Könnt Ihr Euch noch an den Chaos-Sommer 2018 erinnern? Nein – dann helfen wir Euch wieder auf die Sprünge und bringen das Szenario von damals in den Vergleich zum heutigen.
Eigentlich war die Reise an die Traumdestination doch immer die richtige Erholung – entspanntes Personal an den Flughäfen, viel zu viel Platz und Catering auf Michelin-Stern-Niveau im Flugzeug. Reisen beziehungsweise Fliegen war schon immer mit vielen Unwägbarkeiten verbunden, die selbst die federführenden Parteien nur bedingt beeinflussen können. Vielleicht haben wir das in den letzten Jahren der Corona-Pandemie vergessen, vielleicht war die Lage in 2022 aber noch nie so chaotisch. Wir werfen einen Blick zurück auf die letzten Wochen, aber auch die letzten Jahre und decken auf, ob wir in der aktuellen Situation nicht etwas übersehen haben.
Die Nerven liegen blank – auf allen Seiten
Die Schlagzeilen von Chaos an Flughäfen halten an. Einmal ist es der Personalmangel, ein anderes Mal Passagierobergrenzen und wieder ein anderes Mal sind es Streiks, die den Flugverkehr in Deutschland, Europa und weltweit aus der Bahn werfen. Die Bilder sind dabei immer die gleichen: Berge von Koffern türmen sich, die Wartezeiten an den Check-in-Schaltern und Sicherheitskontrollen werden immer länger. Und auch die Konsequenzen bleiben die gleichen: Die Lage beim Personal ist und bleibt angespannt, bei den Reisenden ebenfalls.
Die Situation aktuell liest sich dabei aber mitunter drastisch schlimm. Vor allem die Flughäfen Frankfurt, Düsseldorf, Köln-Bonn und Hamburg sollen von langen Wartezeiten betroffen sind. Der Grund: Die Sicherheitskontrollen sind unterbesetzt. Das zeigt auch, dass sich diese Flughäfen gezwungen sehen, zumindest teilweise, die Fast Lanes für Status- und Premiumgäste zu schließen. Auf der anderen Seite verläuft die Abfertigung am Boden nicht nach Plan. Die Vorfeldmitarbeiter sind ebenfalls unterbesetzt und kommen zu spät am Flugzeug an. Die Konsequenz: Ein Flugzeug wird erst entladen, während das Boarding für den nächsten Flug bereits begonnen hat. Ein Szenario, welches ich selbst mehrmals während meiner Chaos-Reise Anfang Juli erfahren durfte.
Der Personalmangel am Boden führt dazu, dass sich Tausende Koffer an verschiedenen Flughäfen häufen. Und das zeigt auch: Der Personalmangel ist kein Problem, welches ausschließlich deutsche Flughäfen betreffen würde. Ganz im Gegenteil: Die Flughäfen Amsterdam Schiphol und London Heathrow haben ebenfalls massiv mit den Folgen der letzten Jahre zu kämpfen. Hier wurden sogar Passagierobergrenzen eingeführt. Airlines müssen dementsprechend Flüge annullieren oder den weiteren Verkauf stoppen, wie zuletzt auch British Airways. Vor allem aber Flugannullierungen sind das Allheilmittel der letzten Wochen. British Airways musste über 10.000 Flüge in den Sommermonaten annullieren. Auch die Lufthansa Group hat mehrere Tausend Flüge annulliert. Das sorgte wiederum für ein kleines Aufatmen an den Drehkreuzen des Kranichs.
Die Flugbewegungen laufen seitdem deutlich zuverlässiger. Kurzfristig müssen weniger Flüge zusätzlich annulliert werden. Auch die Pünktlichkeitsstatistik dürfte sich damit wieder etwas verbessern. Weniger Grund zum Durchatmen hat aber das verbliebende Personal. Wegen des Personalmangels in den meisten Bereichen arbeiten viele der Angestellte über ihrem Limit. Die Konsequenz an dieser Stelle: Warnstreiks. Den Beginn hat das Bodenpersonal der Lufthansa gemacht. 20.000 Angestellte dieser Berufsgruppe haben kürzlich für etwas mehr als 24 Stunden die Arbeit niedergelegt. Die Lufthansa musste daraufhin nahezu den kompletten Flugplan für einen Tag annullieren. Weitere Warnstreiks drohen, auch dank der Piloten und Pilotinnen der Lufthansa. Doch ist die Situation eine neue oder haben wir in den letzten Jahren etwas vergessen?
