli bietet.
Sicherlich kann man das Beispiel aus Finnland nicht auf ganz Europa übertragen. Aber es zeigt, wie Nachtzug eigentlich funktionieren sollte. Ein einfaches Angebot mit guten Preisen. Ein ansprechendes Netz, was auch die entfernteren Metropolen miteinander verbinden soll. All das bietet mir nur das Flugzeug. Deshalb ist das Flugzeug nicht nur aus meiner Liebe zur Luftfahrt eben die bessere Alternative.
Livia – Nachtzüge sind ein Stück Kindheit für mich
Wenn das Wort “Nachtzug” höre, denke ich direkt an meine Kindheit. Ich kann das Bild förmlich vor mir sehen, wie meine Schwester und ich als Kinder im Pyjama am Hauptbahnhof Zürich auf den einfahrenden Nachtzug nach Barcelona gewartet haben. Im Zug selbst konnte ich vor Aufregung fast nicht schlafen, doch irgendwann ließ mich das gleichmäßige Schwanken des langen Zuges wohlig eindösen. Am Morgen wurden wir mit einem Frühstück geweckt und konnten zusehen, wie wir in die riesige Stadt Barcelona einfuhren.
Nicht ganz so luxuriös sind meine Schwester und ich vor ungefähr acht Jahren in regulären Zugsitzen im Nachtzug von Zürich nach Berlin gereist – eine der ersten Reisen ohne unsere Eltern. Auch wenn das Zugerlebnis sicherlich nicht das bequemste war, kann ich mich doch noch genaustens an die Reise erinnern. Und auch, wie wir morgens um 8 Uhr am Hauptbahnhof Berlin ankamen.
Allein wegen dieser Erinnerungen werde ich wohl immer im Team pro Nachtzüge sein. Doch nicht nur deswegen. Rein objektive Vorteile von Nachtzügen sind die tiefere Anzahl Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Fliegen. Mehr ins Detail sind Alex und ich dazu bereits im pro/contra: Züge als Ersatz für Inlandsflüge? gegangen.
Zudem sind Nachtzüge unkomplizierter. Einerseits wegen des (fast) unbegrenzte Gepäcks und Flüssigkeiten, die transportiert werden können, und andererseits können Reisende direkt in den Nachtzug ein- und aussteigen, ohne durch Sicherheitskontrollen zu gehen oder am Gate zu warten. Weiter ist auch die Ankunft angenehmer, denn die Nachtzüge enden mitten in der Stadt, was die Reise vom Flughafen in die Stadt deutlich erleichtert. Schlussendlich kann der Preis von zwei Übernachtungen gespart werden. Denn wie der Name schon sagt, kommen die Nachtzüge in der Regel am Morgen früh an und fahren abends spät los.
Natürlich bestehen beim Nachtzug auch Nachteile. Einerseits die Sicherheit, schon mehrmals habe ich gehört, wie Bekannten von mir das Fahrrad oder Gepäckstücke im Nachtzug gestohlen wurden. Andererseits die Frage der Qualität des Schlafs. Denn auch wenn ich um 8 Uhr früh in Berlin war, so richtig erholt fühlte ich mich nicht richtig. Zudem ist das Nachtzugangebot im Vergleich zum Flugangebot nach wie vor relativ klein. Beispielsweise auf die Nachtzüge von Zürich nach Barcelona und Rom müssen Reisende noch länger warten. Schlussendlich der Preis des Nachtzuges. Anders als bei den Flügen ist die Konkurrenz der Nachtzüge begrenzt, das ist einer der Gründe, warum die Preise der Nachtzüge eher teuer sind (je nach Kategorie).
Für mich ist der Nachzug der Inbegriff von “Die Reise ist das Ziel”. Ein paar gute Freunde, leckere Snacks und spannende Mitreisende, und eine unvergessliche Nachtzugreise ist garantiert. Denn genau das suche ich auf meinen Reisen: Abenteuer und neue Erinnerungen. Somit lautet die Frage für mich nicht ja oder nein zum Nachtzug. Sondern: Wann reisen wir los?
Fazit zu den Argumenten für und gegen den Nachtzug
Alex und Livia haben beide eine Schwäche für Nachtzüge. Doch wenn es darauf ankommt, entscheiden sie sich dennoch anders. Alex tendiert zum Flugzeug, das verbindet für ihn mehr Destinationen und kann preislich mithalten – und ist eben auch einfach seine große Leidenschaft. Livia bevorzugt den Nachtzug, der für sie Abenteuer und Kindheitserinnerungen vereint. Und doch wird Alex als Erster der beiden dieses Jahr einen Nachtzug betreten…
Wenn Sie einen Schlafwagenplatz mit um die 200 EUR als zu teuer (im Vergleich zu Flug um 200 EUR plus Hotel mit 80-140 EUR) empfinden, weiss ich nicht wue Sue rechnen. Für Autofahrer wäre der Vergleich 800-900 km x EUR 1.00 im Auto plus Hotel.
Thema Sicherheit.
Wir sind einmal Nachtzug in Indien gefahren. Von Hyderabad nach Nagpur.
Als es ans Schlafen ging, holten alle Inder solide Ketten aus ihren Koffern, dazu noch solidere Schlösser und fesselten ihre Koffer an diversen Punkten des Liegewagens. Das sah aus wie in einem Straflager. 🙂
Andererseits war Indien das einzige Land, in dem Nachtzug fahren auch ein Erlebnis sein konnte. Das war allerdings dann auch eine andere Kategorie als der Liegewagen. Vier Abteile pro Wagen (trotzdem nicht gerade geräumig) dazu zwei Mitarbeiter für ganze 8 Reisende pro Wagen.
Das Anti-Erlebnis: Berlin-Kiew. Zwei Tage lang rechts die Bäume, links die Bäume, dann erst links die Bäume, bevor es rechts mit den Bäumen weiterging. Ab und zu drei Stunden Halt an einer Großstadt, bestehend aus 5 Häusern, 7 Einwohnern und 4 Milchkannen.
Hallo Rainer, danke für das Teilen deiner Erfahrungen in Nachtzügen. Das klingt wirklich nach einem Erlebnis, dass du nicht so schnell vergessen wirst 🙂 Ich bin gespannt, was die Zukunft an Nachtzug-Erinnerungen noch bringen wird 😉 Liebe Grüße, Livia