Die Lufthansa hat überraschend noch keine Bestellung für den Airbus A321XLR abgegeben. Die Airline ist skeptisch, was den Jet angeht – kurioserweise wird das mit dem Komfort an Bord begründet.

Kaum eine große Airline-Gruppe hat so einen starken Fokus auf Maschinen von Airbus wie die Lufthansa. Innerhalb des Konzern sind auf der Kurzstrecke mit Ausnahme von Regionalflugzeugen ausschließlich Airbus-Maschinen unterwegs und auch auf der Langstrecke haben die Airlines der Verbundes mehrheitlich Jets von Airbus in der Flotte. Dennoch hat die Lufthansa sich bislang gegen die Bestellung des Airbus A321XLR entschieden, was durchaus überraschend ist.

Nischenprodukt statt einer perfekten Ergänzung

Dass die Lufthansa vorerst nicht auf den Airbus A321XLR setzt, liegt in einer gewissen Skepsis gegenüber dem Jet begründet. Dies zumindest hat Carsten Spohr auf der Investorenkonferenz am vergangenen Montag erklärt, wie Reuters berichtet. Er sieht die Maschine nicht als sogenannten “Game Changer”, sondern erkennt im Airbus A321XLR stattdessen eher ein Nischenprodukt. Wenngleich dies sicherlich stimmt, wenn man das Flugzeug mit der Boeing 777 oder dem regulären Airbus A320 vergleicht, sprechen doch schon die über 200 Bestellungen in den ersten Tagen dafür, dass die “Nische” für das Flugzeug deutlich größer ist als man bei der Lufthansa annehmen mag.

Iberia A321XLR

Wenngleich sich nicht verkennen lässt, dass der Airbus A321XLR bei den großen Airline-Gruppen dieser Welt nicht zum Herzstück der Flotte wird, ist durchaus vorstellbar, dass auch die größeren Gruppen auf eine Vielzahl dieser Modelle setzen werden. Den Anfang haben dahingehend bereits American Airlines sowie IAG gemacht, die beide bereits größere Mengen bestellt haben. Dass Air France-KLM und eben auch die Lufthansa Gruppe folgen, gilt sogar als wahrscheinlich. Dennoch hält man sich bei der Lufthansa bislang noch zurück – und begründet dies doch eher kurios.

Passagierkomfort spricht gegen den Airbus A321XLR

Dass die Lufthansa den Jet bislang noch nicht bestellt hat, liegt laut Spohr allen voran am fehlenden Passagierkomfort im Vergleich zu anderen Langstrecken-Maschinen. Der Lufthansa-Chef ließ verlauten, dass eine Maschine mit einem Gang bei Flügen über vier Stunden nicht den notwendigen Komfort verspreche. Gerade die Lufthansa-Gruppe allerdings setzt auch auf einigen deutlich längeren Strecken auf die Airbus A320-Familie, nicht zuletzt etwa nach Baku in Aserbaidschan (Lufthansa) oder zu Zielen im Iran (Austrian). Auch im Rahmen der Zusammenarbeit mit Privat Air hat die Lufthansa beispielsweise über Jahre eine Boeing 737 auf echten Langstrecken eingesetzt.

Flüge mit dem Airbus A321XLR könnten noch deutlich weiter sein und bis zu neun Stunden dauern, womit das Thema Komfort natürlich noch einmal mehr in der Vordergrund rückt. Andererseits bieten etwa amerikanische Airlines schon seit vielen Jahren auch Flüge in der Boeing 757 an, die ebenfalls nur einen Gang hat und in etwa dieselbe Größe eines Airbus A321XLR hat. Größere Beschwerden über den Komfort gab es dabei bislang noch nicht. Zudem ist davon auszugehen, dass die Lufthansa zumindest ihre aktuelle Business, Premium Economy und Economy Class auf der Langstrecke ohne Probleme auch in einen Airbus A321 einbauen könnte.

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Neue Lufthansa Business Class ab 2020

Die Business Class in einer 2-2 Anordnung wäre dabei genauso denkbar wie eine Premium Economy Class in einer 2-3 Anordnung. Gleichzeitig startet die Lufthansa im kommenden Jahr mit einem neuen Produkt, das dann über die Jahre in allen Flugzeugen Einzug finden soll – über die gesamte Gruppe hinweg. Bei diesem müsste es für einen Airbus A321 auf der Langstrecke eine überarbeitete Version geben, damit direkter Zugang zum Gang für alle Passagiere gewährleistet werden kann. Möglich erscheint aber auch das, sodass das Komfort-Argument nur teilweise nachvollziehbar ist.

