Schon vor einigen Tagen haben wir berichtet, dass ein Streik der Flugbegleitergewerkschaft UFO kurz bevorstehen könnte. Die andauernden Differenzen zwischen den Parteien könnten die Gewerkschaft in der Sommersaison zum Aufruf eines Streiks verleiten, der mehrere tausend Flüge ausfallen lassen und damit potenziell hunderttausende Passagiere auf dem Boden halten könnte. Der wirtschaftliche Schaden könnte 100 Millionen Euro und mehr betragen.
Wir haben auf Basis bisheriger Streiks versucht herauszufinden, welche Auswirkungen ein solcher Streik genau haben könnte und sind zu einem verheerenden Ergebnis gekommen.
Mehrere Tausend Flugbegleiter könnten durch Streik den Luftverkehr komplett lahmlegen
Schon Anfang Juli könnte es zu Streiks kommen, wie die UFO auf Ihrer Webseite am 20. Juni ankündigte. Dabei könnten ab Anfang Juli zuerst Eurowings und später auch die Kernmarke Lufthansa und weitere Töchter bestreikt werden. Wie aber kann man sich einen Streik der Flugbegleiter genau vorstellen und wie sehen die Folgen aus? Um das herauszufinden, haben wir als Basis bisherige Flugbegleiter-Streiks genommen, Veränderungen der Luftfahrtindustrie und saisonale Effekte mit einbezogen, um ein mögliches Bild von den Auswirkungen der Streiks zu zeichnen.
Der letzte große Streik der Flugbegleitergewerkschaft UFO erfolgte im Jahr 2015 und führte über einen Zeitraum von einer Woche zum Ausfall von knapp 4.700 Flügen, wie der Spiegel damals berichtete. Über eine halbe Million Passagiere strandeten damals ohne Flugverbindung auf dem Weg in den Urlaub oder zum Geschäftstermin. Nachdem über Tage gestreikt wurde, untersagte ein Arbeitsgericht in Düsseldorf sogar das weitere Niederlegen der Arbeit am Flughafen Düsseldorf.
2012 streikten Flugbegleiter am Flughafen Frankfurt für einige Stunden und legten den Flugbetrieb komplett lahm. Rund 1.200 gestrichene Flüge betrafen über 100.000 Passagiere und führten laut Experten zu einem Schaden von über 20 Millionen Euro, wie das Portal Streikradar zeigt.
Allerdings gibt es im Vergleich zu damals heute einige Unterschiede, die die Auswirkungen noch deutlich gravierender aussehen lassen würden. Zuerst einmal ist der Luftverkehr seit 2015 massiv gewachsen. Während in Deutschland 2015 194 Millionen Passagiere ans Ziel gebracht wurden, waren es 2018 über 222 Millionen (Quelle: Statista). Dazu kommt, dass bei diesem historisch größten Streik in der Geschichte im Monat November die Arbeit niedergelegt wurde. Was die Passagierzahlen angeht, eine völlig andere Sache als der Juli, in dem die kommenden Streiks geplant sind. Eine Statistik der deutschen Flugsicherung zeigt, dass im Juli 2016 im knapp 30 Prozent mehr Passagiere flogen als im November. Dazu kommt, dass beim damaligen Streik nur die Kernmarke Lufthansa bestreikt wurde, nicht aber die Töchter. Dies wäre in diesem Jahr in jedem Fall anders, wie die UFO bereits bestätigt hat.
Millionen Passagiere könnten auf dem Weg in den Urlaub stranden
Die geschilderten Rahmenbedingungen zeigen klar, wie verheerend ein Streik der Flugbegleiter in der angekündigten Art und Weise sein könnte und worauf sich Reisende im Juli eventuell einstellen müssen. Wenn ein Streik im November nur bei der Kernmarke Lufthansa vor vier Jahren schon zu einer halben Million gestrandeten Passagieren geführt hat, ist davon auszugehen, dass eine Million Passagiere ohne Flugverbindung eher um unteren Rand der Schätzung sein sollten. Ähnlich äußerste sich auch der ehemalige Vorstand der UFO, Nicoley Baublies, im Gespräch mit reisetopia: “Die Sorge, dass die Streiks härter werden als bisherige, ist auf jeden Fall nicht unberechtigt.”
Genauere Zahlen zu schätzen, würde zu vielen Schätzungen und unvorhersehbaren Faktoren wie etwa der genauen Anzahl der Flugbegleiter die Streiken oder der Verhandlungsbereitschaft der Lufthansa unterliegen, weshalb wir darauf verzichten möchten. Klar ist allerdings, dass der deutsche Luftverkehr vor einem Komplett-Ausfall steht, sollte die Flugbegleiter-Gewerkschaft ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen. Gerade in der Sommerferien-Zeit wären zudem nicht nur Geschäftsreisende, sondern auch viele Familien betroffen, die auf dem Weg in den Jahresurlaub sind. Besonders gravierend wären die Folgen aber natürlich für diejenigen, die gerade aus dem Urlaub zurückkehren und dann möglicherweise mehrere Stunden oder gar Tage auf einen neuen Flug warten müssen.
