Es wirkt fast so, als wäre nach den schwersten Monaten der Coronavirus-Pandemie alles wieder normal, auch mit Blick auf Reisen. Doch bis es zu einer echten Erholung kommt, dürfte noch sehr viel Zeit vergehen.
Wer auf die letzten Tage und Wochen zurückblickt, erkennt eine ziemlich deutliche Rückkehr zur Normalität. Volle Terrassen in Restaurants, größere Treffen im Park oder sogar tausende Fans im Fußballstadion – das Coronavirus ist nicht mehr die einzig dominierende Meldung. Davon profitiert der Tourismus, denn mittlerweile sind überall im Land auch wieder touristische Übernachtungen möglich, wenn auch teilweise noch mit bestimmten Einschränkungen. Teils sehr hohe Preise deuten darauf hin, dass die Reiseindustrie jetzt so richtig profitieren könnte – doch bis es zu einer echten Erholung kommt, dürfte es noch eine ganze Weile dauern.
Geringe Auslastung in Stadthotels
Die Gründe dafür sind vielfältig, allerdings zeigt sich aktuell besonders ein Problem: eine sehr unterschiedliche Verteilung der Reiseströme. Was aus Sicht der Gäste sehr gut nachvollziehbar ist, erweist sich für die Hotels als sehr problematisch – gerade im Luxussegment. Während die Preise an den Küsten und Seen in nie dagewesene Höhen steigen und die Auslastung schon jetzt in manchen Sommermonaten bei mehr als 100 Prozent liegt, tun sich Stadthotels noch immer schwer. Es gibt sogar weiterhin zahlreiche Hotels, die ihre Türen noch gar nicht wieder geöffnet haben. Im Luxussegment kommt das weniger häufig vor, aber gerade Hotels mit mittleren Segment warten teilweise lieber noch mit einer Öffnung, denn die Auslastung ist wohl auf absehbarer Zeit noch nicht kostendeckend.
Das zeigt sich schon daran, dass selbst die geöffneten Stadthotels mit einer Auslastung von vielfach nur rund 25 Prozent oder sogar weniger zurechtkommen müssen. Natürlich gibt es auch hier noch einmal Unterschiede, so zieht die Auslastung in Städten wie München oder Hamburg, die mit mehr Grün- und Wasserflächen daherkommen, stärker an als etwa in Frankfurt oder auch in Berlin. Dass der Städtetourismus im heißen Sommer sowieso nicht unbedingt präferiert wird, ist dabei keine große Neuigkeit. Doch dieses Jahr kommt der Faktor hinzu, dass Verbraucher größere Städte und damit auch Menschenansammlungen generell lieber meiden wollen. Damit aber noch nicht genug, denn die Hotels in Großstädte müssen auch damit zurechtkommen, dass zusätzlich die Geschäftsreisenden wegbleiben. Noch immer verbieten viele Firmen geschäftliche Reisen, bei anderen sind sie zumindest stark eingeschränkt.
Einschränkungen und Verwirrung für Gäste
Doch es ist nicht nur die fehlende Nachfrage, mit der Hotels momentan zu kämpfen haben, auch beim Angebot sind die Häuser noch immer eingeschränkt. Ähnlich wie im letzten Sommer sind in vielen Hotels noch lange nicht alle Einrichtungen vollständig nutzbar. So dürfen etwa die Schwimmbäder noch nicht überall wieder öffnen, allgemein scheinen die Gesundheitsämter mit Blick auf Erholungsbereiche besonders kritisch hinzuschauen. Für Gäste bedeutet das häufig, dass sie zwar weiterhin viel Geld bezahlen, aber eben nicht alle Bereiche nutzen können. Zwar bessert sich die Lage hier von Woche zu Woche, doch gerade Hotels mit einem großen Zusatzangebot über das Zimmer hinaus werden stark getroffen – gerade in Städten, wo ein Pool ein echtes Alleinstellungsmerkmal sein kann.
