Sustainable Aviation Fuels beziehungsweise nachhaltige Flugkraftstoffe stehen immer öfter im Fokus der Berichterstattung – doch was kann man sich darunter eigentlich vorstellen und stellen sie eine langfristige Lösung dar? Das klären wir in diesem Artikel.
Seit wir mit reisetopia Mitglied bei aireg – dem Zentrum für regenerative Flugkraftstoffe in Deutschland – sind, beschäftigen wir uns immer häufiger mit dem Thema. In unseren veröffentlichten News, sehen wir auch immer öfter, dass sich Organisationen wie zum Beispiel die IATA oder auch die Initiative Clean Skies for Tomorrow für eine Förderung von Sustainable Aviation Fuels einsetzen. Auch im hauseigenen Kompensationsprogramm der Lufthansa hat man mittlerweile die Möglichkeit, zusätzliches Geld in den Einsatz dieser Kraftstoffe zu investieren. Der Begriff Sustainable Aviation Fuels verrät natürlich schon einiges über das Produkt, dennoch bleiben vermutlich viele Fragen offen. Wie werden die regenerativen Flugkraftstoffe hergestellt? Was macht sie überhaupt nachhaltig? Warum werden sie noch nicht flächendeckend eingesetzt? Alldem sind wir auf den Grund gegangen und geben hier einen Überblick. Unsere Informationen beziehen wir dabei aus öffentlich zugänglichen Quellen wie der EASA sowie unseren Einblicken, die wir in den aireg-Arbeitskreisen und Veröffentlichungen gewinnen konnten.
Inhaltsverzeichnis
Die unterschiedlichen Formen der Sustainable Aviation Fuels
Es mag vielleicht auf den ersten Blick irritierend klingen, dass in der Thematik ständig der englische Begriff Sustainable Aviation Fuels auftaucht, doch hat er sich, insbesondere durch die Nutzung der Abkürzung SAF bereits so stark in der Literatur verankert, dass auch wir ihn in diesem Zusammenhang verwenden möchten. Auf Deutsch ist die Übersetzung, die es am besten trifft “nachhaltige Flugkraftstoffe”. Auch diesen Begriff wird man daher in unseren Ausführungen über die Thematik immer mal wieder finden.
Abgrenzung zum herkömmlichen Kerosin
Um zu verstehen, was SAF sind, ist es sinnvoll, zunächst einen Blick auf die herkömmlichen Flugkraftstoffe – also das traditionelle Kerosin – zu werfen. Dieses dominiert seit Jahren den Flugverkehr. Kerosin wird aus Erdöl gewonnen und bietet viele vorteilhafte Eigenschaften, die zunächst nach dem idealen Kraftstoff klingen. So gefriert Kerosin erst bei mehr als -45 Grad Celsius und ist deutlich weniger flüchtig und brennbar als Benzin, was einen erheblichen Vorteil für die Sicherheit mit sich bringt. Das sind nur wenige der Punkte, die den Einsatz von herkömmlichen Kerosin so attraktiv machen.
Es gibt allerdings auch entscheidende Nachteile, aus welchen sich dann die Relevanz für die Entwicklung nachhaltiger Flugkraftstoffe ergibt. Mit dem Anstieg der Nachfrage nach Flugreisen – auf kommerzieller sowie privater Ebene – geht auch ein erhöhter Bedarf an Kerosin mit einher. Zwar konnten technische Innovation zu deutlichen Verbrauchseinsparungen führen, die Zahl der Flüge steigt aber (mit Ausnahme der Covid-19 Auswirkungen) permanent an. Durch den sich immer erweiternden Kerosinverbrauch steigen auch die durch den Flugverkehr verursachten CO2-Emissionen immer weiter an, was in gegensätzlicher Richtung zu den Klimazielen steht. Ein weiteres Problem, das sich aus dem Einsatz fossiler Brennstoffe ergibt, ist ihre Endlichkeit. Erdöl ist nur zu einer begrenzten Menge auf der Erde vorhanden und wird eines fernen Tages erschöpft sein. Je mehr eingesetzt wird, desto schneller wird dieser Tag selbstverständlich kommen und das Fliegen auf lange Sicht zu einem Produkt machen, das nur noch einem exklusiven Kreis zur Verfügung steht, der es sich leisten kann, die verbleibenden Kraftstoffvorräte zu horrenden Preisen zu erwerben und einzusetzen. Flugverkehr in seiner heutigen Form wäre somit nicht denkbar.
