Die amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration möchte Airlines dazu motivieren, die eigenen Fluggäste vor Abflug zu wiegen, um besser planen zu können.
Um die richtige Treibstoffmenge für die Flugzeuge zu berechnen, kalkulieren Airlines seit jeher mit einem Durchschnittsgewicht der Passagiere. Dabei kann es allerdings oftmals zu Abweichungen kommen und auch Durchschnittswerte verändern sich im Laufe der Zeit, weshalb die FAA amerikanische Airlines dazu aufruft, die eigenen Passagiere beim Check-In zu wiegen, um die mitgeführte Treibstoffmenge genauer zu berechnen, wie aerotelegraph berichtet.
Finnair als Vorreiter für das Wiege-Prozedere
Die finnische Fluggesellschaft Finnair gilt als Vorreiter in Sachen Passagiere wiegen, denn die Airline hat im Jahr 2017 bereits als Pilotprojekt Fluggäste auf die Wage gestellt, um zu erforschen, ob die Richtwerte, mit denen Airlines rechnen, überhaupt realistisch sind. Die amerikanische FAA hat dann etwas später, im Sommer 2019, Vorschläge geliefert, wie Airlines eigene Werte für das Körpergewicht erheben und somit präziser rechnen könnten. Mittlerweile rückt eine Umsetzung durch die Airlines immer näher.
Als Alternative zum Wiegen auf der Personenwaage könnten die Fluggesellschaften die Reisenden auch vor der Reise nach ihrem Gewicht fragen und jeweils ein paar Kilos für die Kleidung hinzu addieren. Die FAA rät, bei Unsicherheiten oder fälschlichen Aussagen das Gewicht nach Augenmaß einzuschätzen. Das Wiegen sowie die Befragung nach dem Gewicht zählen als vertrauliche Daten und gelten als sehr intim, weshalb in beiden Fällen gilt: Die Teilnahme ist freiwillig. Sollte ein Passagier nicht über die eigenen Körpermaße sprechen wollen, werde auf eine Schätzung verzichtet und ohne aufdringlich zu wirken direkt per Zufallsprinzip der nächste Teilnehmer ausgewählt.
Ein Betreiber, der sich dafür entscheidet, Fluggäste im Rahmen einer Erhebung zu wiegen, sollte darauf achten, die Privatsphäre der Fahrgäste zu schützen. […] Die Anzeige der Waage sollte vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
Ein Sprecher der Federal Aviation Administration
Als Hauptgrund für das Wiegen der Passagiere nennt die FAA die ungenauen und nicht aktuellen Durchschnittswerte, die Airlines bislang für ihre Berechnungen und Kalkulationen verwenden. In den USA stieg der Anteil der fettleibigen Männer mit einem Body-Mass-Index von 30 und höher seit 1960 von zehn auf über 40 Prozent. Deshalb wiegt der durchschnittliche amerikanische Mann heute 90 Kilogramm – vier Kilogramm mehr als noch vor 20 Jahren. Bei den Frauen sieht es diesbezüglich nicht anders aus. Doch Übergewicht und Fettleibigkeit sind nicht mehr nur ein Problem in Nordamerika, sondern weltweit, weshalb davon auszugehen ist, dass sich die Durchschnittswerte bezüglich des Gewichtes immer weiter nach oben verschieben werden und die Zahlen der Airlines somit nicht mehr mit der Realität übereinstimmen.
Freiwillige Teilnahme für Passagiere
Die Fluggäste werden natürlich nicht gezwungen, sich vor dem Check-In wiegen zu lassen. Das hängt unteranderem damit zusammen, dass die Themen Bodyshaming und Diskriminierung im 21. Jahrhundert so präsent wie nie zuvor sind. Das Vorhaben trifft bereits auf harsche Kritik, da das Wiegen der Passagiere als rückschrittlich hinsichtlich der zahlreichen aktuellen Debatten und Aufklärungsversuche zum Thema Toleranz und Schönheitsideale angesehen wird.
Allerdings liegt hier der springende Punkt: auch wenn man die Bedenken über Bodyshaming nachvollziehen kann, geht es den Airlines einzig und allein um das Gewicht der Passagiere und deren Gepäck, um, wie oben erwähnt, die benötigte Menge an Treibstoff ermitteln zu können. Die Fluggesellschaften betrachten in dieser Hinsicht also nicht den Menschen an sich oder dessen Körpermaße. Es spielt keine Rolle, ob der Passagier laut BMI, der bekanntermaßen sowieso nichts über das Krankheitsbild “Übergewicht” aussagt, als fettleibig oder untergewichtig gilt.
Um diese Bedenken aus dem Raum zu schaffen, hat ein britisches Startup im Jahr 2019 mit im Boden verbauten Sensoren zur Gewichtsmessung eine elegantere Lösung anstelle der gewöhnlichen Personenwaagen entwickelt. Die Platte wird vor einem Touchscreen beim Self-Check-In verbaut und die Passagiere müssen am Monitor eigenhändig bestätigen, dass sie auf der Platte stehen, damit die Gewichtsmessung starten kann. Nach Zustimmung wird das Gewicht dann automatisch digital erfasst und für die Berechnungen gespeichert. So könne verhindert werden, dass sich Personen unwohl fühlen würden, da niemand einen Blick auf die Zahl am Boden erhaschen könnte.
Die FAA betont ausdrücklich, dass das Wiegen auf freiwilliger Basis geschehen würde, damit sich Skandale aus der Vergangenheit nicht wiederholen werden. Im Jahr 2016 klagten Fluggäste gegen Hawaiian Airlines, da Reisende auf Flügen zwischen Honolulu und Pago Pago gewogen wurden, um Kerosin zu sparen. Die Klage scheiterte allerdings. Ganz kritisch verlief ein solches Projekt im Jahr 2015, als Uzbekistan Airways eine generelle Pflicht zum Wiegen für alle eingeführt hatte und Samoa Air die Ticketpreise sogar vom Gewicht der Passagiere abhängig machte. All diese Geschehnisse brachten das Fass wohl zum überlaufen, weshalb derartige Projekte vor allem im heutigen Zeitalter mit Vorsicht zu genießen sind.
Fazit über das Wiegen von Passagieren
Die Gewichtsmessung von Fluggästen ist ein sehr umstrittenes Thema. Während das Prozedere bei Helikopter-Flügen und Kleinflugzeugen schon gang und gäbe ist, haben Andere das Vorhaben als Diskriminierung eingestuft. Grundlegend sieht die Messung allerdings nur Eines vor: die präzise Erfassung von korrekten Gewichtsangaben, die für das Startgewicht eines Flugzeuges und die mitgeführte Treibstoffmenge äußerst relevant sind. Sollte es zu Fehlkalkulationen kommen, könnten im Extremfall entweder weniger Menschen mitfliegen oder es müsste Fracht ausgeladen werden. Das alles könnte allerdings mit neuen Durchschnittsgewichten verhindert werden, weshalb man das Vorhaben nicht allzu schnell verurteilen sollte.