Bereits vor einigen Wochen hieß es, dass easyJet innerdeutsche Flüge erst wieder ab September aufnehmen möchte. Nun soll dies wohl vorerst gar nicht mehr der Fall sein, denn easyJet möchte nicht nur die Berliner Basis um die Hälfte reduzieren, sondern auch innerdeutsche Flüge nicht mehr anbieten.
Im Zuge der Coronakrise musste easyJet ihre komplette Flotte am Boden belassen. Nach und nach wurden immer mehr Flüge aufgenommen, wobei innerdeutschen Flüge dazu nicht zählten. Nun wurde bekannt, dass easyJet innerdeutsche Flüge ganz einstellen möchte, was den Jobverlust mehrerer hundert Mitarbeiter mit sich bringt.
Halbierung der Berliner Basis
Seit der Air Berlin Pleite hat sich easyJet zu der wichtigsten Airline in Berlin gemausert. Nicht verwunderlich, dass die Airline so in der Hauptstadt ihren größten Standort außerhalb von Großbritannien aufgebaut hat. Doch aufgrund der Coronakrise möchten sich die Briten nun zurückziehen. Konkret gesagt, möchte easyJet bereits zum Winterflugplan knapp die Hälfte der Flotte, also 16 von 34 Maschinen, aus Berlin abziehen. Dies hat zur Folge, dass ebenso die Hälfte der Stellen an den Standorten Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld abgebaut werden sollen. So trifft dies 738 der derzeit 1.540 Mitarbeiter in Kabine und Cockpit.
Laut airliners.de habe easyJet bereits erste Schritte eingeleitet und Gespräche mit der zuständigen Personalvertretung “zur Verringerung der Zahl der in Berlin stationierten Flugzeuge und Mitarbeiter” aufgenommen.
Die Reduzierung der Flotte sowie des Personals in Berlin reicht den Briten jedoch nicht allein. Forciert wird auch ein Netzumbau, bei dem man in Zukunft nur noch europäische Städte sowie beliebte Urlaubsdestinationen anbieten möchte.
Konkret gesagt bedeutet dies, dass easyJet auf innerdeutsche Flüge in Zukunft verzichten möchte, wollte die Airline diese doch eigentlich ab September wieder aufnehmen. Doch ebendiese innerdeutschen Routen sind seit Mittwochmorgen nicht mehr buchbar – easyJet bestätigte den Rückbau dieser Strecken zudem bereits.
“Zum gegenwärtigen Zeitpunkt planen wir keine Inlandsflüge in Deutschland”
Verluste in Berlin können nicht mehr ausgeglichen werden
Der Grund für die drastischen Pläne der Airline ist aktuell natürlich die Auswirkung des Coronavirus auf die Luftfahrtindustrie. So wurde die Entscheidung von easyJets Country Manager für Deutschland, Stephan Erler, mit fehlender Profitabilität sowie erheblichen Verlusten der Basen in Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld begründet. Laut ihm sei das übrige Netzwerk wohl nicht mehr in der Lage dazu, die auf den Berliner Basen verursachten Verluste, auszugleichen.
“Die Herausforderungen, die es bisher unmöglich gemacht haben, in Berlin profitabel zu sein, bestehen weiter und wurden durch Covid-19 verschärft”
Stephan Erler, Country Manager Germany easyJet
Doch auch wenn die Halbierung der Flotte sowie des Personals drastisch klingt, besteht laut ihm keine Gefahr für die Basis in Berlin. Der CEO, Johan Lundgren, bestätigte zudem, dass der Standort weiterhin ein wichtiger Teil für easyJet sei und trotz der Verluste nicht von einer Schließung bedroht ist.
“Berlin bleibt ein strategisch wichtiger Teil unseres Netzwerks, in den wir erhebliche Investitionen getätigt haben, und obwohl wir Berlins größte Fluggesellschaft bleiben werden, müssen wir unseren Flugplan an die Nachfrage nach der Pandemie anpassen und uns auf profitables Fliegen konzentrieren.”
