Die Einführung des Buy-on-Board-Menüs auf der Langstrecke stößt nicht nur Passagieren übel auf. Auch die Kabinenbesatzung hat ihre Argumente dagegen einzuwenden – bislang aber mit wenig Erfolg.

Die Lufthansa nimmt eine weitere größere Änderung am Economy und Premium Economy Class-Service vor. Dieses Mal trifft es jedoch die Langstrecke des Kranichs. Hier soll bereits in wenigen ebenfalls das „Onboard Delights“-Menü angeboten werden, welches bereits in diesem Monat auf ausgewählten Routen getestet wurde. Das Fazit fällt überraschenderweise nicht nur bei den Passagieren negativ aus. Das Personal verweist auf das aktuell hohe Infektionsgeschehen und fordert die Konzernleitung daher auf, die Einführung der neuen Services an Bord zu verschieben, wie aeroTELEGRAPH berichtet.

Auf vielfachen Kundenwunsch

Ab Dezember wird es in der Economy und Premium Economy Class der Lufthansa auf der Langstrecke eine große Änderung im Service-Konzept geben. Die sogenannten Onboard-Delights sind dann auch hier verfügbar. Während Passagiere sich auf ein eingeschränkteres kostenfreies Angebot einstellen müssen, stößt die Änderung auch beim Personal auf wenig Vorfreude. Die Gründe dafür dürften jedoch unterschiedlich sein. Während Passagiere für zusätzliche Snacks und Getränke zukünftig also zahlen müssen, äußert das Kabinenpersonal der Kranich-Airline vor allem Bedenken hinsichtlich der Hygiene und des Infektionsschutzes.

Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts dagegen, dass wir auch etwas an Bord verkaufen. Doch der Zeitpunkt jetzt gerade, mit explodierenden Infektionszahlen, ist wirklich nicht gut.

Statement einer Flugbegleiterin

Die größte deutsche Fluggesellschaft konnte sich zuletzt erst mit mehrfachen Kapitalerhöhungen von den Staatshilfen befreien. Aus einem Brief des Personalvorstands an die Piloten geht dabei hervor, dass die Lufthansa die Corona-Pandemie mit zusätzlichen Schulden von circa zehn Milliarden Euro verlassen wird. Dementsprechend könne das Kabinenpersonal verstehen, dass zusätzliche Einnahmequellen generiert werden müssen. Vielmehr kritisiert das Kabinenpersonal deshalb den Zeitpunkt der Einführung. Mit steigenden Infektionszahlen sei es vor allem an der Zeit, die Kontakte zwischen Kabinenpersonal und Passagieren möglichst zu minimieren. Nicht nur das neue Buy-on-Board-Menü soll im Dezember wieder eingeführt werden. In der Premium Economy soll auch der Welcome Drink vor dem Start wieder angeboten werden.

“Wir befinden uns aktuell in der vierten Welle”

In einem Schreiben fordert die Belegschaft die Konzernführung daher zur Vernunft auf und verweist auf das auch in Deutschland derzeitig hohe Infektions geschehen. Als Signal gegenüber dem Personal und den Kunden fordert man daher die Chef-Etage dazu auf, das Hochfahren der Serviceleistungen an Bord nochmals zu verschieben. Die Lufthansa weist indes die Forderungen zurück. Die Airline beruft sich dabei wiederholt auf die Passagiere und den Wunsch, mehr Leistungen an Bord zu erhalten. Einen Zusammenhang zwischen steigenden Infektionszahlen in Deutschland und mehr Kundeninteraktion an Bord kann die Kranich-Airline nicht erkennen. Die Personalvertretung verteidigt die Forderungen des Personals und verweist auf die Empfehlungen der EASA, Serviceleistungen an Bord weitestgehend zu minimieren. Dazu hätte sich auch die Lufthansa bekannt, würde den Inhalt jedoch kreativ auslegen.

Die Annahme, durch das zeitliche Zusammentreffen von Service-Intensivierung und der Inzidenz-Entwicklung in Deutschland und anderen Ländern Europas, sei es an Bord auch wieder gefährlicher, ist falsch.