Die zudem je nach Bundesland auch noch grundlegend unterschiedlichen Regelungen mit entsprechender Komplexität sorgen dafür, dass Gäste teilweise auch ganz wegbleiben – entweder wegen verscheidener Testkriterien oder weil völlig unklar ist, was wann und wie geöffnet ist. Viele Hotels tun sich auch mit der Kommunikation schwer, sodass es vor Ort zu unangenehmen Überraschungen kommt. Dass Gäste dadurch in diesen Zeiten lieber auf die nächste Buchung verzichten, kommt nicht überraschend. Daraus wird dann gewissermaßen wieder ein Teufelskreis, der keine echten Gewinner kennt, denn den Hotels kann man auch nicht immer einen Vorwurf machen – vielfach fehlt es ihnen schlichtweg am Personal, um neben dem normalen Betrieb auch noch jegliche Einschränkungen und tägliche Änderungen zu kommunizieren.
Steigende Kosten und Exodus beim Personal
Dass auf absehbare Zeit alles wieder normal wird, glaubt schon deshalb niemand – doch die Einschränkungen und Aktualisierungen dürften über die Zeit immerhin weniger werden. Ein anderes Problem allerdings bleibt, denn laut verschiedenen Schätzungen haben mehrere zehntausend Fachkräfte der Tourismusindustrie in den letzten Monaten den Rücken zugekehrt. In allen Bereichen der Hotellerie fehlen mittlerweile Mitarbeiter, die sich in der Krise umorientiert haben. Bekannte Ketten berichten von einem echten Exodus, teils haben 30 oder gar 40 Prozent der Mitarbeiter aufgehört – eine Lücke, die sich vielfach nicht füllen lässt. Da gleichzeitig der Aufwand für den Betrieb von Hotels noch einmal gestiegen ist, schon allein der zusätzlichen Vorschriften wegen, muss das verbliebene Personal noch mehr leisten – zumal bei vielen Hotels auch weiterhin nicht gerade wenige Mitarbeiter in Kurzarbeit sind.
Temporär ist das sicherlich hinnehmbar, aber gerade langfristig ergeben sich Probleme, denn die momentane Situation dürfte die Hotellerie in Deutschland nachhaltig verändern. Die hierzulande vergleichsweise niedrigen Preise für Beherbegungen dürften in den nächsten Jahren starten, denn Hotels müssen voraussichtlich mehr Geld für Personal bezahlen und zudem damit zurechtkommen, dass die Auslastung auf absehbare Zeit kein Vorkrisenniveau mehr erreichen wird. Gerade in Städten dürfte es noch Jahre dauern, bis sich die Hotellerie wirklich erholt hat. Ob es überhaupt die Chance gibt, dass alles wieder wird wie vor der Krise, darf man anzweifeln. Fest steht dagegen, dass es jede Menge Bewegung geben wird – etwa durch Ketten, die individuelle Hotels aufkaufen und in ihr Portfolio aufnehmen.
Ich weiss nicht in welchem Land Moritz lebt, aber die Aussage “Die hierzulande vergleichsweise niedrigen Preise für Beherbegungen” ist n meinen Augen völliger Quark!
SZ Magazin stellt regelmäßig Hotels vor, in Deutschland, Österreich, Sudtirol liegen die Raten pro Person (!!) durchweg 120-200€/Nacht und das wird im Allgäu, Garmisch und Meran auch bezahlt! Das sind 300-400€(=600-800 DEM) /Nacht. Unvorstellbar dass sowas vor 15 Jahren bezahlt worden wäre.
Wenn sich deine Aussage auf Geschäftsreisen bezieht, sei bedacht dass die großen Unternehmen Vorgaben haben und Vetragshotels oft nur gewinnen, wenn sie um die 80-90€ incl Frühstück für’s Einzelzimmer bieten. Damit kann auch ein Hotel in München, Berlin, Hamburg leben. Dass internationale Ketten anders rechnen ist bekannt….
Hi Jimmy, ich akzeptiere da gerne auch andere Meinungen. Was die Durchschnittsrate für Hotelübernachtungen angeht, gibt es weltweit kaum ein anderes Land, das im Verhältnis zwischen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bzw. Nettoeinkommen der Haushalte so niedrig Übernachtungspreise hat. Dass es Ausreißer nach oben gibt, gerade je nach Saison und Lage, steht außerfrage. Allerdings sind die Beherberungspreise im Verhältnis zu Ländern wie Italien, Frankreich oder den USA ausgesprochen niedrig. 300 bis 400 Euro im Allgäu & Co mögen in der Saison viel klingen, aber auf griechischen oder italienischen Inseln sind es dann eben auch gut und gerne mal vierstellige Raten.
