Angekommen in einer neuen Stadt zücken viele Reisende sofort ihren Reiseführer. Eine lange Liste von Sehenswürdigkeiten wird zusammengeschrieben und Routen werden geplant, um in den nächsten Tagen möglichst alles gesehen zu haben und jedes Museum mitzunehmen.
Etwas anders sieht es bei meinen Reisen aus, denn mir sind Sehenswürdigkeiten relativ egal, ich nutze keine Reiseführer und muss nicht von morgens bis abends eine neue Stadt erkunden.
Und… was macht man jetzt in Dubai?
In meiner Jugend war auch ich der absolut typische Tourist. Im Jahr hatte ich maximal eine Reise an einen neuen Ort und dort wurde die Zeit natürlich maximiert, um möglichst viele Sehenswürdigkeiten zu sehen. Das ist auch absolut legitim, um am Ende des Urlaubs das Gefühl zu haben, alles gesehen zu haben.
Doch spätestens mit meiner ersten großen Reise nach Neuseeland nach dem Abitur war alles ein wenig entspannter. Wenn man mehrere Monate unterwegs ist, möchte man nicht jeden Tag in jeder Stadt nonstop Sightseeing machen und die wichtigsten Punkte einer Stadt abklappern.
Ich kann mich noch gut an unsere Landung in Dubai auf dem Weg nach Neuseeland erinnern, wo wir einige Nächte Zwischenstopp gemacht haben. Nach dem Nachtflug haben wir uns erstmal im Hotel ausgeschlafen und guckten uns dann an – was machen wir denn jetzt eigentlich in Dubai?
Also wurden die Laptops aufgeklappt und in fünf Minuten wurde eine Liste zusammengestellt. Diesen großen Turm muss man sehen, die Mall ist wohl ganz interessant und eine Wüstentour kann man auch machen – super. Also sind wir los gelaufen und haben die Stadt erkundet.
Sehenswürdigkeiten geben mir nichts
Wenn ich heute in einer neuen Stadt ankomme, mache ich es an sich genauso wie damals in Dubai. Ich gucke mir grob an, was es interessantes gibt und laufe ansonsten einfach los. Ich muss nicht in Paris ins Louvre und auf den Eiffelturm, es reicht mir in der Gegend herumzulaufen. Das liegt vielleicht auch daran, dass mich Museen mit wenigen Ausnahmen nicht begeistern können und ich zur Besichtigung einer Stadt nicht mit möglichst vielen Museen einen guten Eindruck bekomme.
Unser Kollege Ben von OMAAT hat in einem ähnlichen Artikel eine passende Filmszene zitiert. Zwei Reisende wollen den Grand Canyon besuchen, stehen dann endlich davor und fragen sich nach einer kurzen Sekunde „Und wie lange müssen wir jetzt darauf gucken bis wir es ‚gesehen‘ haben?“. Genauso sehe ich es auch mit Sehenswürdigkeiten. Es ist schon ganz nett den Eiffelturm mal gesehen zu haben, aber hat man Paris mehr gesehen wenn man jetzt noch alle anderen Touri-Programme mitmacht?
Ich möchte in einer neuen Stadt vor allem ein Gefühl für das Leben vor Ort bekommen. Das bekomme ich am besten, indem ich einfach los laufe, überall mal links und rechts abbiege und mich einfach verlaufe bis ich irgendwie wieder zum Hotel zurückfinde. In Venedig war es für mich zum Beispiel super, mal immer „falsch“ abzubiegen. Wo die Touristenströme in den großen Straßen nach rechts abbiegen, biege ich links ab und so weiter. Nach spätestens zwei Minuten befindet man sich in einer fast leeren Gasse, wo der Espresso die Hälfte kostet und nur noch italienisch gesprochen wird – so erkundet sich eine Stadt besser.
Ähnlich sieht es für mich in New York aus, wo ich inzwischen einige Male war. Jedes Mal lege ich meinen Koffer im Hotel ab, hole mir im Dunkin Donuts einen „Larrrge Iced Coffee“ und laufe die Straßen auf und ab.
People-watching in jeder Stadt
Die Arbeit an reisetopia hat viele Vorteile, aber auch den vermeintlichen Nachteil, dass man eigentlich immer arbeiten muss. Wenn ich unterwegs bin arbeite ich trotzdem, vielleicht nicht immer so viel wie zuhause, aber etwas muss immer getan werden. Also habe ich immer meinen Laptop dabei, um Aufgaben abzuarbeiten.