Johan Lundgren, CEO easyJet
“Schwarzer Tag” für den Berliner-Luftverkehr
Die Nachricht über den Teilrückzug easyJets aus Berlin trifft nicht nur die Mitarbeiter der Airline hart. Auch der ver.di-Luftfahrtsekretär Holger Rößler übt Kritik an der drastischen Entscheidung. So sei es laut ihm ein “schwarzer Tag” für den Berliner-Luftverkehr.
“Easyjet hat damit geworben, ein sozial verantwortlicher Arbeitgeber zu sein. Jetzt werden wir das Unternehmen an den eigenen Ansprüchen messen und erwarten, dass die Kürzungspläne überdacht werden. Wir werden um die Arbeitsplätze in Berlin kämpfen”.
Holger Rößler, ver.di-Luftfahrsekretär
Die Begründung der Airline traf bei der Gewerkschaft ver.di auf Unverständnis, da diese die Entscheidung mit Blick auf die Eröffnung des BER nicht nachvollziehen kann. Denn mit der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens werden sich trotz aktueller Pandemie neue Chancen ergeben.
Besonders hart trifft deswegen die Entscheidung wohl auch den noch nicht eröffneten Flughafen BER. Denn die Halbierung der Berliner Basis und der daraus resultierende Wegfall vieler Routen werde die Anbindung an die Metropole verschlechtern und weitere wirtschaftliche Folgen für den Hauptstadtflughafen mit sich bringen. Laut Rößler wäre es nun nötig, dass sich die Berliner Landesregierung einschalte.
Der FBB-Chef Engelbert Lütke Daldrup äußerte sich jedoch optimistisch zu der Sachlage und geht davon aus, dass diese Situation nur vorübergehend sein wird und die Präsenz der Airline in den nächsten zwei Jahren wieder wächst. Er begründet es damit, dass easyJet klar betonte, dass Berlin die größte Basis außerhalb Großbritanniens bleibt und Berlin besonders bei Privatreisenden stark nachgefragt wird.
“Insofern denken wir, dass in der Erholungsphase in den nächsten zwei Jahren wir deutlich an Anteilen gewinnen werden […] und auch wieder mehr Maschinen, auch von Easyjet, in Berlin eine Zukunft haben.”
Engelbert Lütke Daldrup, FBB-Chef
easyJet selbst zeigte sich dagegen jedoch pessimistischer. Denn Lundgren rechnet laut einer internen Mitteilung nicht mit einer vollständigen Erholung vor 2023.
easyJet schließt andere Basen komplett
Bereits Ende Mai hatten wir darüber berichtet, dass easyJet 30 Prozent der gesamten Arbeitsplätze abbauen sowie die Flotte reduzieren möchte. Dabei sollen in Zukunft auf 51 Maschinen verzichtet werden.
Dass dadurch eine Reduzierung des Personals sowie der Maschinen nicht nur am Berliner Standort geplant ist, sollte klar sein. Besonders eng wird es so auch für viele Mitarbeiter im Heimatland Großbritannien sein, wo die Basen London Stansted, London Southend und Newcastle gänzlich geschlossen werden sollen. Trotz allem würden diese Ziele noch angeflogen werden, dann eben nur nicht mehr als Basis fungieren.
Fazit zur Einstellung der innerdeutschen Flüge
Dass easyJet im Zuge der Krise Reduzierungen vornehmen muss, ist nachvollziehbar und war abzusehen. Dass dies die Berliner Basis jedoch so hart trifft, ist ein herber Rückschlag. Gerade innerdeutsch wird das Angebot an Flügen noch stärker ausgedünnt, weshalb kaum mehr Alternativen ab und nach Berlin bleiben. Ob easyJet innerdeutsche Flüge nach Erholung des Flugverkehrs wieder einführen wird und welche weiteren Ziele ab Berlin in Zukunft wegfallen werden ist ungewiss. Weiterhin spannend bleibt es vor allem auch in Hinblick auf die Eröffnung des BER und der Bedeutung des Teilrückzugs von easyJet.