Wirtschaftliche Folgen ebenfalls verheerend
Ganz zu schweigen davon, dass Millionen Passagiere Ihren Weg in den Urlaub nicht nutzen können und stranden, ist auch der wirtschaftliche Schaden riesig. Der Deutsche Reiseverband (DRV) hatte die angekündigten Streiks bereits scharf kritisiert, wahrscheinlich auch nicht nur aus Sorge um die Urlauber, wie wir herausfinden konnten. “Besonders für Reiseveranstalter kann eine solche Situation problematisch werden, da diese rechtlich dafür verantwortlich sind, für den Transport der Passagiere Sorge zu tragen. Fallen Flüge aus, ist der Veranstalter daher rechtlich verpflichtet für eine Ersatzbeförderung zu sorgen.” sagt uns Benedikt Quarch, Geschäftsführer des Flugrechte-Portals Geld-fuer-Flug.de.
Dazu kommt das Thema Fluggastrechte, denn obwohl Airlines sich generell auf außergewöhnliche Umstände berufen können, gelten diese laut einem BGH-Urteil nicht für Streiks, sodass die normalen Ausgleichszahlungen bei Annullierungen von Flügen je nach Strecke fällig werden können (wobei die Airlines sich bislang immer gegen die Auszahlung bei Streiks gewehrt haben):
- weniger als 1.500 Kilometer: 250 Euro
- weniger als 3.500 Kilometer: 400 Euro
- mehr als 3.500 Kilometer: 600 Euro
Bei Millionen von Passagieren handelt es sich hier potenziell um Kosten in Millionen, wenn nicht gar Milliardenhöhe. Generell nehmen nur geringe Teile der Passagiere die Fluggastrechte auch wahr, was sich durch zahlreiche Fluggastrechte-Portale aber fortlaufend ändert. Darüber hinaus ist bei einem solchen Streik auch immer wieder die Frage, ob dieser nicht doch als außergewöhnlicher Umstand gewertet werden kann. Nur wenn das bestreikte Unternehmen alle nötigen Vorkehrungen getroffen hat, um den Streik zu verhindern, ist dies der Fall. Die Entscheidung hierüber obliegt dann einem Gericht, wobei es hier bislang nur wenige Referenzurteile gibt. Lohnenswert ist eine Forderung der Fluggastrechte auf jeden Fall, da es wahrscheinlich ist, dass ein solcher Fall vom Gericht für den Passagier entschieden werden kann, wie uns Benedikt Quarch ebenfalls mitgetielt hat.
Allerdings wären die wirtschaftlichen Schäden auch unabhängig von den Fluggastrechten für die Lufthansa enorm. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage, die von kürzlichen Gewinnwarnungen und Kursverlusten an der Börse geprägt war, kommt dieser Umstand mehr als ungelegen.
Fazit zu den Flugbegleiterstreiks und deren Auswirkungen
In der aktuellen Presse wurde viel über den anstehenden Streik der Flugbegleiter berichtet, über die Folgen wurde allerdings selten gesprochen. Natürlich ist es schwierig, genaue Zahlen über den Schaden zu nennen, dennoch ist ein Blick auf die Umstände interessant. Verglichen mit dem wirtschaftlichen Schaden des verheerenden Streiks von 2015 könnte die diesjährige Arbeitsniederlegung die Lufthansa deutlich empfindlicher treffen. Ein wirtschaftlicher Schaden von mehr als 100 Millionen Euro ist vorstellbar und würde die Lufthansa genau so wie ihre Passagiere in eine unangenehme Lage bringen.
Von einem Komplett-Ausfalls des deutschen Luftverkehrs zu schreiben, halte ich für übertrieben. Klar, man wird den Streik schon empfindlich merken, aber es gibt inzwischen auch viel Konkurenz. Nach der Insolvenz von AirBerlin sind etliche Reiseveranstalter schon auf Easyjet, Ryanair und Tuifly umgestiegen, die dann weiter fliegen werden.
Guter Artikel! Ehrlich gesagt habe ich nicht ganz verstanden, wofür die Flugbegleiter dieses Mal überhaupt streiken. Als man sie durch Leiharbeitsfirmen ersetzen wollte, hatte ich großes Verständnis für die UFO, aber worum geht´s denn überhaupt diesmal? Würde den Artikel dahingehend noch ergänzen.
Wäre auch Lufthansa Regional betroffen?
Diesmal eine bewusst kurze Antwort von mir:
Streik in der Luftfahrt ist (leider) ein probates Mittel, um Interessen durchzusetzen, da die Auswirkungen verheerend sind. Streikt hingegen die Kindergärtnerin, kommt Lea eben einen Vormittag zu Omi.
Wie sieht es den mit den Wet leasing Flügen aus? Wir fliegen mit Eurowings allerdings werden die Flüge von TUIfly durchgeführt. Sind diese Flüge auch betroffen vom Streik?
Gibt es nur einen Streik bei Lufthansa & Co. oder auch bei Qatar?
Rafael,
die Gewerkschaft Ufo kann nur die Lufthansa & Co. bestreiken; über ausländische Airlines haben die keine Jurisdiktion.