Preisstrukturen bei Airlines sind oft undurchsichtig. Aufgeteilt in verschiedene Buchungsklassen kann ein und derselbe Sitzplatz etliche verschiedene Preise haben. Daneben arbeiten Airlines mittlerweile auch mit flexiblen Preisen wie es etwa bei der Lufthansa der Fall ist.

Dem Kunden will man Tickets damit zu einem Preis anbieten, den der jeweilige Kunde noch bereit ist zu zahlen. Trotzdem variieren die Preise lokal weiterhin stark. Ein Flug aus dem Ausland ist oft deutlich günstiger als Flüge ab Deutschland. Das seht Ihr auch bei uns immer wieder. Beliebte Abflugorte sind beispielsweise Skandinavien und Italien, aber auch Städte wie Budapest und sogar Amsterdam sind immer wieder für günstige Tickets zu haben. Dabei handelt es sich nicht etwa um besondere Verbindungen. Oft fliegt Ihr von einem dieser Orte über den jeweiligen Airline-Hub die exakt gleiche Route. Wollt Ihr beispielsweise mit der Lufthansa nach Singapur, ist ein Ticket ab Italien oft deutlich günstiger als direkt ab Deutschland.

Airlines haben bei der Preisermittlung ihre eigenen Regeln

Verständlicherweise entzieht sich dieser Umstand für viele jeglicher Logik. Schließlich fliegt Ihr effektiv mehr und erhaltet damit auch eigentlich mehr Leistung, wenn Ihr von Rom erst nach Frankfurt und dann nach Singapur fliegt als auf einem direkten Flug von Frankfurt nach Singapur. Aber die Preisstrukturen der Airlines richten sich nicht rein nach den anfallenden Kosten. Eine wichtige Rolle spielen Märkte. Für die Lufthansa ist Deutschland beispielsweise der größte und wichtigste Markt, schließlich sind die Hubs der Airline hier beheimatet. Italien ist für die Airline ein eher kleinerer Markt, in dem die Nachfrage etwas geringer ist als auf dem deutschen Markt. Entsprechend werden hier oft günstigere Tickets angeboten.

Finnair Business Class Langstrecke Sitz 2
Wer nonstop reisen will, zahlt oft einen höheren Preis für sein Ticket

Der zweite wichtige Punkt, der für die Preisberechnung der Airlines eine Rolle spielt, ist der Komfort der Reisenden. Soweit möglich würde wohl der Großteil aller Reisenden eine Direktverbindung bevorzugen. Das wissen auch Airlines und schlagen entsprechend häufig teils erhebliche nonstop-Zuschläge auf Ihre Flugpreise auf. Das wiederum führt dazu, dass ein Flug von Frankfurt nach Singapur mitunter fast doppelt so teuer sein kann wie ein Flug von Italien über Frankfurt nach Singapur, obwohl Ihr von Frankfurt nach Singapur im gleichen Flieger sitzt, für den Ihr nonstop deutlich mehr gezahlt hättet.

Immer mehr Kunden versuchen Schlupflöcher zu finden

Wenig verwunderlich also, dass sich mit der Zeit Strategien entwickelt haben, dieses Vorgehen der Airlines zu umgehen. Geschäftsreisende leiden beispielsweise oft darunter, dass Hin- und Rückflug am gleichen Tag deutlich teurer sind als ein Rückflug am Folgetage. Als Lösung hat sich das Crossticketing entwickelt, bei dem man quasi zwei Hin- und Rückflüge bucht. Müsst Ihr am 15. März um 7 Uhr von Hamburg nach München und zurück um 18 Uhr wird ein beliebiger Hinflug für den 8. März mit Rückflug am 15. des Monats um 18 Uhr, und ein Hinflug für den 15. März um 7 Uhr, mit beliebigen Rückflug am 22. des Monats gebucht. Zwei der Flüge lässt man dann verfallen und nimmt nur die Flüge um 15. März in Anspruch. Tatsächlich ist genau das oft wesentlich günstiger als Hin- und Rückflüge am gleichen Tag.

