Nach zähem Ringen haben die Verhandlungen rund um die italienische Fluggesellschaft diese Woche endlich ein Ende erlangt. Doch wird sich die Übernahme als kluger Schachzug des Kranichs entpuppen und könnte sie gar Potenzial für Vielflieger mit sich bringen?

Monatelang war die Übernahme durch die Lufthansa ungewiss. Um Anteile an ITA Airways, der Nachfolgerin von Alitalia, zu erlangen, musste die deutsche Airline harte Kartellauflagen von der EU-Kommission erfüllen. Der Deal stand zwischenzeitlich sogar aufgrund von großen Wettbewerbsbedenken auf der Kippe. Doch mit der Finalisierung der Anteilsübernahme an der italienischen Fluggesellschaft bieten sich auch für Meilensammler neue Möglichkeiten.

Langer Kampf um eine angeschlagene Airline

Die Zeichen für die italienische Fluggesellschaft ITA Airways standen nicht immer gut. Der steinige Weg der Vorgängerin Alitalia endete schließlich in der Insolvenz und Verstaatlichung, woraus der Hoffnungsträger Italia Trasporto Aereo entstand. Mit neuem Markenauftritt erhofft man sich einen “Aufbruch in eine neue Ära”, doch fuhr die Airline in den kommenden fünf Quartalen nach dem offiziellen Start am 15. Oktober 2021 nur Verluste ein. Im Jahr 2023 konnte ITA Airways schließlich operativ Gewinn verzeichnen und den Umsatz im ersten Halbjahr 2024 deutlich steigern.

ITA Airways Maschine

Nach langwierigen Verhandlungen gelang es der Lufthansa Group endlich, sich mit der italienischen Regierung und der zuständigen EU-Kommission zu einigen. Aufgrund diverser Wettbewerbsbedenken forderte Brüssel die Abgabe von wichtigen Slots in Rom und Mailand-Linate an die Konkurrenten wie Air France/KLM und IAG (für bestimmte Nordamerika-Strecken) sowie an den Billigflieger easyjet. Nach einer weiteren Zitterpartie wurde die Übernahme diese Woche nun auch offiziell vollzogen. Seit gestern ist die Lufthansa Group mit 41 Prozent an ITA Airways beteiligt.

Marktmacht im Aufwind

Die Integration in den deutschen Konzern bringt natürlich Potenzial mit sich. Nicht umsonst erhofft sich der Kranich mit dem Einstieg bei ITA eine Gewinnsteigerung in dreistelliger Millionenhöhe und peilt langfristig eine komplette Übernahme an. Italien ist ein wichtiger Markt für den Konzern, der zweitwichtigste Auslandsmarkt neben den Vereinigten Staaten von Amerika. Durch die neuen Hubs ergibt sich auch eine enorm gesteigerte Marktmacht auf Flügen nach Italien. Insbesondere handelt es sich bei der Übernahme ebenfalls um einen strategischen Schachzug in puncto Konnektivität nach Südamerika. Denn gerade im Vergleich zur Konkurrenz Air France-KLM hinkt die Lufthansa Group in Bezug auf diesen Markt noch hinterher.

Flughafen Rom Fiumicino 1

Denn der Flughafen Rom Fiumicino bildet als südlichstes Drehkreuz einen wichtigen Knotenpunkt, um Flüge nach Südamerika und Afrika zu leiten. Mit der gestärkten Marktposition in Südeuropa geht auch eine Verdoppelung der Verbindungen nach Brasilien und Argentinien einher, was sich positiv auf die Umsteigemöglichkeiten und Flexibilität für Passagiere auswirkt. Doch auch auf Verbindungen nach Südeuropa und Nordafrika erlangt die Lufthansa Group durch eine erhöhte Konnektivität über verschiedene Hubs einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Vielversprechende Vorteile für Meilensammler

Es bleibt allerdings weiterhin ungeklärt, wie die Integration des Vielfliegerprogramms von ITA Airways, Volare, in das hauseigene Programm Miles & More verlaufen wird. Schließlich ist ITA Airways noch Mitglied der Luftfahrtallianz SkyTeam, ein Beitritt in die Star Alliance findet “voraussichtlich” 2026 statt. Ab wann auf Flügen mit ITA Airways Miles & More Meilen gesammelt werden, bleibt ebenfalls offen, wenn auch dem jüngsten Interview von Konzernchef Carsten Spohr in der FAZ zufolge innerhalb der nächsten Wochen Details bekannt gegeben werden sollen.

