Es ist offiziell: Lufthansa und das italienische Finanzministerium melden Vollzug in der Übernahme von ITA Airways. Nur noch die Prüfung der EU-Kommission steht aus, ehe der Kranich die italienische Fluggesellschaft endlich an die Hand nehmen darf.

Die Tinte dürfte noch am Trocknen sein, doch die Verträge zwischen der Lufthansa, Italien und ITA Airways sind laut ersten Medienberichten unterzeichnet. Die Lufthansa darf damit vorerst knapp die Hälfte der Anteile an ITA Airways übernehmen, wie erste Details bereits vorab verraten haben. Dieser Anteil kann auf knapp 100 Prozent im Laufe der kommenden Jahre steigen. Ein zufriedenstellender Deal für alle Parteien?

Endlich?!

Endlich! Oder endlich? Das hängt davon ab, welche Argumente man im Rahmen der Übernahme von ITA Airways durch Lufthansa vertritt. Denn diese gingen in den vergangenen Wochen speziell weit auseinander. Bei der Jahreshauptversammlung der Lufthansa hagelte es noch massiv Kritik an den Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Aktionäre sind der Meinung, dass der Kranich seine eigenen Hausaufgaben machen soll. Zudem sei ITA Airways ihrer Ansicht nach nicht profitabel. Spohr sieht das anders:

Es ist mit 3.900 Mitarbeitern und 70 Flugzeugen in Rom und Mailand sehr effizient aufgestellt. Nach Abschluss einer Kaufvereinbarung und Zustimmung der EU-Kommission sehen wir für Ita als Teil unserer Gruppe gute Erfolgsaussichten.

Vor allem dürfte Spohr aber an dem italienischen Markt interessiert sein, welcher für die Lufthansa einer der bedeutsamsten ist. Das dürfte nun gelungen sein. Denn nachdem der Vertrag zwischen der Lufthansa und Italien für ITA Airways laut airliners.de bereits in trockenen Tüchern war, sind nun auch die letzten Details geklärt worden. Dafür begab sich Spohr persönlich am Donnerstag, dem 25. Mai, nach Rom, um die Verträge mit dem italienischen Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti zu finalisieren.

Carsten Spohr Lufthansa-Chef

Bislang haben die Parteien bereits zwei Fristen verstreichen lassen. Das EU-Kartellamt soll jedoch noch eine Prüfung in den kommenden Monaten vollziehen. Offiziellen Vollzug sollen sowohl die Lufthansa als auch das italienische Finanzministerium soeben vermeldet haben. Eine offizielle Mitteilung auf der Website der Lufthansa steht aktuell noch aus (Stand Donnerstag, 17:10 Uhr). Am Donnerstagvormittag noch wollte sich die Lufthansa uns gegenüber zu den Medienberichten nicht positionieren, dementierte diese Meldungen in der Stellungnahme aber auch nicht.

Zu diesen Konditionen übernimmt Lufthansa ITA Airways

Offiziell wollten sich die Parteien nach Vertragsabschluss nicht zu den Details äußern. Laut Medienberichten, die sich auf einen nicht namentlich genannten Insider berufen, übernimmt der Kranich vorerst 40 Prozent der ITA-Anteile für 320 bis 330 Millionen Euro. Dieser Anteil soll steigen, schafft es die Lufthansa ITA Airways bis zum ersten Halbjahr 2026 wieder profitabel zu machen. Tritt dieser Fall ein, erwirbt die Lufthansa weitere 50 bis 55 Prozent der Anteile an ITA Airways, die einen Wert von circa 500 Millionen Euro haben sollen, wie italienische Medien bereits vorab berichteten. Fünf bis zehn Prozent würden in diesem Fall in der Hand Italiens bleiben. Ob hierzu weitere Details geklärt wurden, ist bislang nicht bekannt. Damit würde sich Italien jedoch ein Mitspracherecht im Aufsichtsrat vorbehalten, ein Unterfangen, welches die Lufthansa eigentlich vermeiden wollte.

Sobald die Europäische Union ihre Prüfungen abgeschlossen hat, wird die Lufthansa die Führung von ITA Airways endgültig übernehmen. Ein neuer Vorstand der Fluggesellschaft soll im dritten Quartal dieses Jahres ernannt werden. Bis dahin werden noch einige Fragen zu klären sein. Wie wird sich ITA Airways im Inlands- und Kontinentalverkehr aufstellen? Wird die Lufthansa hier eine spezielle Rolle für Air Dolomiti vorsehen? Mit welcher Flotte wird die Fluggesellschaft in die Zukunft starten? Wie erfolgt die Integration in die Luftfahrtallianz Star Alliance und in das Vielfliegerprogramm Miles & More?

Diese Fragen sind noch zu klären

Der Inlandsverkehr ist bereits längst an Wettbewerber wie Ryanair und Wizzair abgegeben worden. Das war auch einer der großen Kritikpunkte seitens der Aktionäre. Zubringerflüge werden jedoch weiterhin dringend nötig sein, werden aber vor allem aus den europäischen Metropolen nach Mailand Linate und Rom Fiumicino gehen. Ergänzt werden diese sicherlich durch die Flugpläne der übrigen Lufthansa Group Airlines. Ob Air Dolomiti hier eine Rolle übernehmen wird, ist mittlerweile fraglich. Nach dem endgültigen Ende der Vorgängerin Alitalia war das Interesse der Lufthansa an die Regionaltochter der Italiener groß. Diese sollte mit Air Dolomiti womöglich sogar verbunden werden. Mittlerweile aber konzentriert sich die Fluggesellschaft immer mehr auf Zubringerflüge für die Lufthansa nach Frankfurt und München. Möglich wäre aber ein ähnliches Modell zu den Drehkreuzen von ITA Airways.