Flughafen München
Auch Geschäftsreisende kommen auf kreative Ideen um Geld zu sparen

Möglichkeit zwei ist den meisten wohl besser bekannt und einige von Euch haben vielleicht sogar schon selbst von ihr Gebrauch gemacht: das Hidden City Ticketing. Hier wird die Problematik von oben aufgegriffen, dass Flüge ab anderen Regionen oft wesentlich günstiger sind als direkte Flüge. Gebucht wird also ein Flug von Rom über Frankfurt nach Singapur. Geflogen werden soll aber nur das Segment zwischen Frankfurt und Singapur, was schon aktuell nicht möglich ist, da die Airline bei einem verfallen Segment alle weiteren Flüge streichen. Was aber aktuell noch funktioniert ist der folgende Fall:

  • Rom – Frankfurt
  • Frankfurt – Singapur
  • Singapur – Frankfurt
  • Frankfurt – Rom

Lasst Ihr den letzten Flug verfallen, hattet Ihr bislang meist nichts zu befürchten und konntet so in Frankfurt aussteigen. Gerade in Premium-Klassen wie der Business und First Class ist dieser Weg seit jeher beliebt, denn durch den Abflug im Ausland lassen sich bei Hin- und Rückflügen oft hunderte, teilweise auch tausende Euro sparen. Manch einer verbindet den Abflug im Ausland dazu gerne mit einer Städtereise, will beim Rückflug aber nicht zurück an denselben Ort und lieber direkt in Deutschland “aussteigen”.

Airlines suchen nach Wegen der Umgehung entgegenzuwirken

Um dieser Vorgehensweise entgegenzuwirken, haben viele Airline mittlerweile besondere Absätze in ihren Beförderungsbedingungen, wonach alle Segmente des Tickets geflogen werden müssen. Tut Ihr das nicht, kann Euer Folgeticket storniert werden oder Ihr dürft nur nach Zahlung einer Strafe weiterfliegen. Nehmen wir unser Beispiel und Ihr wollt statt in Rom erst in Frankfurt den Flug antreten, kann es gut sein, dass man Euch in Frankfurt Gebühren nachberechnet, weil Ihr das erste Segment nicht geflogen seid. Dass Airlines solche Nachberechnungen grundsätzlich vornehmen dürfen, um ein „Unterlaufen“ ihrer Ticketsysteme zu verhindern, hat der BGH 2010 in einem Urteil festgestellt.

Weniger problematisch war es bisher, das letzte Segment verfallen zu lassen. Es ist vergleichsweise einfach, auf dem Rückweg bereits in Frankfurt die Reise zu beenden. Die Handhabe für die Airlines ist hier sehr eingeschränkt. Euch die Weiterreise zu verweigern oder nur gegen Zahlung einer Gebühr zu gewähren, bringt der Airline nichts, schließlich wollt Ihr ja gerade am Zwischenstopp aussteigen. Doch möglicherweise wird auch dieser beschriebene Weg bald nicht mehr funktionieren, denn die Lufthansa macht als erste Airline gegen diese Praxis mobil.

Lufthansa geht weitere rechtliche Schritte

Die Lufthansa möchte sich dieses Vorgehen der Passagiere künftig auch nicht mehr gefallen lassen. Wer einen Teil seiner gebuchten Verbindung verfallen lässt, soll eine Nachzahlung leisten – unabhängig davon, um welches Flugsegment es sich dabei handelt. Dass es die Lufthansa damit ernst meint, bekam ein Passagier bereits zu spüren. Die Lufthansa klagte die Nachzahlung wegen des Verfallen Lassens ein. Zwar wurde die Klage im Dezember vom Amtsgericht Berlin-Mitte abgewiesen, die Airline bleibt aber hartnäckig und hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Lufthansa a320

Zwar folgten die Berliner Richter der Ansicht des BGH und räumen der Lufthansa Maßnahmen ein, ihr Tarifsystem zu schützen, im konkreten Fall sei aber nicht nachvollziehbar, wie sich die Nachforderung zusammensetze, die man von dem Passagier forderte. Entsprechend ist man sich auch recht einig darüber, dass das Urteil auch in einer höheren Instanz Bestand haben wird. Auf Basis der aktuellen Beförderungsbedingungen ist zu undurchsichtig, welchen Berechnungsgrundsatz die Lufthansa den Nachforderungen zugrunde legt.

Klage wird wohl kein Einzelfall bleiben

Gleichwohl rechnen Branchenkenner mit einem vermehrten Aufkommen von Klagen in der nächsten Zeit. Allein ein solcher rechtlicher Schritt hat eine abschreckende Wirkung und ist mit Aufwand verbunden, den sich viele wohl lieber ersparen möchten. Ganz klar, die Airlines wollen das ausnutzende Verhalten der Passagiere unterbinden, notfalls auch vor Gericht. Dabei ist man sich einig darüber, dass Airlines nachberechnen dürfen, wenn Passagiere mutwillig Segmente ausfallen lassen. Bislang mangelt es eben nur an einer nachvollziehbaren Berechnungsgrundlage für die Nachberechnung. Zudem ist es in sehr vielen Fällen schwierig, nachzuweisen, dass ein Passagier einen Flug mutwillig hat ausfallen lassen.

