Eigentlich sind Fusionen auf dem Airline-Markt für Verbraucher selten gute Nachrichten. Im Fall von Condor könnte das anders sein, denn alleine wird es für die Airline schwer, langfristig zu überleben.
Konsolidierungen, Staatshilfen und Insolvenzen sind bei Fluggesellschaften nahezu normal. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Airline-Landschaft nicht nur in Europa, sondern insbesondere auch in den USA sowie weiteren Weltregionen massiv verändert. Unter diesem Hintergrund sind Gerüchte um ein Investment von IAG in Condor spannend, denn die britisch-spanische Airline-Gruppe könnte der deutschen Airline echten Auftrieb geben und mittelfristig auch ihr Überleben sichern.
Übernahmeschlacht auf dem europäischen Luftfahrtmarkt
Dass eine Übernahme von Condor in den vergangenen Monaten bisher nicht allzu oft in den Medien thematisiert wurde, kommt fast ein wenig überraschend. Nachdem Air France-KLM bei SAS eingestiegen ist und die Lufthansa auch ihren Einstieg bei ITA Airways endlich finalisieren konnte, wird bereits auf die nächste “Beute” geschielt. Lufthansa und Air France-KLM zeigen beide starkes Interesse an einer Übernahme von oder zumindest einem Investment in Air Europa sowie TAP Portugal.
Während die beiden Airlines von der iberischen Halbinsel weit weg sind, könnte das Thema Fusionen und Investitionen auch in Deutschland bald wieder spannend werden. Konkret im Falle von Condor, denn schon länger ist bekannt, dass die Investorengruppe, die sich vor einigen Jahren eingekauft und die Airline mit hohen Investitionen in andere Sphären gebracht hat, mittelfristig wieder aussteigen möchte. Da kommen Gerüchte um einen Einstieg von IAG nicht überraschend.
Vielmehr dürfte IAG mit Töchtern wie Aer Lingus, British Airways oder Iberia sowie einer engen Verbindung zu Qatar Airways der natürliche Kandidat für die Übernahme von Condor sein. Seit der Pleite von airberlin fehlt in Zentral- und Osteuropa ein Partner innerhalb der oneworld-Allianz und eine stärkere Präsenz im wichtigen deutschen Markt ist für jede Airline-Gruppe spannend. Weniger spannend dürfte Condor für Air France-KLM sein, weil die beiden wichtigsten Hubs nicht weit entfernt liegen. Die Lufthansa dürfte schon kartellrechtlich keine Chance haben.
Condor braucht starke Partner für ein eigenständiges Überleben
Einstmals war Condor in einer Nische unterwegs und hat sich enorm stark auf das Veranstaltergeschäft konzentriert. Diese Zeiten sind lange vorbei, denn auch wenn Condor diesen Markt noch immer stark bedient, liegt der Fokus seit der Umstellung des Geschäftsmodells verstärkt auf den transatlantischen Strecken sowie seit Kurzem auch einem dazugehörigen Zubringernetz ab Frankfurt – letztlich eine Kopie des Lufthansa-Geschäftsmodells
Das Problem daran: Im Europaverkehr ist es ausgesprochen schwer, Geld zu verdienen, und seit klar ist, dass die Lufthansa nicht für immer günstige Konditionen für Zubringer bieten muss, droht Condor Ungemach. Dass einige Strecken nach Nordamerika bereits weggefallen sind und bei anderen die Frequenzen reduziert werden, zeigt die Richtung auf – doch es könnte noch schlimmer werden.
Die Lufthansa hat gerade erst bekannt gegeben, im Sommer die Frequenzen nach Nordamerika zu reduzieren, primär wegen eines Rückgangs der Nachfrage. Die Nordamerika-Bonanza der vergangenen Jahre scheint ein wenig vorbei zu sein – Condor dürfte das umso schwerer treffen, fokussiert sich die Airline in seinem Langstreckengeschäft doch ganz besonders auf die USA.
Unter diesen Vorzeichen bleibt fraglich, wie die Condor langfristig eigenständig überleben soll. Nicht umsonst haben sich fast alle Fluggesellschaften in Europa in den vergangenen Jahren in der einen oder anderen Art unter den Schutzschirm einer großen Allianz oder Gruppe begeben, denn selbst in einem attraktiven Marktfeld ist es für eine Airline kaum möglich, ohne starke Partner zu überleben – zu kompetitiv ist der Markt und zu stark sind die drei dominanten Spieler bei Transatlantikstrecken.