That’s aviation – Der Chaos-Sommer 2018
Doch haben wir vielleicht in den letzten zwei Jahren das allgemeine Chaos an Flughäfen und den damit verbundenen Stress vergessen? Ruhige Flughäfen, nicht voll ausgelastete Flugzeuge ließen den Anschein erwecken, als würde der Urlaub wirklich schon an den Flughafeneingängen beginnen. Die Wahrheit sieht aber anders aus. Wartezeiten an Check-in-Schaltern und Sicherheitskontrollen gab es schon immer. Und schon immer waren diese auch weniger oder besonders lang. Zumeist wurden die Zustände aber eben mit dem allerletzten Argument “That’s Aviation” abgewiegelt.
Dazu gesellten sich Zeiten, die insgesamt weniger reibungslos liefen. Vulkanausbrüche und Streiks dominierten schon immer die Luftfahrt. Als wir uns zu Beginn der Woche in kleiner Runde über die aktuelle Situation austauschten, kam der Chaos-Sommer 2018 bei einigen von uns wieder ins Gedächtnis. Der Flugverkehr in Europa lief in diesem Sommer alles andere als normal. Streiks und Zwischenfälle an den Sicherheitskontrollen bereiteten Airlines und Passagieren keinen einfachen Start in die Sommerferien.
Um das in Zahlen zu unterstreichen: Allein im Juni 2018 gab es pro Stunde 7.7 Flugverspätungen oder -ausfälle. Allein am größten deutschen Airport mussten im Jahr 2018 circa 11.000 Flüge annulliert werden. Die Flughäfen München und Düsseldorf reihten sich dahinter ein. Leittragende der Situation war damit ebenfalls schon damals die Lufthansa Group. Die Lufthansa Group musste in diesem Jahr über 18.000 Flüge annullieren.
Die Lufthansa-Tochter Eurowings war davon und von massiven Verspätungen besonders stark betroffen. Über 5.000 annullierte Flüge entfallen allein auf ihr Konto. Knapp 1.500 Flüge landeten zudem mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden. Dementsprechend war die Verbindung zwischen Düsseldorf und München im Jahr 2018 die Verbindung mit den meisten Verspätungen und Flugannullierungen.
Eurowings wurde damit laut euclaim.de zum Spitzenreiter in der Verspätungsrangliste 2018. Wir erinnern uns zurück: Ein Jahr zuvor hat airberlin die Insolvenz angemeldet und verschwand wenige Monate später komplett vom Himmel. Die Lufthansa wollte das Loch möglichst schnell stopfen und sah die Tochter Eurowings für diese Rolle vor. Doch nicht nur das Fehlen einer Fluggesellschaft sorgte für ordentlich Chaos.
So waren es vor allem Zwischenfälle an den Sicherheitskontrollen in Frankfurt und München, die mitunter zu zeitweisen Schließungen der jeweiligen Airports führten, wie euronews.com berichtete. In Frankfurt waren im Sommer 2018 mehrere Tausend Fluggäste am Flughafen selbst oder in den umliegenden Hotels gestrandet.
Allein bei den Lufthansa Airlines mussten 18.000 Flüge gestrichen werden. Das entspricht einer Schließung unseres Frankfurter Flughafens von zwei Wochen. Über 1,7 Millionen Fluggäste unserer Airlines waren von Annullierungen betroffen. Damit hätten wir über 3000 Airbus A380 füllen können. Die Hauptleidtragenden waren ganz, ganz klar leider unsere Kunden.
Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa beim DLF
Langsam rehabilitiert sich auch die Lufthansa wieder im Jahr 2022. Doch das Chaos im Jahr 2018 ging ebenfalls nicht spurlos am Kranich vorbei. Zwar stellte die Lufthansa im Jahr 2018 einen weiteren Passagierrekord auf, knapp zwei Millionen Passagiere waren in den chaotischen Sommermonaten aber von Flugannullierungen betroffen. Damals wie heute war aber nicht ausschließlich der Flugverkehr betroffen. Wie Der Westen unter anderem berichtete, sorgten auch Streiks bei der Bahn für Chaos auf den Schienen.
Wo kommen wir gerade her?
Denken wir einmal knapp drei Jahre zurück. Im Winter 2019 wurde das Corona-Virus erstmals in China und damit auch in den westlichen Medien registriert. Während China bereits erste Maßnahmen ergriffen hat, verschwand das Virus zunächst wieder aus unseren Gedanken. Im Winter 2020 kam das Virus aber spürbar näher. Die ersten Fälle wurden offiziell auch in Deutschland registriert. Die Wahrnehmung zu diesem Zeitpunkt: Beim Virus handelt es sich lediglich um eine Art Grippe. Auch ich kann mich noch besonders gut an den Februar und März 2020 erinnern. Ich besuchte noch eine Messe als die ersten Restaurants bereits die Tische, und damit die Gäste, auf Abstand bringen mussten. Ende März plante ich, mit British Airways, nach Austin in Texas zu fliegen.