Die Ausnahme: Reisepläne ändern sich unvorgesehen

Anders sieht das Ganze aus, wenn sich die Reisepläne tatsächlich unvorhergesehen ändern und man ein Segment nicht antreten kann. Dann liegt in der Regel kein Versuch vor, die Bestimmungen der Airlines zu umgehen. Die Schwierigkeit liegt dann allerdings darin, der Airline genau das verständlich zu machen. Der Kurs, den aktuell etwa die Lufthansa fährt, deutet nicht darauf hin, dass man in Zukunft für solche Fälle ein offenes Ohr haben wird.

Flughafen Stock

Tatsächlich muss an dieser Stelle aber auch gesagt werden, dass etliche Reisende versuchen werden, diesen Fall auszunutzen und den Airlines damit reichlich Arbeit bescheren werden. Man sollte sich als Passagier also schon aus Respekt vor anderen Passagieren fragen, ob man versuchen will, dieses Schlupfloch auszunutzen, obwohl man Segmente mutwillig ausfallen lassen will. Häufen sich künftig Anfragen der Art, dass unvorhergesehene Gründe den früheren Ausstieg erklären, werden die Airlines noch weniger mit sich reden lassen. Dann hilft nur noch der Rechtsweg, da sind sich Experten einig. Das gilt dann auch für jene Passagiere, die das Segment tatsächlich unvorhergesehen nicht antreten konnten.

Widerstand gegen das Vorgehen der Airlines

Innerhalb der EU regt sich derweil ein gewisser Widerstand gegen diese „No-Show“ Nachzahlungen. Gleich in mehreren Ländern will man Klauseln, die den Airlines erlauben, nachträgliche Zahlungen von Passagieren zu fordern, verbieten lassen. Auch in der Schweiz hat sich eine Interessensgruppe hierfür gebildet. Die Verbraucherzentrale in Deutschland sieht derweil aber keinen Handlungsbedarf. Durch das Urteil des BGH aus dem Jahr 2010 gebe es in Deutschland eine rechtliche Richtung, die es in anderen Ländern so nicht gebe.

In Tschechien verfolgt man aktuell noch einen anderen Ansatz. Das Online-Reisebüro kiwi.com verspricht einen Schutz, wenn die Airline versucht, Klage gegen einen Kunden zu erheben. Sollte es zu einer Klage seitens der Airline wegen Hidden City Ticketing kommen, übernimmt das Unternehmen die anfallenden Kosten aus juristischen Schritten.

Aus einer Informations-Mail von kiwi.com:

“With the recent news that airlines are continuing to sue their own customers, we’re extending our protection. Now, if you book an itinerary with Kiwi.com and an airline unreasonably decides you’re in breach, we’ll reimburse the amount claimed back, your legal costs, or provide assistance.

We will provide You with the below-specified assistance in situations when a legal claim is brought against You by the Selected Carrier in relation to Your Booking due to the alleged breach of the Selected Carrier’s contractual clauses which are considered as unbalanced, disproportionate and/or abusive. These conditions include, among others, the practices commonly known as “throw-away”, “back to back” and “hidden city” ticketing. We believe that these and similar contractual clauses are disproportionate and thus shall not enjoy legal protection.

In case the Selected Carrier brings a lawsuit against You claiming a breach of these contractual clauses, We will:

(1) Reimburse You the costs of Your legal expenses related to such legal proceedings; or

(2) Assist You in the legal proceedings and provide You with the aid of Our legal advisors who are experienced with claims of this nature; or

(3) Reimburse You the amount claimed by the Selected Carrier in relation to the alleged breach of its contractual clauses.

The choice of the appropriate and most suitable method and scope of Our assistance will be done upon Our discretion following a previous consultation with You.

In order to provide You with the above-specified assistance, We need You to contact Us immediately after You are contacted by the Selected Carrier when they claim such a breach. And You must provide Us with all the relevant information and necessary cooperation so that We are able to find the appropriate solution to Your situation both timely and accurately.”

Das Reisebüro ist nicht unbekannt und hat schon mit einigen innovativen Features auf sich aufmerksam machen können. Trotzdem ist zweifelhaft, inwieweit man diesem Versprechen tatsächlich nachkommen kann, insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Rechtslagen und Rechtssysteme allein in Europa.

