Die Lufthansa hat am gestrigen Dienstag, dem 23. Mai, mitgeteilt, vier weitere Airbus A350-900 kurzfristig in die Flotte aufnehmen zu wollen. Dabei handelt es sich wieder einmal um sogenannte White Tails – die Diversität wächst damit wohl weiter bis ins Unermessliche.

Vier weitere Airbus A350 machen die Lufthansa, gemeinsam mit ihren bisherigen Bestellungen und bereits ausgelieferten Flugzeugen, zu einem der größten Betreiber dieses Modells. Doch ein Airbus A350 ist nicht gleich ein Airbus A350. Im Gegenteil: Die Diversität der Flotte lässt sich wohl kaum besser bei der Lufthansa erklären, als beim neuen Flaggschiff des Kranichs. Wir haben einmal nachgefragt, was uns in diesen Modellen erwartet und fassen die aktuelle und zukünftige Flottenplanung der Lufthansa auf der Langstrecke zusammen. Natürlich gibt es weiterhin wenig Klarheit bei den Details, deshalb versuchen wir dafür zu sorgen.

Diversität: Mehr als Lovehansa

Diversität ist in der heutigen Zeit ein wichtiges und dringliches Thema, so auch für die Lufthansa. So schreibt sich der Kranich Diversität nicht nur groß auf die Fahne – oder auf einem Airbus A320neo -, sondern auch in anderer Hinsicht spielt das Wort Diversität eine, vielleicht ungeplante, große Rolle. Denn die Lufthansa hält nicht nur an ihrer Lovehansa Kampagne fest, wie zuletzt mitgeteilt, sondern muss auch etwas unfreiwillig auf Diversität setzen – und zwar bei ihrer Flottenplanung.

Rückblendung: Vor über drei Jahren erreichte auch Europa das Coronavirus, zumindest offiziell. Das führte zu weltweiten Lockdowns und Grenzschließung. Der Flugverkehr war besonders von den damaligen Maßnahmen, und den darauffolgenden, betroffen. Airlines mussten ihre Flugzeuge mindestens größtenteils am Boden behalten oder gar den Flugbetrieb gänzlich einstellen, für kurze Zeit und für immer. Auch die Lufthansa musste reagieren und schickte einen Großteil ihrer Flotte in den verspäteten Winterschlaf.

Die Kurzstreckenflotte wurde dabei kurzfristig eingelagert. Die Langstreckenmodelle fungierten noch mit ihren Kapazitäten als Rückhol-Shuttle aus den verschiedenen Urlaubsgebieten weltweit. Doch vor allem diese Teilflotten wurden im Anschluss in einen womöglich nie enden wollenden Tiefschlaf geschickt, zumindest sahen das die Pläne vor. Der einzig positive Effekt: Die Lufthansa kann ihre diverse Flotte bei sich selbst und den vielen Tochterfluggesellschaften ausdünnen.

Die Pläne von gestern wurden vorgestern schon längst überholt

Und das war dringend nötig. Betrachtet man allein die Flotte der Lufthansa vor der Pandemie, so dürfte wohl kaum eine andere Airline über eine so diverse Flotte verfügt haben, wie der Kranich selbst. Vor allem die Langstreckenflotte sollte vereinheitlicht werden. Die Flotte der Zukunft sah 2020 folgende Konstellationen vor:

  • Bei den wirklich großen Flugzeugen konnte man vor der Pandemie die Boeing 747-400, Boeing 747-8 und den Airbus A380 finden. Von diesen drei Flugzeugtypen sollte nur noch die Boeing 747-8 verbleiben. Zudem sollte die neue Boeing 777-9 auch die Boeing 747-400 ersetzen.
  • Bei den großen Langstreckenflugzeugen, bestehend aus Flugzeugen vom Typ Airbus A340-600 und dem Airbus A350-900, sollte nur der Airbus A350 bestehen bleiben und als neues Flaggschiff der Airline aufgebaut werden.
  • Bei den kleineren Langstreckenflugzeugen, bestehend aus Flugzeugen des Typs Airbus A340-300 und Airbus A330-300, sollte mittelfristig nur Airbus A330-300 verbleiben. Zudem kommt hier aber der gänzlich neue Flugzeugtyp, die Boeing 787-9, ins Spiel.

Doch natürlich kam alles anders als geplant. Die Boeing 747-400 erlebte ihr frühzeitiges Comeback bereits im Jahr 2021. Und auch die immer wieder dementierten Möglichkeiten, den Airbus A380 zu reaktivieren, wurden letztlich doch noch umgemünzt. Der erste Superjumbo wird im Juni wieder für die Lufthansa, diesmal nur noch ab München, im Einsatz sein.

Gerade die Piloten haben in den Jahren oft gestreikt

Der Airbus A340-600 kam ebenfalls wieder zurück und ist ein wichtiger Faktor, um die verlorenen First Class-Kapazitäten bieten zu können, und das mittlerweile auch wieder ab Frankfurt. Der Airbus A340-300 hingegen verschwand nie von der Bildfläche und dient weiterhin als wichtiges Rückgrat in der Einsatzplanung. Gleichzeitig konnte die Lufthansa auch die ersten Boeing 787-9 in Empfang nehmen. Damit verfügt die Lufthansa selbst aktuell über acht verschiedene Flugzeugtypen. Zwei neue werden in den kommenden Jahren zudem noch folgen. Und dabei sprechen wir bislang nur von der Lufthansa selbst. Denn innerhalb der Lufthansa Group verfügt die Lufthansa auch noch über Flugzeuge vom Typ Airbus A330-200 sowie Boeing 767 und 777.