Ita Airways

Ein anderes großes Problem: Die Flottendiversität der Lufthansa Group. Wir beschäftigten uns erst kürzlich mit dieser Thematik. Aktuell bringt ITA Airways nur alte bekannte Modelle mit und setzt dabei mehrheitlich auf Airbus. Das passt ins Konzept, nahm die Lufthansa Group erst kürzlich ihr 600. Airbus-Modell in Hamburg-Finkenwerder entgegen. 90 Prozent dieser Exemplare sind sogar heute noch im Konzern im Einsatz. Ein Modell wäre jedoch gänzlich neu für die Lufthansa Group. So hat ITA Airways aktuell Bestellungen für 15 Airbus A330neo in der -900-Version offen. Die ersten Exemplare sollen noch in diesem Jahr ausgeliefert werden, daher ist es mehr als fraglich, ob diese Bestellungen noch optional umgewandelt werden dürfen. Auch die älteren Airbus A330-200 dürften der Lufthansa ein Dorn im Auge sein. Hier wird kurzfristig aber keine Änderung zu erwarten sein, denn dieses Modell befindet sich auch noch in den eigenen Reihen.

Sehr spannend dürfte hingegen die Integration von ITA Airways zum einen in die Luftfahrtallianz Star Alliance und zum anderen ins Vielfliegerprogramm Miles & More sein. Glücklicherweise ist ITA Airways nie so richtig in der derzeitigen Allianz SkyTeam angekommen. Statusmitglieder von ITA Volare, dem aktuellen Vielfliegerprogram von ITA Airways, haben ihre Vorteile bei anderen SkyTeam-Airlines lange Zeit nicht anerkannt bekommen. In die Gegenrichtung gestaltete sich das Meilensammeln mit anderen Vielfliegerprogrammen auf ITA Airways-Flügen äußerst schwierig. Das dürfte sich nun mit der Übernahme drastisch ändern. Die Lufthansa wird ein großes Interesse daran haben, die italienische Fluggesellschaft schnellstmöglich in der Allianz und damit im Streckennetz zu integrieren. Auch die Vielflieger dürften schnell davon profitieren. Details bleiben aber auch zu diesen Thematiken zu aktueller Stelle vorerst aus.

Fazit zur endgültigen Übernahme von ITA Airways durch Lufthansa

Endlich darf man in jeglicher Hinsicht nun zu dieser Thematik abschließend sagen. Denn endlich ist das monatelange, und eigentlich schon jahrelange, Hin und Her um die heutige ITA Airways und damalige Alitalia vorbei – zum Erfolg für die Lufthansa. Zu deutlich günstigeren Konditionen als damals kolportiert, übernimmt die Lufthansa die nächste Fluggesellschaft und integriert diese innerhalb der Lufthansa Group und damit auch der Star Alliance. Vielflieger und Reisende generell dürfen sich über mehr Konnektivität freuen. Davon abgesehen wird es spannend, ob die Lufthansa die italienische Fluggesellschaft wirklich auf die Erfolgsspur bringen kann.

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Autor

Alexander Fink ist als Content Editor seit Januar 2021 für reisetopia tätig. Zuvor war er als Account Manager in der Industrie beruflich unterwegs und schrieb von seinen Reiseerfahrungen im eigenen Blog. Heute ist er Euer Ansprechpartner für alle Airline- und Kreditkartenthemen.

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  • Eigentlich ein trauriger Tag für den Europäischen Flugverkehr, denn er bedeutet vorallem eines (wird oben etwas ausgeblendet): es wird weniger Wettbewerb geben, denn LHG wird ihre überhöhten Tarife im Europa und Langstrecken-Geschäft nun auch für den Markt Italien durchdrücken versuchen.

    Fraglich ist natürlich, ob ein Italiener mit Umsteigen “im Norden” wirklich bereit ist, mehr zu bezahlen als den nonstop Flug mit Ryanair, Vueling oder Easyjet. Dabei können Vielfliegerbenefits (Lounge-Zugang, Gepäck) eine Rolle spielen. Wegen der (wertlosen aber als “wervoll” verkauften) Meilchen gab’s schon immer Wege auch bei Geschäftsreisen der Staralliance treu zu bleiben.

    • Die €325 Mio sind angesichts der immer stärker werdenden Konzentration bei den Airlines m.E. gut angelegt.

      Wenn es funktioniert und die ITA in ein paar Jahren Gewinne macht, hat sich die LH ihre 41% zu einer Bewertung von gerade mal rund €369 Mio. für die gesamte ITA gesichert. Und der “Kaufpreis” von rund €151 Mio. für die 41% fließt auch noch in die Gesellschaft und nicht an den verkaufenden Gesellschafter. Dazu kommt natürlich die Kapitalerhöhung beider Gesellschafter von insgesamt €424 Mio. (Italien €250m, LH €174m), die auch in die Gesellschaft fließen. Ich glaube, das lange Verhandeln hat sich gelohnt.

      Wenn es nicht funktioniert und ITA weiter ein Fass ohne Boden bleiben sollte, kann LH die Reißleine ziehen und sich an weiteren Kapitalerhöhungen nicht beteiligen. Die €325m sind so gesehen Risikokapital. Einen Versuch ist es m.E. Wert.

      Als Nächstes dann die TAP. Lediglich bei der 3-Staaten Airline SAS bin ich sehr skeptisch.

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