Die Quarantänepflicht war lange der Stützpfeiler der deutschen “Corona-Abwehr” – so zumindest wirkten die Regeln rund um Reisen. Von einem Tag auf den anderen soll das nun vorbei sein, ganz zur Freude der Industrie.

Es gibt immer Gewinner und Verlierer, wenngleich in der Coronakrise Letzetere sicher überwogen haben. Was die deutsche Politik allerdings mit Blick auf Reisen in den letzten zwölf Monaten kommuniziert und festgeschrieben hat, erscheint wie ein schwindelerregender Kurs. Wenngleich man mit Blick auf die geplante neue Einreiseverordnung sagen möchte “Ende gut, alles gut”, muss man sich doch fragen, wie stark die wissenschaftliche Evidenz am Ende bei den Themen Tourismus und Reisen ins Ausland am Ende wirklich eine Rolle spielt.

Sicherheit durch Tests oder doch durch Quarantäne?

Auf Politikwissenschaftler warten in den nächsten Jahren spannende rückblickende Themen, denn eine Analyse der Coronapolitik dürfte in zahlreichen Bereichen interessante Ergebnisse bringen. Reisen und besonders die Einreiseverordnung dürften hier ein explizit interessantes Forschungsgebiet werden. Das liegt schon daran, dass nahezu jedes Land der Welt einen anderen Weg gegangen hat. Doch bleiben wir bei Deutschland. Angefangen hat einstmals alles mit einem generellen Reisestopp im März, April und teilweise im Mai – kein Tourismus, keine Auslandsreise, alles stand still. Ob das die richtige oder falsche Entscheidung war, muss gar nicht unbedingt geklärt werden, denn mit Blick auf das fehlende Wissen über das Virus ist rückblickend auch eine zu harte Entscheidung nicht zwingend eine falsche. Fraglicher ist allerdings, was danach passiert ist, denn dann ging es scheinbar auf eine reine Achterbahnfahrt der wissenschaftlich (Nicht-)evidenz.

Park Hyatt Maldives Strand

Als die Grenzen noch dicht waren, ging es für viele zuerst wieder auf Reisen innerhalb von Deutschland – entsprechendes Hygienekonzept vorausgesetzt. Doch schon im Juni ging es auch international wieder los, natürlich überall mit anderen Regeln. Bei der Rückreise nach Deutschland war – niedrigen Inzidenzen zum Dank – in den allerwenigsten Fällen irgendeine Maßnahme notwendig, kein Test und auch keine Quarantäne. Doch spätestens mit den Sommerferien wurde es kompliziert, erst kam die allgemeine Testpflicht für Risikogebiet – dann begannen wieder die Diskussionen um eine Quarantäne bei der Rückreise. Die Diskussionen zogen sich lange und erst im November kam es zur Änderung: Sicher war nun nicht mehr ein Test bei der Einreise, sondern eine Quarantäne nach der Einreise – der Test wurde stattdessen gestrichen, auch weil es zwischenzeitlich einen Mangel an Kapazitäten gab.

Was bedeutet Risikogebiet und was sind Virusvariantengebiete?

Schon die Begründung lässt sich die wissenschaftliche Grundlage etwas zweifelhaft erscheinen. Doch richtig kompliziert sollte es erst im Jahr 2021 werden, denn nachdem es einstmals nur Risikogebiete gab, folgten bald die Virusvariantengebiete und dann auch noch die Hochinzidenzgebiete. Für alle drei gibt es unterschiedliche Regeln, die wiederum zwischenzeitlich verändert wurden. In allen Fällen galt allerdings weiterhin: Bei der Rückreise ist eine Quarantäne notwendig, teilweise aber zusätzlich noch ein Test und dieser wiederum vor oder nach der Einreise. Um all dem die Krone aufzusetzen, schafften es die niedrigen Coronazahlen auf Mallorca, die deutsche Politik zu einem weiteren Kuriosum zu bewegen: Einer Testpflicht unabhängig von der Inzidenz – also immer bei Auslandsreisen, nicht aber bei Inlandsreisen. Spätestens da waren die Grenzen zwischen Nichtrisiko-, Risiko-, Hochinzidenz- und Virusvariantengebieten völlig verschwommen und die meisten Reisenden allen voran ratlos. Noch einmal kurz zur wissenschaftlichen Evidenz: Die Pflicht zum Test gibt es nur bei Flugreisen, nicht aber bei Kreuzfahrten, Zugreisen oder Autofahrten – das Virus schaut offensichtlich ganz konkret auf das Verkehrsmittel.

