Der Verkauf von Condor ist endgültig gescheitert. Die Muttergesellschaft der polnischen LOT hat gegenüber dem Handelsblatt bestätigt, dass Condor über diesen Schritt informiert wurde – für Condor ist die Entscheidung eine Katastrophe.

Was sich in den letzten Tagen bereits angedeutet hat, wurde nun bestätigt: Die polnische PGL wird den deutschen Ferienflieger Condor doch nicht übernehmen. Das Unternehmen hat sich trotz eines bereits unterzeichneten Kaufvertrags von dem Deal zurückgezogen und wird die deutsche Airline nicht übernehmen. Hintergrund ist vermutlich das Coronavirus, das sowohl das Geschäftsmodell von Condor als auch von LOT Polish Airlines enorm ins Wanken gebracht hat. Ein Sprecher der PGL hat die gescheiterte Übernahme gegenüber dem Handelsblatt bestätigt.

PGL gibt keine Gründe für den Rückzieher an

Zwar gibt es schon seit Wochen Gerüchte darüber, dass sich die Mutter der polnischen Nationalfluggesellschaft LOT von dem Kauf zurückziehen würde, konkret hat sich die Gruppe allerdings auch mit dem heutigen Tag nicht zu den Gründen geäußert. Gegenüber verschiedenen Medien hat das Unternehmen nur erklärt, dass man sich vom Kaufvertrag zurückzieht. Ob damit Vertragsstrafen verbunden sind, ließ die Firma ebenfalls im Ungewissen. Zuletzt wurde allerdings bereits spekuliert, dass PGL entsprechende Strafen gegen Beraterkosten und andere mit dem möglichen Kauf in Verbindung stehende Kosten gegenrechnen könnte.

LOT Boeing 787 Dreamliner
LOT muss voraussichtlich selbst Staatshilfen in Anspruch nehmen

Condor hat sich bislang genauso wenig wie die deutsche Bundesregierung, welche Condor einen Überbrückungskredit von 380 Millionen Euro gewährt hatte, zum geplatzten Deal mit der PGL geäußert. Fest steht, dass PGL zuletzt versucht hatte, beim Wirtschaftsministerium hohe Garantien auszuhandeln, um eine Übernahme noch möglich zu machen. Diese hätten allerdings laut verschiedenen Berichten so hoch gelegen, dass Condor mehr oder weniger an die PGL verschenkt worden wäre. Dass diese Garantien nicht gewährt wurden, war vermutlich auch der Grund für das endgültige Aus des Kaufvertrags. Ursprünglich vereinbart wurden diese beim Kauf aber auch nicht, sodass bereits vermutet wurde, dass die Verhandlungen nur dem Zweck dienten, einen Grund zum Ausstieg zu finden.

LOT braucht voraussichtlich selbst Staatshilfe

Dass sich PGL in den letzten Wochen mit dem geplanten Kauf immer schwerer getan hat, hängt wohl primär mit den Auswirkungen des Coronavirus zusammen. Die Tochter LOT Polish Airlines hat schon vor wenigen Wochen den Flugbetrieb komplett eingestellt und gerät aktuell finanziell immer weiter unter der Druck. In den Jahren vor der Krise hatte das Star Alliance Mitglied durchaus erfolgreich, aber auch schnell expandiert. In der Gewinnzone war die Fluggesellschaft damit zuletzt noch nicht angetan, zumal gerade erst weitere Basen eröffnet wurden, unter anderem auch im ungarischen Budapest. Von hier flog die Airline zuletzt sogar in die USA.

Dass diese Expansion in Zeiten der Coronakrise zu einem Problem wird, zeigt sich bei LOT wohl immer deutlicher.  “Im Fall der Lot kommen wir sicher nicht ohne öffentliche Hilfe aus”, hatte etwa Polens Schatzminister Jacek Sasin kürzlich in einem Interview mit einem polnischen Fernsehsender gesagt. Dass die Airline allerdings Staatshilfe bekommt, während sie für hunderte Millionen Euro eine ausländische Fluggesellschaft übernimmt, wäre den polnischen Bürgern wohl kaum zu verkaufen gewesen. Schlussendlich könnte das einer der Hauptgründe sein, warum die Übernahme von Condor nun gescheitert ist.