Zahlreiche potenzielle Routen für den Airbus A321XLR

Abgesehen vom Komfort wäre der Airbus A321XLRfür die Lufthansa Group grundsätzlich eine hervorragende Ergänzung, denn die Maschine könnte im Streckennetz der Airlines durchaus eine interessante Rolle spielen. Für die Lufthansa selbst gilt das besonders für Routen ab den Hubs in Frankfurt und München zu sekundären Zielen in den USA wie New Orleans oder Nashville. Airlines wie Brussels Airlines oder Swiss könnten genauso wie Austrian ebenfalls das Streckennetz in die USA ausbauen, etwa mit Routen wie Brüssel – Miami oder auch Wien – Washington.

Gleichzeitig ergeben sich auch in östlicher Richtung sehr interessante Möglichkeiten, beispielsweise auf Strecken nach Indien, wo Lufthansa den Airbus A321XLR etwa nach Pune einsetzen könnte, auch weitere Ziele im Nahen Osten und dem indischen Subkontinent erscheinen möglich, etwa nach Abu Dhabi oder Karachi. Sehr interessante könnte die Maschine zudem auch für Eurowings werden, denn auch wenn die Langstrecke für die Airline erst einmal in den Hintergrund rückt, wären zahlreiche Strecken von Berlin, Düsseldorf oder auch Stuttgart und Hamburg zu wichtigen Zielen in den USA wie New York oder auch Chicago denkbar.

Fazit zur Skepsis der Lufthansa gegenüber dem Airbus A321XLR

Der Airbus A321XLR verspricht auf Langstrecken zweifelsfrei nicht den allerhöchsten Komfort. Wirtschaftlichkeit steht bei Airlines aber seit jeher über dem Komfort, sodass dies als Argument gegen das Flugzeug wohl kaum ausreichen wird. Gerade da die Lufthansa Group für den Airbus A321XLR sicherlich auf sehr vielen Strecken eine passende Einsatzmöglichkeiten finden könnte, erscheint die Skepsis der Airline doch etwas überraschend. Vermutlich wird sich die Airline mittelfristig dann doch noch für den Kleinraumjet mit besonders hoher Reichweite entscheiden – die Frage ist nur wann und für wie viele Maschinen!

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Das zu hören, verwundert mich sehr. Ich habe noch im Hinterkopf, dass man sich den A321LR “sehr genau ansehe”, da man mit ihm “Großes vorhabe”, insbesondere auf Sekundärrouten wie z.B. nach Zentralafrika und Zentralasien.

    Na ja, die LH ändert halt immer mal Ihre Meinung. Denkbar wäre für mich auch taktisches Gepokere, um etwas später einen lukrativeren Deal herauszuhandeln, nachdem man nicht zu den ersten Bestellern gehört.

    Die Begründung mit dem Komfort bezeichnest du zutreffenderweise als “kurios”; Airlines geht es grundsätzlich mehr um Wirtschaftlichkeit als um den Komfort der Passagiere.
    Ach ja, ich vergaß: Der neue A320neo, der ist doch auch enger bestuhlt …?

    Des Weiteren möchte ich noch Grundsätzliches anmerken in Anbetracht des Hypes um den neuen A321LR. Dieses Thema verfolge ich nämlich intensiv und mit Interesse.

    Rein theoretisch gibt es heutzutage, wie oft als Argument für den A321LR angeführt, viele Einsatzmöglichkeiten auf Sekundärrouten. Dies setzt allerdings freie Kapazitäten sowohl im Luftraum als auch am Boden voraus, und ich bezweifele, dass die – insbesondere in der Zukunft – in dem gleichen Maße vorhanden sind, wie es tatsächliches Passagieraufkommen zwischen zwei Orten gibt.

    Konkretes Beispiel: Angenommen, es gäbe genug Leute, die von Frankfurt nach New Orleans fliegen würden, um diese Verbindung anzubieten und den Flieger regelmäßig zu füllen. Hier könnte die Einführung der Verbindung z.B. daran Scheitern, dass kein freier Slot zur Verfügung steht! Eben weil die Kapazität am Ausgangsflughafen nicht vorhanden ist. In diesem Fall müssten die Passagiere dann mit einem großen Flugzeug zum nächsten Hub (hier z.B. Atlanta) fliegen und von dann weiter zum kleineren Zielflughafen.

    Vor diesem Hintergrund gehen auch viele Experten davon aus, dass der A380 vielleicht seine große Zeit noch vor sich hat, wenn man aufgrund fehlender Kapazitäten am Boden und in der Luft (ein Beispiel ist die Transatlantikroute) wieder vermehrt Hub-to-Hub fliegen muss.

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