Cala Agulla Mallorca

Scheinbar muss auch die Politik an irgendeinem Punkt bemerkt haben, dass diese Komplexitäten zu weit gehen. Ab Mitte Mai gibt es nun gar keine Quarantäne mehr, es sei denn man kehrt aus einem Virusvariantengebiet zurück. Alle anderne brauchen nur noch einen negativen Test bei der Einreise. Geimpfte und Genese reisen bald wahrscheinlich sogar wieder ganz ohne Einschränkungen zurück nach Deutschland. Bei der Einreise wird teilweise zudem noch ein Test gefordert, zum Beispiel in Spanien oder in Griechenland. Für Geimpfte und Genese ist die perfekte Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Unio aber in fast allen Ländern schon wieder da – viel schneller als manch einer das nach dem Hin und Her der letzten Monate und den dauernden Verschärfungen im Frühjahr 2021 wohl gedacht hat. Die spontane Trendwende wirkt dabei fast überstürzt, besonders nachdem der “Viruseintrag” (sicherlich eines der schönsten Worte des Jahres) lange Zeit als ein gravierendes Problem deklariert wurde.

Frühlingshafte Lockerungspolitik oder Gleichbehanlungsgrundsätze?

Mit dem wunderbaren Wetter der letzten Tage kamen in Deutschland vermehrt echte Frühlings- oder gar Sommergefühle auf. Entsprechend ausführlich sind auch die Lockerungen in den letzten Tagen ausgefallen. Selbst im besonders “harten” Bayern sollen an Pfingsten die Hotels wieder eröffnen, anderswo werden Pläne die Außengastronomie und mancherorts gar für die Innengastronomie geschmiedet. Doch dass das Ende der Quarantäne bei der Einreisequarantäne in den Kanon der Frühlingslockerungen passt, darf man in Zweifel stellen. Immerhin handelt es sich hier um eine der Kompetenzen des Bundes, der sich gemeinhin sehr stark zurückhält, wenn es um Lockerungen. Ob Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Gesundheitsminister Jens Spahn – der Spitzenpolitik geht es in den Ländern eigentlich schon wieder viel zu schnell. Wie passt da eine neue Quarantäneverordnung hinein, die eigentlich genau dem entspricht, worauf die Industrie seit vielen Monaten pocht?

Kreta

Hintergrund dürften Schwierigkeiten sein, die mit dem Ende der Einschränkugnen für Geimpfte und Genese einhergehen. Schon seit Sonntag müssen diese bei einer Einreise nach Deutschland in den meisten Bundesländern nicht mehr in Quarantäne, sofern sie aus einem Risiko- oder Hochinzidenzgebiet zurückkehren. Dabei soll die Verordnung egentlich nur eine Gleichstellung zwischen Genesenen, Geimpften und Negativ-Getesteten bringen – etwa für Besuche beim Friseur oder das Einkaufen in Ladengeschäften. Bei Reisen allerdings war diese Art von Gleichbehandlung nicht gegeben, denn nicht nur brauchen Geimpfte und Genese oft keinen Test bei der Einreise ins Urlaubsland, sie müssen auch nicht in Quarantäne. Die Testpflicht vor der Rückreise besteht vorerst weiter, auch sie könnte aber bald fallen. Für diejenigen, die brav auf ihre Impfung warten oder nicht geimpft werden wollen, hätte beides gegolten – rechtlich und besonders auch politisch eine zweifelhafte Konstellation, die schlussendlich auch das Ende der besonders striktren Einreiseregeln bewirkt haben dürfte.

Wie geht es weiter mit dem Tourismus?

Bleibt die Frage, welche Folgen die neuen Regeln entfalten werden? Klar ist hier auf jeden Fall schon wieder, dass es Gewinner und Verlierer geben wird. Fluggesellschaften dürften sich freuen, denn ein Ende der Quarantäneregeln könnte zu einem echten Ansturm auf internationale Reisen führen. Heimische Tourismusbetriebe, denen lange versprochen wurde, dass sie die ersten sein werden, dürften zu den Verlierern werden. Nicht nur sind internationale Reisen in manche Regionen mit deutlich laxeren Regeln schon seit Monaten wieder möglich – teils sogar wegen geringer Inzidenzen – nun wird dem internationalen Tourismus förmlich freien Lauf gelassen. All das kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem in vielen Bundesländern noch immer nicht klar ist, wann touristische Beherbungen wieder möglich sein werden. Unter diesen Vorzeichen ist es absolut verständlich, dass sich Reisende eher für Rom als für Rügen und eher für Dubai als für Dresden entscheiden.

Rom 1

Insgesamt allerdings dürfte der Startschuss für die Reisebranche gefallen sein, denn nach den Öffnungen in Europa, erscheint langsam aber sicher auch eine Annäherung mit einigen interkontinentalen Zielen wieder möglich. Italien und Griechenland wollen sich für Amerikaner öffnen und auch die EU-Kommission zeigt sich für Reisefreiheit zwischen den beiden Kontinenten offen. Es erscheint dabei nicht mehr gänzlich unrealistsich, dass es schon bald wieder deutsche Touristen in den USA geben könnte. Ein Szenario mit dem man so schnell wohl nicht gerechnet hätte. Klar ist für den Moment aber: Die neue Einreiseverordnung macht vieles wieder möglich und dürfte spätestens im Juni wieder dazu führen, dass Flughäfen wieder so aussehen, wie man sie kennt – ganz so voll wie vor der Krise wird es zwar noch nicht, aber der Totentanz ist vorbei.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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