SAF – Die nachhaltigere Alternative
Hier setzen nun die SAF an, die in verschiedenen Formen auftreten können. Aus nicht-fossilen, nachwachsenden Rohstoffen und anschließenden Umwandlungsprozessen wird “Bio”-Kerosin hergestellt. Die nicht -fossilien Rohstoffe können dabei ganz unterschiedlichen Ursprungs sein, was es manchmal etwas kompliziert macht, wenn man in der Debatte um SAF nicht das ganze Spektrum beleuchtet. Zudem gibt es aktuell sieben zugelassene Herstellungsverfahren für SAF, die alle unterschiedlichen, komplexen chemischen Prozessen unterliegen, die den nachwachsenden Rohstoff in hochtechnologischen Anlagen in Biokerosin umwandeln. Sie heißen etwa “Alcohol-to-Jet Synthetic Paraffinic Kerosene” oder “Hydroprocessed Fatty Acid Esters and Free Fatty Acid”. Welches Verfahren angewandt wird, wird wie man den Namen schon entnehmen kann, maßgeblich davon bestimmt, welcher Rohstoff eingesetzt wird. Die Rohstoffe können dabei grob unterteilt drei verschiedene Ursprünge haben:
Biomasse-basierte SAF
Eine wichtige Form der Sustainable Avaiation Fuels sind die biogenen SAF, die wiederum ein Oberbegriff für alle Arten nachhaltiger Flugkraftstoffe sind, die aus Biomasse erzeugt werden. Solche Biomasse sind zum Beispiel Öle und Fette oder stärke- und zuckerhaltige Rohstoffe wie Pflanzenöle, Mais, Getreide, organische Abfälle oder auch Reste aus der Land- und Forstwirtschaft.
Strom-basierte SAF
Die Strom-basierten SAF werden auch oft als Power-to-Liquid bezeichnet. Sie werden nicht auf der Basis der oben genannten Biomasse hergestellt, sondern aus Stoffen wie Wasser, CO2 und Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Hybride SAF
Hybride SAF enstehen – wie der Name schon vermuten lässt – in hybriden Herstellungsverfahren, worunter Strom- sowie Biomasse-basierte Ansätze zu verstehen sind. Hier kommt neben Strom noch eine weitere Kohlenstoffquelle zum Einsatz.
CO2-Fussabdruck von SAF
Was an dieser Stelle wichtig ist, ist, dass der Einsatz von SAF nicht frei von CO2-Emissionen ist, allerdings große Einsparungen mit sich bringt. Dies liegt daran, dass bei der Nutzung von SAF ein geschlossener CO2-Kreislauf gegeben ist. Bei der Nutzung fossiler Brennstoffe wird ja das CO2, das in Form von Erdgas unter der Erde sitzt, freigesetzt und somit ein CO2-Überschuss hergestellt, der die Atmosphäre zusätzlich belastet. Das CO2, das beim Einsatz von SAF ausgestoßen wird, wurde der Atmosphäre hingegen vorher entzogen. Wenn zum Beispiel Biomasse pflanzlichen Ursprungs genutzt wird, hat diese vorher im Rahmen der Photosynthese bereits CO2 aus der Luft gefiltert. Dieser Prozess führt beim Verbrennen beziehungsweise beim Einsatz der SAF zur CO2 Neutralität, jedoch wird im Herstellungsprozess CO2 freigesetzt, wodurch keine vollständige Klimaneutralität gegeben ist. Die Einsparungen gegenüber herkömmlichen Kerosin sind jedoch immer noch erheblich und können – je nach Herstellungsform – bis zu 80 Prozent betragen. Bei den biogenen Stoffen ist es dabei am besten, wenn wirklich nur Abfälle und Rückstände aus der Produktion eingesetzt werden und nicht extra dafür Rohstoffe angebaut werden. Am “CO2-neutralsten” ist aktuell die Herstellung von SAF aus Strom-basierten Rohstoffen – allerdings nur, wenn der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, ansonsten sähe seine Bilanz ganz anders aus.
Warum nutzen nicht alle Fluggesellschaften einfach SAF?