Fazit zum Kampf der Airlines gegen ausgefallene Flugsegmente

Dass Airlines ein undurchsichtiges Preissystem nutzen und gerade weniger starke Märkte oft mit attraktiven Angeboten locken, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Wer sich für ein solches Angebot entscheidet, sollte sich aber auch mit den möglichen Konsequenzen vertraut machen, wenn er eines der Segmente verfallen lässt. Dass Airlines in einem solchen Fall nachberechnen dürfen, steht sowohl für den BGH als auch für den Verbraucherschutz außer Frage. Lediglich an dem Konzept der Nachberechnung scheitert es seitens der Airlines aktuell noch. Unklar ist zudem, ob die Airline nachweisen muss, ob ein Passagier einen Flug hat mutwillig verfallen lassen – gerade dass könnte für die Fluggesellschaft nämlich sehr schwierig werden.

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Autor

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  • Hallo
    Bin gerade in Saigon. Mein Rückflug geht Anfang Februar zurück mit der Edelweiss nach Paris über Zürich. Nun möchte ich in Zürich aussteigen und weiter nach Berlin fliegen. Fliege nur mit Handgepäck. Sollte ich dies beim Check in in Saigon erwähnen ?
    Könnte es Schwierigkeiten geben das man mich von Zürich nach Berlin nicht mitnimmt, da ich das letzte Segment nach Paris ja nicht anzrete?
    Vielen Dank für eure Antworten

    • Hallo Tino, das Thema hatten wir schon ein paar Mal. Eine wirklich richtige Antwort darauf gibt es leider nicht. Im Normalfall sollte das unproblematisch sein, die Beförderungsbedingungen sprechen allerdings das “Recht” auf Nachberechnung zu – ob das dann vor Gericht haltbar wäre, ist wiederum etwas anderes. Ich persönlich würde es versuchen, aber komplett “sicher” ist das leider nicht.

  • Ich vertrete da eine andere Rechtsauffassung. Wieso sollte man mehr bezahlen, wenn man weniger Leistung in Anspruch nimmt? Das ist eine unangemessene Benachteiligung des Passagiers, wie in diesem Interview von dem Rechtsanwalt Dr. Böse dargelegt wird: https://www.frankfurtflyer.de/lufthansa-verklagt-no-show-passagier-interview-mit-dr-matthias-boese/

    Auch bezüglich des Umweltschutzes sollte die Praxis von günstigeren Tickets bei mehr Flügen (und teilweise großem Umweg) verboten werden. Da müssen die Fluggesellschaften einfach anders kalkulieren. Dann kann die Lufthansa auch nicht mehr so Wucherpreise ab Frankfurt oder München aufrufen.

    • Hallo Jonas, es gibt da sicherlich andere Auffassungen, aber die Idee, dass aus “Gründen des Umweltschutzes” eine solche Praxis verboten werden sollte, mag zwar auf den ersten Blick nach einem edlen Motiv klingen, wenn du im Gegenzug erwartest, dass keine “Wucherpreise” mehr ab Frankfurt oder München aufgerufen würden, täuscht du dich meiner Meinung nach aber grundlegend. Wenn die Konkurrenz durch eine solche Regelung beschnitten wird, steigen die Preise zwangsläufig – nicht nur in Deutschland, sondern überall.

  • War es nicht auch gängige Praxis das letzte Segment aufgrund des berühmten “Unwohlseins” geplant verfallen zu lassen? Wird wohl auch nicht mehr funktionieren, wenn es gehäuft bei einem Passagier auftritt, ich denke allerdings nicht, dass die Lufthansa beim Thema Gesundheit ein Risiko eingeht.

    • Hallo Sebastian, ich glaube nicht, dass die Lufthansa hier groß etwas tun würde. Es geht wohl eher um die Fälle, wo von Anfang an klar ist, dass es nicht weitergehen soll, weil eben schon weiterer Flug / Zug gebucht wurde (auch hier natürlich immer die Frage: wie kann die Lufthansa das überhaupt herausfinden?)

      • Herausfinden lässt es sich z.B. ganz einfach bei Gutschrift aller betreffender Flüge (auch wenn von verschiedenen Airlines durchführt) bei M&M. Ob das dann DSGV konform ist, wage ich zu bezweifeln.

  • Ist das Problem wenn man das letzte Segment verfallen lässt aber nicht auch, wie man an sein Gepäck kommt? Dies wird in der EU ja vermutlich bis zum letzten Flughafen durchgecheckt, oder?

    • Hallo Michael, selbstverständlich ist das ein weiteres Problem, sofern man denn mit Gepäck unterwegs ist. Ein sogenanntes “short checking” ist zwar manchmal, aber keineswegs immer möglich. Meist geht das nur bei Verbindungen über Nacht oder mit langem Aufenthalt – die man andererseits teilweise aber auch geschickt so hinzubuchen kann.

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