Nach über eineinhalb Jahren Pandemie ist die Reiselust größer als je zuvor. Zwar standen bei vielen schon einige Kurz- und Mittelstreckenreisen auf dem Programm – die großen Fernreisen blieben bisher allerdings aus.

Grenzöffnungen auf der einen Seite – “Lockdown light” auf der anderen. Aktuell stehen wir wieder an einem Punkt, an dem die Diskussionen um coronabedingte Einschränkungen so präsent sind, wie seit Monaten nicht mehr. Für Geimpfte gibt es vielerorts nicht mehr viele Beschränkungen zu beachten. Doch ist es der richtige Zeitpunkt, wieder mit den großen Reisen zu beginnen? Als reisebegeisterte Person würde man natürlich am liebsten sofort in den nächsten Flieger steigen und neue, unbekannte Destinationen erkunden – aber fühlt es sich in der jetzigen Situation richtig an? Diese Ausgangslage habe ich zum Anlass genommen, die Frage, ob Fernreisen aktuell vertretbar sind, etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Konträre Schlagzeilen

Seit ich doppelt geimpft bin, habe ich mir ums Reisen ehrlich gesagt nicht mehr so viel den Kopf zerbrochen. Die überschaubaren innereuropäischen Flüge, die anstanden, konnte ich problemlos antreten und auch sonst fühlte sich die letzten Wochen das meiste wieder “normal” an. Da inzwischen nach und nach – fast wie im Dominoeffekt – auch immer mehr Fernziele ihre Grenzen für den Tourismus öffnen, habe ich aber natürlich auch wieder verstärkt über etwas entferntere Destinationen nachgedacht. Gedanklich war ich bereits in der Vorweihnachtszeit in New York und im Frühjahr in Südamerika oder Südafrika den niedrigen Temperaturen hierzulande entflohen.

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Ganz unpassend in diesen Gedankenspielen ist dabei natürlich die aktuelle Entwicklung, die wir in vielen europäischen Ländern – und auch in Deutschland – beobachten. Die Corona-Fallzahlen steigen in Rekordhöhen und auch spitzt sich die Lage auf den ersten Intensivstationen wieder zu. Wiederholt sich also der letzte Herbst und Winter? Das hofft natürlich niemand und immerhin sind größere Einschränkungen für Geimpfte auch erst einmal nicht vorgesehen. Doch ist dies der richtige Zeitpunkt, um an Fernreisen zu denken?

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Inmitten dieser Überlegungen war ich überrascht, als ich vor einigen Tagen die folgende Schlagzeile las: “Virologe Kekulé hält Fernreisen für vertretbar“. So etwas sieht man aktuell eher weniger, denn schon ein paar Artikel weiter lese ich nur noch von “beängstigenden Zahlen” sowie einem möglichen ““Lockdown light” für Ungeimpfte“. Was hat der Virologe für Argumente mitgebracht?

Hygienekonzepte an den Destinationen sind wichtig

Auf der Jahrestagung des Deutschen Reiseverband (DRV) hat Kekulé geäußert, dass auch in der jetzigen Lage nicht unbedingt etwas gegen Fernreisen spricht, solange die Destinationen ein ordentliches Hygienekonzept vorweisen. Hier möchte er gerade die Reiseveranstalter verpflichten, die dazu beitragen sollen, dass die Reisenden sich genauso sicher fühlen sollen wie zuhause. Unter Umständen kann es sogar in warmen Destinationen “sicherer” sein, da man sich mehr draußen aufhalten würde als im kalten Winter in Deutschland.

Natürlich kommt es neben den Hygienekonzepten an den Destinationen auch noch auf viele weitere Faktoren an. Einige Dinge bzw. Fragen, die man sich meiner Meinung nach definitiv stellen sollte, sind: Wie hoch ist die Impfquote im Land? Plant man einen “einsamen” Aufenthalt in einer Ferienwohnung am Strand oder Couchsurfing? Wie viel Kontakt sucht man zur Lokalbevölkerung?

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Kommt man hierbei zu dem Ergebnis, dass die Hygienekonzepte ausreichend sind, die Impfquote hoch ist und man sich auch sonst nicht unnötig vielen Menschenmassen aussetzen möchte, scheint das Ziel also weniger das Problem einer Fernreise zu sein.

Wo der Virologe allerdings Bedenken hat, ist beim Fliegen an sich, denn es wurde bereits von der IATA vorgeschlagen, dass man die Maskenpflicht abschaffen sollte, wenn nur noch Geimpfte und Genesene im Flieger sitzen. Hier rät Kekulé eindringlich auch Geimpften “beim Fliegen eine FFP2-Maske auf”zusetzen. Dann wären auch die Risiken einer Ansteckung während des Fluges deutlich geringer. Dies finde ich durchaus einen wichtigen Punkt, denn wie wir aktuell mehr denn je erfahren, können auch Geimpfte noch immer ansteckend sein.

