Die norwegische Fluggesellschaft Norwegian ist trotz gravierender finanzieller Probleme vorerst gerettet und erhält Staatshilfe. In einem so einzigartigen Verfahren sind verschiedene Leasinggesellschaften in diesem Prozess zum Mehrheitseigner geworden.

Norwegian ist ein Kunststück gelungen, dass wohl kaum jemand der Airline zugetraut hatte. Trotz enormer Schulden schon vor der Krise, hat die Fluggesellschaft sich vorerst gerettet – allen düsteren Zukunftsaussichten zum Trotz. Gelungen ist das durch einen Deal mit den Gläubigern der Airline, die einer Umwandlung von Schulden in Anteile zugestimmt haben. Besonders kurios daran: Durch diesen Prozess sind die Leasinggesellschaften gemeinsam zum Mehrheitseigner von Norwegian aufgestiegen.

AerCap, BOC Aviation, Avolon und DP Aircraft übernehmen Anteile

Ungewöhnliche Krisen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Am Beispiel von Norwegian zeigt sich das eindrucksvoll, denn das kriselnde Unternehmen hat es doch eher überraschend geschafft, das Überleben weiter zu sichern. Erst im März hatte die Airline alle Langstrecken gestrichen und viele Mitarbeiter entlassen, später sogar eine Insolvenz für Tochtergesellschaften in Dänemark und Schweden angemeldet. Trotz gleichzeitig sehr düsterer Zukunftsaussichten mit einem Plan, die meisten Jets noch mindestens ein Jahr am Boden zu lassen, hat Norwegian den Aktionären einen tollkühnen Rettungsweg vorgeschlagen – mit gravierenden Verlusten für eben diese. Mittlerweile ist klar, dass das Wunder tatsächlich gelungen ist, denn nach der Zustimmung der Aktionäre ist jetzt bestätigt, dass auch die Gläubiger das Vorhaben gutheißen.

Norwegian 787-9 3

Dass der norwegischen Airline das gelungen ist, darf man durchaus als überraschend bezeichnen, denn Norwegian hatte die eigenen Aktionäre zu einer enormen Verwässerung gedrängt. Damit aber nicht genug, denn die Gläubiger mussten ihre Schulden in Aktienkapital der Airline umwandeln. Dies ist besonders insofern eine Kuriosität, als die größten Gläubiger von Norwegian allesamt Leassinggesellschaften für Flugzeuge sind. Dies führt jetzt dazu, dass Marktführer AerCap aus Irland neuer Mehrheitseigentümer ist. Relevante Anteile halten auch BOC Aviation aus China, Avolon und DP Aircraft. Dazu kommen zahlreiche kleinere Gläubiger, die ebenfalls gezwungenermaßen zu Anteilseignern der Fluggesellschaft werden.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, haben die Leasinggesellschaften dem Deal nicht gerade gerne zugestimmt. Man habe sich für die “am wenigsten unangenehme” Option entschieden und sich so in eine außergewöhnliche Situation begeben. Das Problem für die Gesellschaften liegt dabei auf der Hand: Bei einer Pleite von Norwegian würden sie das geschuldete Geld sowieso nicht zurückerhalten, dafür allerdings gälte es für die über 150 Maschinen der Norweger einen neuen Besitzer zu finden – in aktuellen Zeiten ein Ding der Unmöglichkeit, da keine Fluggesellschaft aktuell zusätzliche Jets leasen möchte. AerCap & Co konnten also nur verlieren und haben sich deshalb auf den kuriosen Deal eingelassen. Damit sind erstmals Leasinggesellschaften Haupteigentümer einer europäischen Airline.

Deal mit Leasingfluggesellschaften macht Weg für Staatshilfen frei

Dass sich die großen Leasinggesellschaften auf den Deal mit Norwegian eingelassen haben, ist für die Airline nicht nur wegen der Umwandlung der Schulden entscheidend. Die Zahl der Aktien wächst durch die Vereinbarung allerdings von 163 Millionen auf nun mehr über 3 Milliarden, womit der Wert für bestehende Aktionäre ins Bodenlose fällt. Allerdings erhält Norwegian so noch einmal die Chance, am Leben zu bleiben. Durch die erfolgreiche Restrukturierung der Schulden erhält die Airline Zugriff auf ein Kreditsicherungsfonds der norwegischen Regierung, welcher insgesamt 3 Milliarden NOK (etwa 275 Millionen Euro) schwer ist. Zuvor hatte die Airline bereits 300 Millionen NOK (etwa 27,5 Millionen Euro) als direkte Hilfen vom Staat erhalten.

Mit dem Geld möchte Norwegian die Liquidität sichern und Sorge tragen, dass der Betrieb langsam wieder hochgefahren wird. Allerdings wird die Airline wohl so schnell nicht wieder die alte Größe erreichen. Vorerst plant Norwegian nur mit einigen Strecken in Nordeuropa, danach folgen vermutlich wichtige Routen ab den Hubs in Nordeuropa zu anderen Zielen in Europa. Nach den Plänen der Airline soll es Langstrecken frühestens wieder im Jahr 2021 geben. Voraussichtlich wird Norwegian den Betrieb dann auch auf weniger Flughäfen konzentrieren. Die meisten Mitarbeiter hat Norwegian aktuell noch in Norwegen und Großbritannien. In beiden Ländern erhält die Airline eine Art Kurzarbeitergeld, womit die Personalkosten gewissermaßen ebenfalls vom Staat übernommen werden.

Fazit zum verrückten Deal zur Rettung von Norwegian

Die Zukunft von Norwegian sah schon vor der Krise nicht gerade rosig aus, dennoch ist der Airline eine wirklich spektakuläre Rettung gelungen. Mit dem Share-Deal mit den Leasinggesellschaften entsteht nun ein äußerst kurioses Konstrukt, auf dass sich die Gläubiger einlassen mussten. Ob Norwegian mit den staatlichen Hilfen, die nun freigegeben sind, allerdings den Turnaround schafft, weiß aktuell niemand sicher vorauszusagen. Klar ist, dass die Airline den Betrieb nur sehr langsam wieder hochfahren möchte.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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    • Das ist ja passiert. Die bisherige Norwegian (bisherige Aktionäre halten 100% der Aktien) gibt es nicht mehr, nur noch den Namen. Bei der neuen Norwegian halten die Leasinggesellschaften 2,84/3 Mrd/Mrd = 95% der Anteile. Wettbewerb und Arbeitsplätze bleiben erhalten.

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