Mit IAG auf dem Weg ins transatlantische Joint Venture
Entsprechend dürfte sich Condor – sofern der Preis stimmt – über ein Investment seitens IAG sehr freuen. Denn dieses könnte auch bedeuten, dass die Airline mittelfristig einen Weg in das so wichtige transatlantische Joint Venture von American Airlines, British Airways, Finnair und Iberia finden könnte. Damit wäre eine Abstimmung der Flugpläne, eine Verknüpfung der Flugpläne und schlussendlich wohl auch die Erhöhung der Preise durch eine bessere Absprache und geteilte Erträge möglich.
Das klingt auf den ersten Blick aus Verbrauchersicht nicht unbedingt attraktiv, bietet Condor doch heute oft verhältnismäßig attraktive Preise auf Flügen in die USA und nach Kanada. Die Frage ist aber vielmehr, was die Alternative wäre, denn eigenständig dürfte der Flugplan von Condor mittelfristig in sich zusammenfallen. Daraus würden wieder mehr Monopolstrecken der Lufthansa und ihrer Partner hervorgehen, was schlussendlich noch höhere Preise bedeuten dürfte.
Durch die starke Konkurrenzsituation auf dem deutschen Markt könnte ein Investment einer starken Airline-Gruppe wie IAG sogar einen positiven Einfluss haben, müsste die Lufthansa diesen doch besonders ernst nehmen. In der Folge könnte gar ein Preiskampf entstehen, der aus Verbrauchersicht dazu führt, dass Flüge nach Nordamerika sogar günstiger werden – mindestens temporär. Als airberlin stark im Nordamerika-Geschäft expandiert hatte, konnte man das vor vielen Jahren ebenfalls beobachten.
Kartellrechtliche Bedenken dürften sich in Grenzen halten
Selbst wenn IAG mittelfristig eine Übernahme von Condor anstreben würde, dürften sich zudem die kartellrechtlichen Bedenken eher in Grenzen halten. Die Wettbewerbshüter haben IAG zwar bei der Air Europa-Übernahme einen Strick gedreht, allerdings war diese geplante Übernahme durch die enorme Machtposition auf der iberischen Halbinsel von Anfang an zweifelhaft. Bei einem möglichen Condor-Investment sieht das anders aus, denn in Zentral- und Osteuropa ist British Airways bislang keineswegs dominant.
Auch auf den transatlantischen Routen würde durch Condor im Joint Venture keine dominierende Position auf den meisten Verbindungen entstehen. Auf Flügen zwischen Städten in Nordamerika und Deutschland hätte Condor auch gemeinsam mit American Airlines einen im Verhältnis zu Lufthansa, Air Canada und United minimalen Marktanteil. Selbst wenn man die Umsteigeverbindungen via London und Madrid einrechnet, entsteht bei Weitem keine relevante Marktmacht, sodass voraussichtlich nicht einmal mit ernst zu nehmenden Konzessionen zu rechnen wäre.
All das macht ein IAG-Investment in Condor nicht nur spannend, sondern für die britisch-spanische Gruppe möglicherweise sogar zu einem Muss. Nachdem ITA Airways und SAS vom Markt sind, bleiben für eine weitere Expansion in Europa kaum mehr Möglichkeiten. TAP und Air Europa dürften der Dominanz von Iberia auf der iberischen Halbinsel wegen, unmögliche Übernahmeziele sein und ein Investment in eine Airline wie LOT erscheint unwahrscheinlich.
Dass es zudem kartellrechtlich kaum Probleme geben dürfte, spricht für ein Investment und damit auch für eine Zukunftsperspektive für Condor im Langstreckenmarkt. Man darf entsprechend gespannt sein, was in den kommenden Wochen und Monaten passiert. Aus Verbrauchersicht wäre eine Zusammenarbeit von Condor und IAG auf jeden Fall zu begrüßen – anders als die meisten anderen Fusionen und Übernahmen.
Ergänzend:
“Seit der Pleite von airberlin*** [….] fehlt in Zentral- und Osteuropa ein Partner innerhalb der oneworld-Allianz”
[…]*** und MALEV
Sehr guter und interessanter Artikel!