Dabei sitze ich höchst ungerne alleine im Hotelzimmer mit meinem Laptop. Angenehm sind Hotel Lounges, wo ich zumindest meistens einen netten Blick habe, etwas trinken kann und andere Leute im Raum sind. Schöner sind dagegen kleine Cafés in der Stadt, wo man die Arbeit noch mit people-watching kombinieren kann und sieht, wer so in der Stadt unterwegs ist.
So habe ich das Gefühl, deutlich mehr von der einheimischen Bevölkerung zu sehen, als den Tag in Warteschlangen von Sehenswürdigkeiten zu verbringen und Museen zu durchlaufen.
Und wie erkundet Ihr eine Stadt?
Das ist natürlich nur meine persönliche Meinung und jeder macht es anders. Moritz L. ist nach meinem Gefühl zum Beispiel deutlich mehr unterwegs und hat trotz hohem Arbeitspensum mit vielen Artikeln in jeder Stadt noch alles gesehen. Wie macht Ihr es? Was macht Ihr in einer Stadt, damit Ihr das Gefühl bekommt, diese auch wirklich gesehen zu haben?
Da hat mir aber jemand aus der Seele gesprochen. Und wenn man dann plötzlich zufällig vor einer Sehenswürdigkeit landet, dann ist das ein Fingerzeig von Manitou und wirklich witzig.
Ich sehe es wie du und handhabe es auch so.
Meine erste Reise, welche ich eigenständig gebucht und alleine gemacht habe (London, mit 15) habe ich zwar einen groben Plan gehabt, was ich gerne sehen möchte – ja auch die “Touri-Ziele”, allerdings war es mir da schon zu wieder, mich als Xte Person in eine Menge zu stellen um etwas anzusehen. Ich lief lieber umher und entdeckte Läden, und eben, die Lebensart vor Ort.
Wenn ich nur durch die Stadt bucksiert werde, von jemandem, der sich sowieso auskennt, merke ich nichts davon. Ich will doch gerade den Unterschied zu dem kennenlernen, was “zu Hause” standard ist. Museen gehören für mich allerdings dazu. Hier schätze ich allerdings das Konzept aus UK. Es kostet mich nichts (schon gar keine Unsummen wie der Louvre) an Eintritt. Dafür schaue ich mir auch nicht einen Tag lang gepresst alles an, obwohl ich schon nichts mehr aufnehmen kann. Eine Ausstellung, die mich interessiert. Und gut ist.
Für mich wäre es nichts, den Touristenurlaub zu machen. Ich möchte in Italien auch mal nur mit Händen begreiflich machen, was ich eigentlich will.
Jeder ist anders, zum Glück. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Vielleicht wird es neuer Trend eben nicht mehr den Strömen hinterher zu gehen.
“Also wurden die Laptops aufgeklappt und in fünf Minuten wurde eine Liste zusammengestellt. Diesen großen Turm muss man sehen, die Mall ist wohl ganz interessant und eine Wüstentour kann man auch machen – super. Also sind wir los gelaufen und haben die Stadt erkundet.”
Man möge es mir erklären: was ist daran nur besonders?
Der eine stellt sich die Liste zuhause zusammen, der andere vor Ort.
Aber, dass du dir “keine Sehenswürdigkeiten anschaust”, ist dann doch eher nicht ganz wahr?
Dies ist ein Beispiel, wie es früher bei Moritz auf den Reisen aussah. Damals ist er eben von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gerannt. Nur heute ist das eben anders und er nimmt die Städte und Länder anders wahr.
Viele meiner Freunde verstehen nicht, wie meine Freundin und ich unsere “verrückten” Reisen machen und dabei “so wenig von der Stadt sehen” können. Wir haben am Ende viel mehr gesehen als der 08/15 Tourist, der einfach nur seine 10 Sehenswürdigkeiten abklappert und dann fertig ist, wir haben die Stadt nicht nur gesehen, wie haben sie “erlebt”.
Meine Familie hat schon von Beginn an immer auf hohe Individualität und das authentische Gefühl bestanden: meine Schwester und ich mussten immer in Landessprache bestellen und so lernten wir uns bereits im jungen Alter in allen Regionen die wir erlebten zurecht zu finden. Es war nicht viel was wir auf Spanisch konnten, brachte uns aber eine kostenlose Stadt-Rundfahrt von einer Taxifahrerin in Palma ein, während die anderen Gäste vom Kreuzfahrtschiff den Touristen-Schleppern in die Arme liefen.