Die ersten Länder schlossen dabei bereits ihre Grenzen. In meinen Gedanken war das Szenario aber nicht vorstellbar: Den Flugverkehr über den Atlantik einzustellen. Doch circa eine Woche vor dem geplanten Abflug veröffentlichte dann auch der damalige US-Präsident Donald Trump ein Einreiseverbot. Kurze Zeit später war an internationalen Flugverkehr nicht mehr zu denken. Zwar kennen wir ein solches Szenario in deutlicher Abmilderung noch vom damaligen Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull in Island, aber die Auswirkung einer Pandemie weltweit war etwas gänzlich neues. Viele Airlines waren gezwungen, den Großteil ihrer Flotten zu grounden, wenn nicht sogar zeitweise alle Flugzeuge am Boden zu lassen. Erst im Mai beziehungsweise Juni war wieder an erste Flugreisen zu denken. Im darauffolgenden Sommer bewegten sich die meisten Europäer auch innerhalb des Kontinents. Doch die Pandemie schien wieder schnell überwunden.
Die Wahrheit war jedoch eine andere. Zwar stand uns bereits Ende 2020 der erste Impfstoff zur Verfügung, doch bis dieser der breiten Bevölkerung auch verabreicht werden kann, sollte noch viel Zeit vergehen. Dementsprechend stieg die Reiselust auch erst wieder im Frühjahr und Sommer 2021. Damals noch mit vielen Vorbehalten, ob das Reisen unter diesen Gegebenheiten überhaupt vertretbar sei. Dabei waren die Restriktionen trotz Impfstoff mitunter noch immer massiv. Zumeist musste man zusätzlich noch einen negativen Corona-Test vorweisen. Und so war der Reisesommer 2021 wieder eher verhalten, auch wenn die Nachfrage punktuell wieder deutlich anstieg. Weitere Lockdowns und Booster-Impfungen später, gelangten wir schließlich im Jahr 2022 an. Anfang des Jahres war von einer Situation, wie sie aktuell ist, noch nicht zu denken.
Zwar war bereits zu erwarten, dass die Nachfrage in den Sommermonaten wieder deutlich ansteigen wird, doch die Prognosen waren trotz Optimismus nicht zu eindeutig. Und auch die Lufthansa bestätigt die Tendenzen vom Anfang des Jahres. Auch wenn Optimismus für den Sommer 2022 vorhanden war, waren die Passagierzahlen wieder zu Beginn des Jahres gesunken. Wie also am besten auf die Situation reagieren? Zu Beginn der Pandemie war die Devise zum einen, massiv Personal abzubauen. Das hat die Lufthansa erfolgreich geschafft und ebenso erfolgreich stoppen können. Angepeilt wurden zum Ende der Pandemie noch 100.000 Angestellte im gesamten Konzern. Verblieben sind immerhin noch 110.000 Angestellte zum aktuellen Stand in der Lufthansa Group. Zum anderen verlangte die Pandemie eine deutlich flexiblere Planung.
So reagierte auch die Lufthansa kurzfristig und nahm sogar Palma de Mallorca und die Kanaren ins Streckennetz des Kranichs auf. Mittlerweile scheint das Streckennetz intern wieder besser sortiert zu sein. Und dennoch wirkt das ganze Auftreten, vor allem der Lufthansa, doch etwas wild. Von der Verschlankung der Flotte scheint man sich zumindest gedanklich wieder verabschiedet zu haben. So soll die Lufthansa wohl über die kurzfristige Anschaffung von Boeing 777-300 nachgedacht haben. Aber auch tatsächlich spielen auf einmal der Airbus A340 und A380 wieder eine Rolle. Der Superjumbo soll im kommenden Jahr wieder bei der Lufthansa zurückkehren, und das wohl sogar mit gänzlich neuer Kabinenausstattung.
Fazit – Wie ist die Thematik nun einzuordnen?