Beinahe klimaneutrales Kerosin, das in herkömmlichen Flugzeugen eingesetzt, beziehungsweise beigemischt werden kann, bereits praxiserprobt sowie zugelassen ist – das klingt doch hervorragend. Was hindert Fluggesellschaften also, SAF einzusetzen? Wieso können nicht auf einmal alle Fluggesellschaften entscheiden, das herkömmliche Kerosin abzulehnen und nur noch auf die klimafreundlichere Variante zu setzen? Weshalb befinden wir uns immer noch an einem Punkt, an dem kaum eine Marktentwicklung zu erkennen ist und SAF ein wahres Nischendasein führen? Dies liegt an einem Zusammenspiel aus vergleichsweise hohen Herstellungskosten sowie fehlenden Förderungen und Subventionen. Die Herstellung von SAF ist mit heutigem Stand noch um ein Vielfaches teurer als die Herstellung von konventionellem Kerosin, was natürlich auch ihren Marktpreis erheblich in die Höhe gehen lässt. In einer so kompetitiven Industrie wie der Luftfahrt ist das damit schon das Argument der Fluggesellschaften gegen den Einsatz von SAF – es ist schlichtweg nicht rentabel und lässt sie nicht wettbewerbsfähig agieren. Dadurch, dass die Nachfrage gering bleibt, kann sich auch kein Massenmarkt entwickeln, der dann im Umkehrschluss die Herstellungskosten senken würde. Auch sind noch längst nicht alle Anlagen auf dem Stand, dass sie den Markt bedienen könnten, aber auch diese Entwicklung wird aufgrund von Investitionsstaus nicht im nötigen Tempo vorangetrieben.
Nationale und internationale Regularien und Subventionen könnten dem entgegenwirken. Aktuell gibt es für Fluggesellschaften nämlich nahezu keinerlei Anreize auf SAF zu setzen, da sie mit herkömmlichen Kerosin viel günstiger fliegen können und nicht für die dadurch verursachten Umweltfolgen aufkommen müssen. Es gibt lediglich einige Vorteile, die den Fluggesellschaften im EU-Emissionshandel entstehen, da durch die etwas bessere Umweltbilanz durch den Einsatz von SAF schlussendlich nicht so viele Emissionszertifikate gekauft werden müssen. Dies scheint jedoch nur ein wirklich kleiner Anreiz zu sein. Aus diesem Grund hat zum Beispiel auch die IATA bereits die Regierungen der Welt dazu aufgefordert, die Herstellung von SAF zu subventionieren, um ihren Einsatz marktfähig zu machen.
Wieso wird gerade auf SAF und nicht auf Wasserstoff- oder Elektroflugzeuge gesetzt?
Sustainable Aviation Fuels klingen wahrlich nicht schlecht, dennoch kommt sicherlich bei vielen die Frage auf “Warum sollen wir auf Technologien setzen, die immer noch CO2 ausstoßen, wenn es doch auch andere Innovationen wie Wasserstoff-betriebene Flugzeuge geben kann?” Die Antwort darauf könnte simpler nicht sein – Zeit und Realisierbarkeit sind wohl mit die Hauptgründe, weshalb die Sustainable Aviation Fuels aktuell so sehr in den Fokus der Debatte gelangt sind. Denn selbst wenn es immer mal wieder bahnbrechende Nachrichten über Wasserstoff-Flugzeuge oder Elektroflugzeuge gibt, so sind wir aktuell noch weit entfernt von einer flächendeckenden Markteinführung. Innerhalb des nächsten Jahrzehnts – oder noch länger – wird sich daran auch nicht viel ändern. Denn man muss bedenken, dass dies für die Fluggesellschaften ab einem gewissen Punkt auch das komplette Umrüsten der Flotte bedeuten würde. Die SAF können allerdings bereits jetzt eingesetzt werden. Sie lassen sich einfach dem herkömmlichen Kerosin beimischen, sodass per sofort der CO2-Ausstoß essenziell verringert werden würde.
Selbstverständlich wird auch weiterhin an Wasserstoff- und Elektroflugzeugen geforscht und dort hinzukommen sollte ein langfristiges Ziel sein, das nicht aus den Augen verloren werden darf. Um die Zeit bis dahin aber sinnvoll zu nutzen und schon heute etwas zur Erreichung der Klimaziele zu tun, ist der Einsatz von SAF daher unabdingbar.
Fazit zum Entwicklungsstand der Sustainable Aviation Fuels
Sustainable Aviation Fuels sind ein spannendes und komplexes Themengebiet, das deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient, da darin so viel ungenutztes Potenzial liegt. Wird es marktfähig, so könnte es die Aviatik zumindest umwelttechnisch revolutionieren und den Weg in ein CO2-neutraleres Fliegen ebnen. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, regelmäßig über Entwicklungen und Forderungen in diesem Zusammenhang zu berichten, damit die Thematik aus ihrer Nische herausgeholt werden kann und sie im öffentlichen Diskurs zur Selbstverständlichkeit werden kann.