Geschäftsgrundlage von Condor ist so unsicher wie nie

Natürlich wird bei der endgültigen Entscheidung von PGL gegen die Übernahme der LOT auch die Erfolgsaussicht der Airline eine Rolle gespielt haben. Diese nämlich ist so unsicher wie nie, denn auch wenn Condor im letzten Geschäftsjahr ein positives Ergebnis verzeichnen konnte, wird 2021 wie bei allen anderen Fluggesellschaften auch zu einem katastrophalen Jahr. Condor allerdings könnte besonders stark von den Einflüssen des Coronavirus betroffen sein, da die Airline ausschließlich grenzüberschreitende Flüge anbietet. Wann diese wieder möglich sein werden, kann aktuell niemand sicher voraussagen.

Condor Boeing 767-300
Die Zukunft von Condor ist äußerst unsicher

Dazu kommt, dass Condor primär zu Zielen fliegt, die den Auswirkungen des Coronavirus besonders stark betroffen sind – auf der Mittelstrecke ist das besonders Spanien, auf der Langstrecke die USA. Auch wenn sich die Lage in Deutschland bessert, könnte es für Condor noch Monate dauern, bis eine Wiederaufnahme des Betriebs wieder möglich ist. Dazu wird die Nachfrage nach Urlaubsflügen möglicherweise noch Jahre unter den Folgen des Virus und sich einer anbahnenden Wirtschaftskrise leiden. Als wäre all das noch nicht genug, ist Condor auch noch von den taumelnden Reiseveranstaltern abhängig, die aktuell ebenfalls mit enormen Schwierigkeiten kämpfen.

Bundesregierung wird Condor vermutlich erneut stützen

Was der Rückzieher von PGL schlussendlich für Condor bedeuten wird, dürfte sich in den kommenden Tagen zeigen. Eigentlich wäre eine Rückzahlung des KfW-Brückenkredits von 380 Millionen Euro übermorgen fällig geworden. Daraus wird nun garantiert nichts mehr, denn Condor hat nicht die notwendigen finanziellen Mittel, um den Kredit zurückzuzahlen. Dass die Bundesregierung allerdings in der Coronakrise den Ferienflieger in die Insolvenz gehen lässt, erscheint äußerst unwahrscheinlich. Im Gespräch ist deshalb auch bereits seit Tagen eine Aufstockung des aktuellen Kredits um weitere 580 Millionen Euro, womit der Bund allerdings ein enormes Risiko eingeht.

Zwar hatte es bei der ursprünglichen Übernahme durch die PGL noch weitere Interessenten gegeben, darunter neben der Lufthansa auch ein Private Equity-Investor, doch ob in den Zeiten nach dem für die Luftfahrt verheerenden Coronavirus noch Appetit auf eine Übernahme besteht, darf man bezweifeln. Die Lufthansa hat zudem aktuell eigene Probleme und muss sich vermutlich vom Staat helfen lassen. Gleichzeitig sind Fluggesellschaften weltweit so wenig wert wie seit Jahren nicht mehr, das gesamte Geschäftsmodell der globalen Airlines steht infrage. Ob unter diesen Voraussetzungen möglich ist, dass sich ein Käufer für die angeschlagene Condor, die zudem dann wohl mit einem Kredit von über 500 Millionen Euro belegt ist, erscheint sehr fraglich.

Fazit zum Rückzieher der PGL vom Condor-Kauf

Einen schlimmeren Zeitpunkt für einen Rückzieher hätte es für Condor nicht geben können. Zwar sind die Hintergründe der PGL in Anbetracht der Auswirkungen des Coronavirus auf die Luftfahrt sicherlich nachvollziehbar, dennoch steht Condor mit der Entscheidung vor dem Aus. Eine erneute staatliche Rettung ist die einzige Chance für die deutsche Ferienfluggesellschaft, auch in Zukunft weiterzuleben. Dass die Bundesregierung der Airline erneut zur Seite steht, ist wahrscheinlich. Ob sich allerdings ein Käufer für die dann enorm verschuldete Airline finden lässt, ist offen.

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Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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  • Die meisten Verträge, bei denen es um den Kauf von Unternehmen geht, enthalten sog. MAC-Klauseln. MAC heißt hier material adverse change. Diese Klauseln besagen meistens, dass die Parteien i.d.R. zwischen Unterschrift und Wirksamwerden des Vertrages vom Vertrag zurücktreten können, wenn sich die Umstände materiell verschlechtern. Auch wenn ich kein Jurist, sondern nur Kaufmann bin, ist das, was jetzt gerade in der Airline- bzw. ganzen Tourismus-Branche passiert, für mich geradezu ein Paradebeispiel für die Anwendung einer MAC-Klausel.

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