Chaos in der Luftfahrt hatten wir also schon immer – That’s Aviation?! So einfach lässt sich das Thema nicht abschließen. Aber insgesamt gibt es einen Überblick, dass vor allem die Ferienzeit mitunter gerne mal chaotisch verlief. “Schuld” daran sind verschiedene Faktoren, die nicht alle Beteiligten wie Flughäfen und Airlines gänzlich beeinflussen können. Mal fehlt es hier an Personal, mal funktionieren dort nicht die Prozesse. Ja, der Personal- und Fachkräftemangel war wohl noch nie so ersichtlich, wie in der aktuellen Zeit, und sicherlich haben Fluggesellschaften die Lage maßlos unterschätzt, generell ist das aber ebenfalls keine Neuigkeit. Vielleicht liegt es aber vor allem daran, dass wir alle ein bisschen das Reisen verlernt haben, beziehungsweise wie wir mit der Situation umzugehen haben. Das lässt sich bei den Prozessen an den Sicherheitskontrollen beobachten, wenn wiederholt die Flüssigkeiten nicht ausgepackt werden. Auf der anderen Seite fehlt uns allen nach zwei Jahren Pandemie vielleicht auch ein wenig die Geduld, um die Lage entsprechend einzuschätzen. Ja, es herrscht Chaos – aber nicht immer und nicht überall, und vor allem sind nicht die Personen daran Schuld, die wir im laufenden Betrieb auch zu Gesicht bekommen.
Ich weiss nicht woher diese Panikmeldungen kommen. Wir sind am zweiten Ferienwochenende in München, 05.08.2022, abgeflogen. Kein Problem, keine Schlangen, alles superentspannt. Freunde am Tag davor und am Tag danach haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Das Gepäck ist auch mitgekommen. Es reicht, 2 Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.
Wie dem Beitrag zu entnehmen ist, habe ich selbst genau diese Erfahrungen gemacht, kann aber eben auch die von dir geschilderten Erfahrungen bestätigen. Der Beitrag soll sogar dazu dienen, die aktuellen “Panikmeldungen” etwas zu relativieren.
Das stimmt nur bedingt. Vor 30-50 Jahren war Fliegen noch etwas Besonderes. An den Terminals waren genug Personal, die Sicherheitsabfertigungen liefen schneller. Am Board gab es mehr Beinfreiheit, bequemere Bestuhlungen und erst recht weniger gestresstes Boardpersonal und besseres Catering.
Kurz und knapp… wenn man Einstieg begann der Urlaub. Heute hofft man nur schnell aus der Käfighaltung bei mieser Verpflegung schnell zu entkommen und erst recht nicht von irgendwelchen Spielen genervt zu werden.
Fliegen ist heute Stress. Service gleich null. Man wird an dämlichen Automaten geschickt, was schon mal no Go ist. Fremdpersonal die keinen Bezug zur Airline haben lassen sich anmerken das sie überarbeitet und genervt sind. Lounges sind überfüllt weil die Airlines Gewinne riechen.
Man wurde am Airport nicht kilometerlang durch Einkaufspassagen geschleust. Ich will fliegen und nicht shoppen.
Das alles macht keinen Spaß mehr.
Ja, fliegen wer “damals” noch etwas besonderes, mit ganz besonderen “Jet Set” – Preisen.
Heutzutage gilt der billige Flug nach Malle oder Bangkok beinah als Menschenrecht, das selbst für den “kleinen Mann” noch erschwinglich sein soll, dementsprechend kann der Service leider nicht anders ausfallen als er das nun mal tut.
Damals sind auch die kleinen Männer geflogen, wurden aber nicht durch Stress am Airport oder am Board zusätzlich genervt.
Na gut, 23 Jahre …
Meine erste USA-Reise. Mit Delta via Altlanta nach Orlando. Delta: “on top of the world”. Erinnert sich jemand an den Slogan. In der Praxis war das der wundervolle Mittelplatz in einer 2-5-2 bestuhlten Triple-Seven. Wirklich top.
Geld holen in Atlanta. Der Automat gab nur maximal 40$ aus und behielt vorsichtshalber davon gleich 3$ für seine Mühen ein.
Rückreise ab Orlando. 4h vor Abflug am Flughafen. Hat gerade so gelangt. Vor dem Delta-Checkin eine gefühlt 500 Meter lange Warteschlange. Jedenfalls reichte sie für 2,5h Anstehen und räumlich bis vor den Flughafen (so ähnlich wie bei den aktuellen Bildern aus Schiphol). Immerhin tigerten zwei Delta-Mitarbeiter die Warteschlange entlang und suchten die Passagiere heraus, die nicht 4h vor Abflug am Flughafen erschienen waren.
Das war vor 9-11 … und ja, für Flüge oberhalb von Y war kein Geld da. Wobei C damals auch etwas Anderes war. Per Zufall hatten wir ein Jahr später ein Upgrade von Washington nach München. Das war das, was heute in etwa unter Premium Economy läuft.
Völlige Fehleinschätzung. Fliegen wie 1970 ist auch heute noch möglich, nennt sich “Business Class” und ist sogar kaufkraftbereinigt deutlich günstiger als damals. Die “Economy Class” ist eine Erweiterung des Angebots nach unten und muss nicht zwingend genutzt werden.