Die zweitgrößte Fluggesellschaft in Australien muss in die Insolvenz. Nachdem sich der Staat nicht auf eine Hilfszahlung einigen konnte und die Investoren kein Geld mehr nachschießen wollten, steht die Airline nun vor dem Untergang.

Virgin Australia hat in den letzten Wochen in Folge des Coronavirus um die eigene Zukunft und intensiv um Staatshilfen gekämpft. Doch die bei Kunden beliebte Airline mit Sitz in Brisbane könnte dennoch vom Himmel verschwinden, denn in Folge der Streichung nahezu aller Flüge (obwohl einige im Mai wieder aufgenommen werden sollen) hat die Airline keine Einnahmen mehr und kann keine Zahlungen mehr leisten. Deshalb hat die Airline nun in Australien Insolvenz angemeldet. Ähnlich wie in Deutschland gibt es hierfür ein Insolvenzverfahren in Eigenregie – möglicherweise könnte dieses Virgin Australia sogar retten. Offiziell soll der Beginn des Verfahrens morgen bekannt gegeben werden, wie Reuters berichtet.

Australien entscheidet sich gegen Staatshilfe für Virgin Australia

Wenngleich der Heimatbundesstaat von Virgin Australia, Queensland, eine Rettung der Airline angestrebt hatte, hat sich die australische Regierung trotz des Coronavirus gegen eine Rettung entschieden. Insgesamt 1,4 Milliarden Australische Dollar (etwa 820 Millionen Euro) Staatshilfe hatte Virgin Australia gefordert, um das eigene Überleben zu sichern. Bedenkt man, dass Virgin Australia eine Flotte von nur etwas mehr als 100 Maschinen hat und weniger als ein Dutzend interkontinentale Routen fliegt, ist diese Summe auch im Verhältnis recht hoch.

Virgin Australia Boeing 737

Entscheidend wird allerdings auch gewesen sein, dass der Haupt-Konkurrent von Virgin Australia, Marktführer Qantas, aktive Lobbyarbeit gegen mögliche Staatshilfen gemacht hat. Die Airline ist finanziell deutlich besser aufgestellt als der Konkurrent und sollte somit besser durch die Krise kommen. Qantas selbst hat keine Staatshilfen beantragt und wollte entsprechend mit allen Hilfen verhindern, dass Virgin Australia gerettet wird – wohl mit Erfolg. Zur Wahrheit gehört dabei aber auch, dass Qantas seit Jahren Gewinne erwirtschaftet, während Virgin Australia mit vielen Problemen zu kämpfen hat, das Coronavirus hat diese nur verschlimmert. Allein im zweiten Quartal des Vorjahres hat die Airline fast 90 Millionen australische Dollar verloren, primär wegen hohen Verlusten im internationalen Geschäft.

Trotz der Insolvenz wird Virgin Australia bis auf Weiteres die geplanten Flüge in den kommenden Tagen wieder aufnehmen – hierfür erhält die Airline genauso wie Konkurrentin Qantas direkte Gelder vom Staat, sodass die Routen ohne Verluste bedient werden können.

Virgin Australia könnte trotz Insolvenz überleben

Die Insolvenz in Eigenregie in Australien unterscheidet sich zwar von dem deutschen Verfahren, doch die grundlegende Idee ist dieselbe: Die Fluggesellschaft soll durch eine Art Schutzschirm davor geschützt werden, dass weitere Gelder abfließen. Dafür übernimmt ein Insolvenzverwalter das Ruder und trifft entsprechende Entscheidungen für die Zukunft der Airline. Dabei sollte sich auch recht schnell herausstellen, ob es eine positive Tendenz auf eine Fortführung des Betriebs gibt. Sollte dies der Fall sein, wird man versuchen, neue Investoren zu finden und die Fluggesellschaft neu aufzustellen – dazu könnte auch eine Verkleinerung des Flugbetriebs gehören. Ein Überleben von Virgin Australia ist also durchaus möglich.

Problematisch ist bei Virgin Australia in den letzten Jahren aber nicht nur, dass die Airline in den letzten Jahren bereits finanziell angeschlagen war, sondern auch, dass sie eine sehr komplexe Anteilseigner-Struktur hat. Bis vor einigen Jahren war noch Star Alliance-Mitglied Air New Zealand einer der Hauptinvestoren, hat sich dann aber zurückgezogen. Verblieben ist ein bunter Misch aus verschiedenen anderen Airlines, die in das Unternehmen involviert sind. Dazu gehören Singapore Airlines, die HNA Group (Hong Kong Airlines, Hainan Airliens) und Etihad Airways, die jeweils etwa einen Fünftel der Anteile halten. Der wichtigste kommerzielle Partner, die US-amerikanische Airline Delta, ist nicht beteiligt. Dabei ist die Zusammenarbeit bei transpazifischen Strecken und Verbindungen über diese hinaus finanziell für Virgin Australia besonders wichtig.