Lufthansa-Sprecherin gegenüber aeroTELEGRAPH

Zukünftig wünscht sich die Personalvertretung zum einen mehr Mitspracherecht bei der Ausgestaltung der Serviceleistungen an Bord und hat dafür bereits im Sommer ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Zum anderen fordert sie die Belegschaft auf, geltende Hygienemaßnahmen auch energischer durchzusetzen, um mehr Argumente für sich bei der Führung hervorbringen zu können. Verdi unterstützt das Personal der Lufthansa und will die Gefährlichkeit an den verschiedenen Kontaktpunkten analysieren.

lufthansa economy class langstrecke airbus a330 kabine 3

Die Economy Class und Premium Economy soll ab dem 1. Dezember, wie auf der Kurz- und Mittelstrecke, ebenfalls das Buy-on-Board-Menü erhalten. Damit wird die Lufthansa ab Ende des Jahres aufhören, den Passagieren kostenlose alkoholische Getränke anzubieten. Das kostenlose Menü und diverse alkoholfreie Getränke sowie Bier und Wein sollen jedoch erhalten bleiben. Das neue Konzept wurde bereits auf den Routen nach Boston und Los Angeles getestet. Dementsprechend kann das Kabinenpersonal auch bereits ein erstes Fazit ziehen. Das Onboards Delights Interkont-Menü ist demnach für „zwischen den Mahlzeiten“ gedacht, sodass sich die Passagiere mit zusätzlichen Snacks und Getränken versorgen können.

Fazit zu den Forderungen des Kabinenpersonals

Die Lufthansa schustert erneut kräftig am Economy (und Premium Economy) Class-Service rum. Auf der Langstrecke soll es so bereits in wenigen Tagen ebenfalls das Onboard Delights-Konzept, mit dem Zusatz „Interkont“, geben. Während Passagiere also auch für diese Zusatzleistungen bezahlen müssen, kritisiert die Belegschaft der Lufthansa den Zeitpunkt der Einführung. Das Kabinenpersonal verweist auf das aktuell hohe Infektionsgeschehen und die damit unnötig entstehenden Gefahren bei der vermehrten Interaktion mit Passagieren an Bord. Beide Seiten stellen ihre Argumente nachvollziehbar vor. Die erste Runde geht dennoch an die Lufthansa. Ob es dennoch bei der Einführung des Buy-on-Board-Menüs am 1. Dezember bleibt, wird sich schon bald herausstellen.

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Autor

Alexander Fink ist als Content Editor seit Januar 2021 für reisetopia tätig. Zuvor war er als Account Manager in der Industrie beruflich unterwegs und schrieb von seinen Reiseerfahrungen im eigenen Blog. Heute ist er Euer Ansprechpartner für alle Airline- und Kreditkartenthemen.

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  • Ist doch klar, warum das Kabinenpersonal “sich ärgert”: Zusätzliche Arbeit!

    Am besten die Passagiere abfüttern – wohlgemerkt mit vegetarischer Pasta ohne Auswahlmöglichkeit – und dann bis eine Stunde vor Landung die Kabine abdunkeln. Und dann wird schön in der Galley gequatscht. Eventuell noch bei einer Notwasserung die Rutschen aufblasen und bei Druckabfall mal gucken, ob jeder Luft kriegt …

    Ach, bitte noch seitens LH mindestens drei Tage Aufenthalt am Zielort vor dem Rückflug: Die Instagram-Profile wollen doch mit Fotos prall gefüllt werden.

  • Erst wird der Service mit Hinweis auf “coronabedingte Hygienemaßnahmen” zusammengestrichen, jetzt darf man zum Ausgleich etwas dazukaufen. Der Verkaufsprozess wird selbstverständlich wesentlich coronasicherer sein als ein bloßes Austeilen. Schon klar… Somit geht es hier um das Generieren von Zusatzeinnahmen und um nichts anderes.

    Zum Einwand des Bordperaonals:
    Es gibt Millionen von Arbeitnehmern, die täglich unter den verschiedensten Umständen häufig wechselnden Kundenkontakt haben und die sich nicht mit dem Verweis “Kontaktreduzierung” zum Quatschen in die Küche zurückziehen können.

  • Die Crew hat also kein Problem damit, mit der S-Bahn zum Flughafen zu kommen, privat Freunde zu treffen, Einkaufen zu gehen, ins Restaurant zu gehen etc. Aber wenn es um den Service beim Passagier geht, der mit 3G an Bord ist, dann geht das nicht wegen Corona? Das soll wohl ein Witz sein. Die Crew soll bitte arbeiten, denn dafür wird sie vom Preis meines Flugtickets bezahlt.

      • Hallo Michael, das musste ich zu meiner Überraschung auch feststellen, dabei wäre das meiner Meinung nach so einfach mit dem Vorzeigen der Bordkarte und eines Personaldokuments zusätzlich zu kontrollieren. In den Lounges der LH funktioniert es zumindest genau so.

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