Lufthansa

Vorerst wird es eine Partnerschaft der beiden Vielfliegerprogramme geben, die Mitgliedern vielversprechende Vorteile bringen sollen. Dies deutet darauf hin, dass es schon recht bald, gar noch im zweiten Quartal dieses Jahres, Statusvorteile und die Möglichkeit zum Meilen sammeln auf Flügen mit der italienischen Fluggesellschaft geben könnte. Laut der gestrigen Pressemitteilung der Lufthansa Group soll die Möglichkeit zum Meilen sammeln und einlösen bereits in wenigen Wochen implementiert werden. Damit eröffnen sich für Vielflieger mehr Optionen zum Sammeln und Einlösen beispielsweise zu beliebten Urlaubszielen in Italien. Gerade in Bezug auf das Sammeln von Qualifying Points ergeben sich somit mehr Wege, um einen Status schneller zu erreichen.

Wie ITA den Kranich zur Qualitätsoffensive inspirieren könnte

Langfristig gesehen könnte auch die junge Flotte von ITA Airways einen positiven Einfluss auf die Lufthansa Group haben. Schließlich verbaut die italienische Airline in ihren Airbus A321neo bereits “echte” Business Class Sitze und nicht nur einen freien Mittelsitz. Dieses Konzept will sich der Kranich laut Spohr “genau ansehen” und noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällen. Es wäre jedenfalls ein längst überfälliger drastischer Schritt in Richtung Qualitätsoffensive. Gerade auf längeren Mittelstrecken, beispielsweise Nordafrika wäre dies natürlich eine erfreuliche Nachricht für Passagiere.

Lufthansa Business Class Mittelstrecke Sitz
Vollwertige Business Class statt freier Mittelsitz?

Offen bleibt die Frage, ob sich der Kranich auch in weiteren Punkten an dem neusten Mitglied der Lufthansa Group orientieren möchte. Nicht nur in Bezug auf die Business Class Sitze, sondern beispielsweise auch in puncto Catering. Bezogen auf letzteres kursieren momentan recht widersprüchliche Aussagen der Lufthansa. Einerseits soll laut jüngsten Aussagen von Spohr das Catering im Vergleich zu Pünktlichkeit und Stabilität in den Hintergrund rücken, andererseits kündigte Lufthansa gerade erst eine potenzielle Überarbeitung des Cateringkonzepts auf der Kurz- und Mittelstrecke an. Eine Orientierung an der italienischen Tochter wäre jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

ITA Airways Airbus A321neo

Darüber hinaus zeichnet sich ITA durch eine recht junge Flottenstruktur aus. Dabei setzt die italienische Airline ausschließlich auf Airbus und verfügt aktuell über 103 Flugzeuge, mehr als die Swiss, Austrian Airlines oder Brussels Airlines. Bei ITA handelt es sich somit um den größten Zukauf der Geschichte des Konzerns. Das veranlasst die Lufthansa Group ebenfalls zu großspurigen Plänen: Nach der Swiss soll ITA Airways den zweithöchsten Ergebnisbeitrag der ausländischen Konzerntöchter bringen.

Übernahme mit Turbulenzen

Doch wie möchte der Kranich die ambitionierten Ziele erreichen? Denkbar wäre natürlich, dass Kunden höhere Preise bei unverändertem Platzangebot auf Flügen zwischen Italien und Lufthansa-Hubs in Kauf nehmen müssen. Ob sich der Lufthansa Konzern mit der Übernahme einen Gefallen tun wird, wird sich zeigen – genauso, ob Passagiere der Lufthansa Group letztendlich auch davon profitieren werden. Die Worte des Konzernchefs im jüngsten Interview stimmen jedoch in Bezug auf die Vorteile für Vielflieger eher positiv. Fest steht jedoch, dass der Kranich gerade in puncto Qualität noch einiges aufzuholen hat und öfter in Kritik gerät, daher bleibt abzuwarten, wie reibungslos die Übernahme über die Bühne gehen wird. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass die Integration weniger holprig abläuft, als beispielsweise die Einführung des neuen Allegris Bordprodukts.

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Autor

Amélie Margout ist Head of Content und seit August 2020 bei reisetopia tätig. Nach ihrem Bachelorstudium in Medien und Kommunikation in England zog sie nach Berlin und schreibt seither Ratgeber mit Fokus auf Finanzen, Luxushotels und suchmaschinenrelevante Inhalte.

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