Ebenfalls weiterhin investiert ist die Virgin Group, welche auch die Mehrheit an Virgin Atlantic hält – auch diese Airline kämpft aktuell ums Überleben.

Fortbestehen von Virgin Australia könnte systemrelevant sein

Diskutiert wurde in den letzten Tagen über die mögliche staatliche Rettung von Virgin Australia auch unter dem Aspekt der Systemrelevanz. Zwar hat Australien mit Qantas eine andere große Airline, die im Prinzip auf allen Strecken von Virgin Australia ebenfalls unterwegs ist, doch ein Monopol soll unter allen Umständen verhindert werden. Ohne Virgin Australia wäre dieses allerdings mehr oder weniger unvermeidbar, denn die beiden anderen relevanten Airlines in Australien – Tigerair und Jetstar – sind jeweils Töchter der beiden Großairlines des Landes. Sollte Virgin Australia also genauso wie nach der Finanzkrise Star Alliance Mitglied Ansett Australia vom Markt verschwinden, wäre Qantas Monopolist und könnte die Preise auf Inlandsflügen und auch einigen Auslandsverbindungen bestimmen.

Virgin Australia Domestic Business Class Kabine

Zu bedenken gilt gleichwohl allerdings, dass Qantas auf internationalen Verbindungen viel Konkurrenz hat – besonders auf Strecken nach Nordamerika, Asien und Neuseeland. Um ein Monopol zu verhindern, wäre also nur Konkurrenz im Inland notwendig, sodass Teil der selbstverwalteten Insolvenz von Virgin Australia eine Re-Fokussierung auf Inlandsflüge sein. Damit hatte die Airline einstmals begonnen, das internationale Netzwerk konnte zudem zu keinem Zeitpunkt auch nur im Anstaz mit der größeren Konkurrentin mithalten. Sollte Virgin Australia also gesundschrumpfen und zu einem Inlandskonkurrenten werden, könnte etwa auch eine Mitgliedschaft in einer Allianz wieder ein Thema werden. Abhängen wird ein solches Szenario aber auch von den aktuellen Teilhabern.

Es erscheint unwahrscheinlich, dass Etihad Airways oder die HNA Group weiter investieren werden. Die arabische Airline hat ihre unzähligen teuren Investments mittlerweile aufgegeben und sich etwa auch bei der airberlin Pleite sowie bei Alitalia und Air Serbia zurückgezogen. Die HNA Group ist unter so großem Druck, dass sie selbst ihre eigenen Airlines Hainan Airlines und Hog Kong Airlines kaum mehr in der Luft halten kann. Bleibt die dank Staatshilfe aktuell gut aufgestellte Singapore Airlines – ob mit diesen Geldern allerdings ein Investment in eine verlustbringende Airline gerechtfertig ist, darf man infrage stellen. Sollte Virgin Australia also eine Zukunft hatten, dann wohl mit komplett neuen Teilhabern. Unter normalen Umständen wäre Delta hier ein heißer Kandidat, doch auch die gut wirtschaftenden und international stark in andere Airlines investierten Amerikaner, haben aktuell andere Probleme.

Fazit zur Insolvenz von Virgin Australia

Viel spricht gegen eine positive Zukunft von Virgin Australia, denn ohne Staatshilfe und mit Investoren, die aktuell selbst genügend Probleme haben, spricht wenig für einen Erfolg der Insolvenz in Eigenregie. Gleichzeitig ist die Airline nahezu systemrelevant, um ein Monopol von Qantas bei Inlandsflügen zu verhindern. Man kann für die bei Passagieren sehr beliebte Airline nur das Beste hoffen, auch wenn die Chancen nicht allzu gut stehen.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Interessanter Artikel. Ich bin gerne in Australien. Inlandsflüge sind dort im Vergleich mit den USA jetzt schon recht teuer. Wenn nun Virgin Australia weg fällt und Qantas ein Monopol hätte, dürften australische Inlandsflüge noch teurer werden als ohnehin schon. Und wenn es keine ernstzunehmende Konkurrenz für Qantas gibt, hat Qantas keinen Anreiz mehr sich mit besserer Leistung abzuheben und die Service-Qualität etc. wird ebenfalls leiden. Ein Monopol wäre für den Passagier also in mehrfacher Hinsicht schlecht. Bin gespannt, wie das weiter geht…

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