Das eigentliche Problem

Sicherlich hat die Corona-Pandemie vor allem gezeigt, wie kurzfristig und flexibel Fluggesellschaften reagieren müssen. Die Nachfrage sank zunächst auf null und sprang immer wieder rapide zu Grenzöffnung und Ferienzeiten an. Das scheint sich langsam auf einem hohen Niveau wieder zu normalisieren – den Inlandsflugverkehr einmal ausgeklammert, denn dieser erholt sich nur in Deutschland nicht mehr. Doch mit dieser Flexibilität musste die Lufthansa wieder schnell von ihren eigentlichen Plänen abweichen. Hinzukommen aber noch die Lieferschwierigkeiten bei Airbus und Boeing. Die Boeing 777-9 verzögert sich um weitere Jahre und auch der Lieferstopp der Boeing 787 konnte nur mit der Übernahme der White Tails zumindest etwas überbrückt werden – dazu gleich mehr.

Die Lufthansa plant einen enorm schnellen Umbau der Flotte

Auch Airbus kommt bei der Auslieferung des A350 nicht wie geplant hinterher. Die Reaktion der Lufthansa: Der Kauf von weiteren A350-900 als White Tails und eines weiteren neuen Modells, dem Airbus A350-1000. Das lässt die Flotte der Lufthansa nicht nur auf zehn verschiedene Langstreckenmuster wachsen, sondern erhöht die Vielfalt innerhalb der einzelnen Teilflotten noch mehr. Denn die Lufthansa befindet sich schon seit Jahren, zumindest im geplanten, Umbruch. Mit der Ankunft der Boeing 777-9 sollte eigentlich eine neue Kabinenausstattung vorgestellt werden. Diese Pläne mussten auf andere Flugzeugtypen angepasst werden. Zudem, oder besser gesagt deshalb, verfügt die Lufthansa noch immer größtenteils über ihre alte Business und First Class. Mit Allegris soll bereits Ende dieses Jahres die neue Kabinenausstattung Einzug erhalten.

Die neue Suite Plus dürfte einer der teuersten Flugzeugsitze überhaupt werden

Bis weitere Flugzeuge ab Werk mit der neuen Kabine folgen, wird noch einiges an Zeit vergehen. Ältere Flugzeuge, die sich bereits in der Flotte befinden, sollen nicht alle mit der neuen Kabine ausgestattet werden. Dieses Ziel scheint man bislang auch bei den White Tails verfolgt zu haben. Denn diese Flugzeuge waren zuvor für andere Airlines bestimmt oder bereits im Einsatz und stoßen bislang auch in diesen Konfigurationen zur Lufthansa. So verfügt man aktuell beim Airbus A350-900 bereits über zwei verschiedene Business Class-Kabinen. Mit dem jüngsten Neuzugang, den vier weiteren White Tails, die vermeintlich von LATAM stammen sollen, würde vermutlich eine dritte Kabine Einzug beim Kranich erhalten. Die Lufthansa wollte dies uns gegenüber aber noch nicht bestätigen:

Über die Vorbesitzer geben wir keine Auskunft. Welche Kabine die Maschine erhält, ist noch nicht entschieden.

Statement eines Pressesprechers der Lufthansa gegenüber reisetopia

Zudem kamen im gleichen Atemzug Gerüchte über weitere Airbus A350 White Tails auf, die zuvor für South African Airways flogen. Sollte die Lufthansa also zum einen an der bisherigen Strategie festhalten, würde man beim Airbus A350 in diesem Jahr über drei verschiedene Business Class-Kabinen und im kommenden Jahr mit Allegris sogar über vier verschiedene Business Class-Kabinen verfügen. Sollten zudem die White Tails von South African noch übernommen werden, wären dies bereits vier in diesem und fünf im nächsten Jahr. Die Diversität ist also nicht nur bei den Mustern immens groß, sondern auch bei den Konfigurationen und Kabinenausstattungen. Denn das endet nicht bereits bei der Ausstattung einer Business Class, sondern setzt sich bei der Ausrüstung der Galleys und Lavatories, der Triebwerke und Lichter fort. Und dabei dürfen wir die Boeing 787 nicht vergessen, die ebenfalls von einer anderen Airline übernommen wurde und Ende des Jahres mit der neuen Allegris dann ebenfalls über zwei verschiedene Konfigurationen verfügt.

Ein Ausblick in die Zukunft

Wahrscheinlich bleibt der Lufthansa aktuell nichts anderes übrig, als die kommenden Jahre mit einer nie zuvor da gewesenen Diversität zu überbrücken. Die Nachfrage steigt, und das vor allem auch in den Premium-Reiseklassen. Die Lufthansa muss schnell die Kapazitäten wieder hochfahren und zeitgleich mit der Produktumstellung beginnen. Solange die geplanten Lieferungen von Airbus und Boeing nicht eintreffen, muss die Lufthansa mit den vielen White Tails und der Reaktivierung längst Totgesagter eben arbeiten. Doch diese Strategie, so kontrovers das auch klingen mag, wird helfen, die Langstreckenflotte mittelfristig und damit schnell zu vereinheitlichen.

Und schließlich ist Diversität, in jeglicher Hinsicht, auch kein allzu schlechtes Unterfangen, oder?

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Autor

Alexander Fink ist als Content Editor seit Januar 2021 für reisetopia tätig. Zuvor war er als Account Manager in der Industrie beruflich unterwegs und schrieb von seinen Reiseerfahrungen im eigenen Blog. Heute ist er Euer Ansprechpartner für alle Airline- und Kreditkartenthemen.

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