Die Krisensituation der Deutschen Bahn dehnt sich immer weiter aus, die Zielsetzung der kommenden Jahre quasi unerreichbar. Eine grundlegende Restrukturierung muss her, das fordert die Gewerkschaft.
Das Vorhaben mit der doppelten Passagierzahl innerhalb von maximal zehn Jahren wird sich wohl nicht im Sinne der Deutschen Bahn entscheiden, fürchten der Aufsichtsrat. Das berichtet das Fachmagazin FVW. Die Forderung nach einer Strategieänderung kommt jetzt vonseiten der Gewerkschaft. Ein Überblick.
Zielsetzungen der Langzeitstrategie quasi unerreichbar
Immer lauter werden die Stimmen, die mitunter ernsthafte Zweifel an der Langzeitstrategie der Deutschen Bahn formulieren – und sie kommen inzwischen von allen Seiten. “Der heutige DB-Konzern ist zu groß, zu schwerfällig, hat zu viele Hierarchieebenen, verzettelt sich im Ausland und leidet unter den Eigeninteressen von Politik und Gewerkschaften”, kritisiert zum Beispiel Torsten Herbst, Mitglied des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Pandemie habe katastrophale wirtschaftliche Folgen, äußerte hingegen Klaus-Dieter Hommel, der als Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) außerdem das Amt des Vize-Chefs beim Bahn-Aufsichtsrats innehat.
Die bisher geplante Verdopplung der Reisenden im Fernverkehr bis 2030, ein wesentliches Ziel der ‘Starken Schiene’, ist nicht mehr realistisch.
Klaus-Dieter Hommel, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Vize-Chef des Bahn-Aufsichtsrats
Die geplanten Zielsetzungen für das kommende Jahrzehnt – eine im Jahr 2019 unter dem Motto der “Starken Schiene” formulierte und übergreifende Konzern-Strategie – werden auch im Angesicht von Covid-19 täglich unerreichbarer. Statt vorheriger Expansionspläne wollte man sich bei der Deutschen Bahn vorerst nur noch auf sich selbst konzentrieren, und inländisch stagnierende Buchungszahlen sowie das angekratzte Image des Konzerns in die Hand nehmen. Neben einer Verdoppelung (Vergleich: 2015) der Passagierzahlen im Fernverkehr auf mehr als 260 Millionen jährlich strebte man eine weitere Milliarde zusätzlicher Buchungszahlen im Regionalverkehr an. Außerdem sollte die Transportleistung im Güterverkehr um 70 Prozent wachsen. Durch Corona werden diese Vorhaben nicht nur gänzlich unrealistisch – der diesjährige Einbruch der Fahrgastzahlen ist nahezu beispiellos.
Gewerkschaft fordert realistische Ziele in der Konzernstrategie
Nur: Damit ist es noch nicht vorbei. “Die Bedingungen der Zeit vor Corona werden nicht mehr wiederkommen”, befürchtet auch Klaus-Dieter Hommel. “Die Hoffnung, dass die Menschen mit einem Impfstoff wieder so in die Züge kommen werden wie früher, wird sich nicht erfüllen.” Die Auswirkungen der Pandemie begünstigten ein verändertes Reiseverhalten, Geschäftsleute beriefen sich zum Beispiel auf Videokonferenzen. Zwar könne man in den vergangenen Monaten eine seit Jahren nicht dagewesene Pünktlichkeit der Fernzüge vermelden, doch auch dieser – eigentlich positive – Umstand ist Covid und den damit einhergehenden Auslastungs-Dürre zu verdanken.
Wir wollen die Investitionen, die ohnehin knapp sind, nicht an der falschen Stelle tätigen.
Klaus-Dieter Hommel, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Vize-Chef des Bahn-Aufsichtsrats
In der Zukunft bräuchte es neben überdachten Prioritäten eben auch realistische Ziele in der Konzernstrategie, so die Forderungen Hommels. Man müsse zeitliche Abläufe überprüfen, neue Geschäftsmodelle vorantreiben und eine übergreifende Plattform für Mobilitätsdienste verschiedener Verkehrsmittel werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) machte deutlich, man wolle das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste nicht aus den Augen verlieren, denn die Bahn müsse wieder Rekordzahlen erreichen. Bis zu elf Milliarden Euro Verluste erwartet die Deutsche Bahn mit Bezug auf die Pandemie. Allein in diesem Jahr dürfte die Konzernbilanz einen Verlust von 5,6 Mrd. Euro verzeichnen, wie übereinstimmende Medienberichte aus Unternehmenskreisen wiedergeben.
Fazit zur Strategieänderung bei der Deutschen Bahn
Im Angesicht der diesjährig so horrenden Verlustzahlen sieht sich der Deutsche Bahn-Konzern von allen Seiten mit massiver Kritik konfrontiert. Während die Gewerkschafter eine grundlegende Restrukturierung fordern, möchte die Politik an bestehenden Konzernstrategien festhalten, wenngleich diese im Sinne der Krise durchaus angepasst werden müssen. Das Unternehmen erwartet mit rund elf Milliarden Euro einen beispiellosen Verlust durch die landesweit stagnierenden Buchungszahlen aufgrund von Covid-19.