Trotz der generellen Vertretbarkeit von Fernreisen betont er aber auch, dass im kommenden Jahr noch viel mehr möglich sein wird. Denn seinen Einschätzungen zufolge könnte diese Winterwelle die letzte große sein und Corona anschließend zum Normalzustand werden – mit dem man zu leben und zu reisen lernen wird.

Verantwortung liegt bei den einzelnen

Einen Freifahrtschein für Langstreckenreisen wird einem zum jetzigen Zeitpunkt dennoch niemand ausstellen – ebenso wenig aber auch für Weihnachtsfeiern, Nächte in Bars, Clubs oder Wellnesstage in der städtischen Therme. Wer geimpft ist, kann mit gewissen Vorsichtsmaßnahmen und zum Teil kostenpflichtigen Tests fast alle “normalen” Dinge machen. Während es für mich in den ersten Lockdowns – bevor es den Impfstoff gab und die vulnerablen Gruppen der Gesellschaft geschützt werden konnten – nicht infrage kam, mich mit erhöhten Reisetätigkeiten einer Infektionsgefahr auszusetzen, sehe ich die Lage nun aber auch anders. Dies bedeutet nicht, dass ich mich sofort in den nächsten Langstreckenflieger setze, doch es ist inzwischen wieder zu etwas sehr normalem geworden, wenn einem jemand von der nächsten Fernreise erzählt. Einen großen Unterschied zu Kurzstreckenreisen sehe ich – außer der Flugdauer – ebenfalls nicht.

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Und solange das eine erlaubt und allgemein “moralisch vertretbar” ist, sollte für Langstreckenreisen nicht unbedingt eine Ausnahme gemacht werden. Hier gilt dann natürlich nur für jeden einzelnen, sich an die Regelungen der Destination zu halten und mit dem unwahrscheinlichen Fall zu rechnen, dass ein Test vor Abflug positiv ausfällt und eine Quarantäne in einem fernen Land anstehen könnte.

Wie vertretbar findet Ihr Fernreisen zum aktuellen Zeitpunkt?

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Autorin

Wenn Anna unterwegs ist, ist sie in ihrem Element. Selten ist sie mehr als ein paar Tage am selben Ort. Der nächste Kurztrip oder eine Fernreise stehen immer schon in ihrem Kalender. Nach ihrem Tourismus-Studium konnte sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen und teilt auf reisetopia.ch ihre Erfahrungen, Tipps und News aus der Reisewelt mit euch.

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  • Fernreisen zum aktuellen Zeitpunkt finde ich völlig in Ordnung, ich bin gerade selber in Südafrika unterwegs, wo das Infektionsgeschehen deutlich geringer ist. Durch Impfungen ist das Virus kontrollierbarer geworden, Lockdowns nicht mehr zwingend erforderlich.

  • Die aktuelle Lage ist bei Weitem nicht so dramatisch, wie sie erscheint. Klar, die Zahlen sehen nicht gut aus. Allerdings muss man dabei auch im Auge behalten, dass sich mittlerweile wieder sehr viele Menschen auf engem Raum treffen, meinethalben in Stadien. Im Frühstadium der Pandemie wäre dies eine Katastrophe gewesen.

    Wer sich auf Fernreisen begibt, weiß ohnehin nicht erst seit heute oder der Corona-Pandemie, dass er (oder sie, entschuldigung Anna …) sich geeignet um Eigenschutz kümmern muss. Da gibt es ja noch Malaria, Gelbfieber, Tollwut, …

  • In einem südamerikanischen All-Inclusive-Club dicht gedrängt mit US-amerikanischen Impf-/Maskenverweigerern bis in die Morgenstunden Vollgas zu feiern erhöht das Risiko. In Ländern mit strengem Test-/Maskenregime wie Thailand einen einsamen Strandurlaub zu machen senkt das Risiko. Wie auch zuhause hängt es primär vom eigenen Verhalten ab und weniger wo dieses stattfindet…

  • Für mich sind Reisen absolut vertretbar. In den meisten Fällen reisen gesunde und doppelt geimpfte Erwachsene. Die klassischen Risikogruppen sind kaum am Flughafen anzutreffen. Jeder der sich der Risiken bewusst ist, sollte auch reisen (können). Einige Virologen haben ja relativ zuverlässig vorausgesagt, wie es sich weiterentwickeln wird. Offenbar wird das Virus nicht verschwinden. Warum also alles aufschieben ?

  • Ich halte Fernreisen absolut für vertretbar. Aktuell sitzt niemand im Flugzeug, der nicht 3G erfüllt, denn die allermeisten Länder verlangen für die Einreise 3G, zum Teil zur vollständigen Imfung noch einen negativen aktuellen PCR-Test.
    Ein Restrisiko wird immer bleiben und das muss man hinnehmen!
    Für jede andere Erkrankung muss man keinen Nachweis erbringen, dass man diese Erkrankung nicht hat, z.B. Influenza.
    Als jemand, der Covid-19 mit einem schweren Verlauf durchgemacht hat, weiß ich um die Gefährlichkeit. Ein schwerer Influenza-Verlauf, den ich in 2017 durchgemacht habe, ist nicht weniger gefährlich.

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