Laufen und öffentliche Verkehrsmittel sind der beste Weg wie man die Stadt erleben kann und ein Teil von ihr wird. Die Hop-On-Hop-Off-Busse sind toll wenn man nur 4 Stunden in einer Stadt ist (was häufiger passiert als gedacht), aber man erlebt viel mehr wenn man einfach drauf los läuft (oder in L.A. mit dem Mietwagen los fährt).
Oft genug kamen wir in letzter Zeit am Flughafen an, wussten wo unser Hotel ist aber sonst rein gar nichts über die Stadt. Bestes Beispiel war unsere Reise nach Tel Aviv, bei der wir 24h vor Ankunft noch nicht einmal den Flug hin gebucht hatten. Es war einer der schönsten Städte-Trips meines Reiselebens, da es kein (bezahlbares) Handy-Netz gab, man musste sich mit Karten und Wegweisern durchschlagen und wir haben eine vollkommen unerwartete Gastfreundlichkeit erlebt, haben in Bäckereien die nie Touristen sehen die halbe Auslage durchprobieren können und Busfahrer haben Kollegen die Englisch konnten angerufen, damit sie uns fragen konnten wo wir aussteigen müssen.
All dies wäre uns mit einem Pauschalurlaub nie passiert und genau so wird jede meiner Reisen aussehen die im kommenden Jahr noch folgt.
Ich sehe das mittlerweile auch so, wirklich die Augen geöffnet hat mir da unsere USA Rundreise. Wir sind natürlich anfangs auch von einem Highlight zum anderen geeilt, um möglichst alles zu sehen.
Nach ein paar Tagen waren wir schon so gestresst, das wir uns dachten, hey wir haben Urlaub. Also haben wir uns auch einfach mal an den Strand gesetzt und haben die Gedanken schweifen lassen, oder sind abends durch ein kleines Dörfchen geschlendert, haben ein nettes Restaurant besucht und uns dort sogar noch mit einem Pärchen nett unterhalten.
Ich finde auch, ein paar Highlights die einen persönlich ansprechen kann man gerne mitnehmen, aber es sollte dabei nie Hektik entstehen oder man das Gefühl haben etwas “verpasst” zu haben.
Außerdem hat man dann ja einen Grund nochmal wieder zu kommen.
Erfrischender Artikel, vielen Dank, Moritz!
Und angenehmerweise auch keine Amex-Werbung…
LG, Thomas
Wie wahr, das was Moritz geschrieben hat und das was Sebastian geschrieben hat. Jeder wie es ihm gefällt. Bei mir macht’s die Mischung. Die ein oder andere Sehenswürdigkeit ist interessant aber jedes Museum, jede Kirche, jedes Schloss… ne, brauche ich auch nicht. Das einheimische Leben – und da fühle ich die Andersartigkeit eines fremden Landes – findet in den Seitenstraßen statt. Z.B. Habe ich dies in Venedig genauso gemacht. Und der Crand Canjon ist so beeindruckend, wie sooft die Natur, dass es mich ergreift, wenn ich so etwas in Echt sehen kann. Aber was mir etwas gibt, muss für einen anderen garnichts sein.
Es ist schön, sich auch mal Gedanken jenseits der hard facts des Reisens – Meilen, Deals, Kreditkarten- zum Reisen an sich zu machen. Das hat Tradition, machte schon Goethe auf seiner (ca. zweijährigen!) italienischen Reise.
Wie man auf Reisen und mit einem Ort glücklich wird, bleibt jedem selber überlassen. Nur wissen es viele leider anscheinend nicht (s. Zitat am Grand Canyon). Ich wurde es z.B., als ein guter Freund und ich zum Sonnenaufgang am Rand des Grand Canyons saßen und in der unglaublichen Stille -keine Menschen weit und breit und wir redeten mehrere Stunden kein Wort- und in Anbetracht der majestätischen Natur zur ein oder anderen persönlichen Erkenntnis kamen. Dazu kann man aber auch bei der Betrachtung von einem Meisterwerk im Louvre kommen oder bei ganz anderer Gelegenheit. Es hilft nur ungemein, wenn man dabei nicht von selfiejagenden drängenden Horden umringt ist, die die Magie des Ortes leider ungenutzt an sich vorbeiziehen lassen…
Ich fühl mich sehr inspiriert durch den Artikel, teile ich doch die Herangehensweise ebenso. Danke dafür.