Einem Verkehrsforscher zufolge ist das Deutschlandticket bereits jetzt Menschen mit höherem Einkommen vorbehalten. Eine weitere Preiserhöhung sieht er als Rückschritt für das Ticket.
Ein Mobilexperte kritisiert die derzeitige Herangehensweise der Politik im Finanzstreit und spricht sich für einen günstigeren Tarif des Deutschlandtickets aus. Gegenwärtig sieht es so aus, als würde die Fahrkarte eher teurer werden. Der Verkehrsforscher rechnet in der Folge mit einem Verlust von bis zu vier Millionen Nutzer. Er zeigt auf, an welchen Enden gespart werden könnte, um künftige Finanzlücken zu vermeiden, wie aus einem Beitrag der WirtschaftsWoche hervorgeht.
Ungenütztes Potenzial durch die Senkung des Tarifpreises
Voraussichtlich werden sich die Mehrkosten des Deutschlandtickets im nächsten Jahr auf 1,1 Milliarden Euro belaufen. Bislang teilten sich Bund und Länder die Kosten. Nun stellt sich die Frage, wer die weiteren Kosten tragen wird.
Das Ticket müsste eigentlich 29 Euro kosten, dann hätte man viel mehr Menschen in den Zügen.
Andreas Knie – Wissenschaftszentrum für Sozialforschung
Mit diesem Ansatz geht Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung an das Streitthema um die fortlaufende Finanzierung des Deutschlandtickets heran. Er ist der Überzeugung, dass das Ticket bereits jetzt zu teuer ist und vornehmlich Menschen mit höherem Einkommen vorbehalten ist. Der Experte nimmt an, dass der Zuwachs an Neukunden durch die Einführung des Deutschlandtickets bei maximal 400.000 bis 500.000 lag. Insbesondere die Bevölkerung nahe der Stadtränder profitiert zurzeit von der bundesweiten Fahrkarte.
Knie sieht ungenütztes Potenzial in der Senkung des Tarifpreises. Dem Mobilexperten zufolge würde eine solche Veränderung einen beträchtlichen Anstieg an Ticket-Nutzer mit sich ziehen. Aktuell entwickelt sich das Ganze jedoch in die exakt gegen gesetzte Richtung, wozu der Verkehrsforscher eine deutliche Meinung hat:
Nach unseren Berechnungen nutzen rund 10 Millionen Menschen derzeit das Deutschlandticket. Sollte der Preis auf 59 Euro steigen, blieben vielleicht noch sechs bis sieben Millionen.
Andreas Knie – Wissenschaftszentrum für Sozialforschung
Kritik am politischen Ansatz
Der Fachexperte kritisiert die aktuelle Herangehensweise der Politik. Während weiterhin über die ungeklärte Finanzierung gestritten wird, bleibt das Ausmerzen potenzieller Ursachen für eine erwartete Finanzlücke von 400 Millionen Euro unberührt. Einen Zusammenhang sieht Knie beispielsweise in zu hohen Ausgaben für Verwaltungsaufgaben. Finanzielle Mittel könnten eingespart werden, indem die Zahl der Verkehrsverbünde reduziert wird – deutschlandweit sind es momentan über 60. Diese Spaltung habe auch einst zu komplizierten Tarifstrukturen geführt. Darüber hinaus äußerte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sich in der Vergangenheit zur Reduktion der Verkehrsverbünde.
Weiter spricht sich der Berliner Verkehrsforscher Christian Böttger zur fehlenden Einigung bei der Ministerpräsidentenkonferenz aus. Er sieht das Festhalten an gewohnter Strukturen der Länder, da der ÖPNV einer der übriggebliebenen Bereiche ist, bei denen diese noch Entscheidungsspielraum haben. Im Weiteren stehen dabei auch Arbeitsplätze auf dem Spiel, die im Zuge eines zentralen Systems wegfallen könnten. Böttger identifiziert eine potenzielle Herkunft des Konflikts auch darin, dass einige Bundesländer und Verbünde das Ticket inklusive diverser Sonderangebote erhalten haben. Viele bekommen das Deutschlandticket auch kostenfrei vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt.
Ursprünglich wurde die gerechte Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern vereinbart. Nun verlangen die Länder mehr vom Bund als ausgemacht, was den Bund natürlich nicht erfreut. Es herrscht darüber hinaus Uneinigkeit über die künftige Förderung des Deutschlandtickets. Zeitgleich konnte jedoch der Fortbestand des Tickets im nächsten Jahr gesichert werden. Anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. November 2023 konnten sich Bund und Länder darauf einigen, dass die Verkehrsminister ein entsprechendes Konzept für die Durchführung des Deutschlandtickets für 2024 ausarbeiten.
Dadurch soll kommendes Jahr keine zusätzliche Nachschusspflicht seitens des Bundes und der Länder entstehen. Die Beschlüsse sind jedoch noch nicht in trockenen Tüchern. Die Verkehrsbranche äußerte sich zu den Inhalten mit lauter Kritik. Obwohl das Ticket weiterhin bestehen soll, gilt es, überdies die Rahmenbedingungen klar zu setzen und in einem Beschluss festzumachen.
Die Uneinigkeit der Entscheidungsträger wirkt sich hinzukommend auf das Interesse des Tickets aus, sodass die Mehrheit das Deutschlandticket noch nicht gekauft hat. Außerdem gibt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov Auskunft darüber, dass viele Nutzer und Interessenten nicht mehr für das Deutschlandticket bezahlen würden.
Fazit zur Einschätzung der Mobilexperten
Seit einem halben Jahr gibt es das Deutschlandticket inzwischen. Das Thema rund um die künftige Finanzierung ist auch weiterhin nicht gänzlich geklärt. Verkehrsforscher äußern sich indessen zu ungünstigen Ansätzen der Politik und zeigen auf, wie der Fortbestand des Tickets gesichert werden könnte. Eine unpopuläre Entscheidung wäre das Anheben des Tarifpreises, was Fachleuten zufolge eine Einbuße einer erheblichen Menge an Nutzer zur Folge hätte. Es bleibt spannend, in welche Richtung sich der Prozess entwickeln wird. Fest steht, dass es das Deutschlandticket auch weiterhin geben wird. Die Frage ist nur, wer am Ende den Preis dafür bezahlt.
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