Ich habe auch ein ganz gutes Gefühl für die Preise, die Großunternehmen für ihre Mitarbeiter in den Kettenhotels sowie generell dem Luxussegment bezahlen – auch hier ist der Schnitt in Deutschland deutlich niedriger als in anderen Märkten.
Abgesehen von den Meta-Daten (lassen sich auch via Statista etc. gut finden) lohnt dazu auch einfach ein Vergleich der Preise, zum Beispiel zwischen den europäischen Hauptstädten.
Urlaubs Hotel in deutschen Tourismus Regionen (Allgäu, Bodensee, Alpen), Österreich und Südtirol sind durch die Bank durch die Decke. Die von mir o.g. Preise werden von Privatpersonen für Urlaube bezahlt weil das Marketing halt besonders gut funktioniert: Wellness, Gourmet-Pension etc. Ausserdem verwechseln viele deutsche Hotelier immer noch den Zimmerpreis pro Person mit den Raten fürs Doppelzimmer im nicht-deutschsprachigen Ausland. Dazu kommt eine Stornopolitik aus den 1985 und womöglich lästige Diskussionen über die Zahlung mit Kreditkarte wegen der hoooohen Gebühren. (z.B. Hotel Orphee in Regensburg “Liebe Private Gäste bitte bezahlen Sie nicht mit KreditkartKarte” – kein Witz)
Geschäftsübernachtungen: auch hier erinnere ich mich an die K-Messe in Düsseldorf 2019 also halb China eingeflogen wurde und die Raten in nie da gewesene Höhen gingen (1000€ für Holiday Inn), weil die Chinesen jeden Preis von ihrem Staat bezahlt bekamen (ist meine Theorie und die dürfte stimmen, kein deutsches Kunststoffunternehmen bezahlt diese Raten auch nicht zu Messezeiten, dann fährt man täglich 150km einfach)
Nicht vergessen darf man, dass Hotelmärkte immer lokal sind. Es gibt Städte, die bis 2015 keinerlei lowcost hotels hatten (einfachst Zimmer mit AC und Parken vor der Türe für 40-50€) aber die lokalen Hotelier ihre versifften Zimmer ohne AC (oft auch ohne Wifi) zu regulären Zeiten für 80-90€/Nacht verkaufen konnten, weil es keine Alternative gab.
Ich versuche immer noch zu verstehen, in welchen Höhen die deutschen (welche Berlin, München, Frankfurt, Düsseldorf Hamburg oder was verstehst du unter “deutsche Hotelraten”?) den sein müssten. Schwierig zu sagen welche Rate die Kosten gerade noch deckt, aber mir kann keiner erzählen, dass die Hotels auch in low-demand Zeiten ihre Zimmer besser verkaufen, wenn sie unter dem break-even anbieten?
Wer was anderes glaubt ist Opfer von Marketing und Lobbyisten geworden!
Vieles wird davon abhängen wie stark sich das Messegeschäft in den nächsten Monaten und Jahren erholt. Hier in Nürnberg, einem großen Messestandort, gab es seit 16 Monaten keine einzige Präsenzmesse. Die Stadthotels leiden entsprechend darunter, können sie doch normalerweise zu Messezeiten die höchsten Preise aufrufen und damit so manche Flaute ausgleichen. Es gibt Meinungen, die in die Richtung gehen, dass das Messegeschäft nie wieder das Gleiche sein wird wie vor der Krise. Das würde wohl automatisch zu einer Schrumpfung auf dem Markt der Stadthotels führen.
Generell werden sich Stadthotels in Zukunft strecken müssen. Bei meinen Reisen in den letzten Wochen habe ich genau das leider nicht gesehen. Manche Hotels haben nach wie vor die Wasserkocher nicht wieder auf die Zimmer gebracht (um Kosten für Tee- und Kaffezubehör zu sparen?), manche Minibar bleibt erst mal leer. Warum eigentlich? Wären doch die Minibars eine nette zusätzliche Einnahmequelle. So wird es jedenfalls nichts mit der Zurückgewinnung der Reisenden.
Die “Stadthotels” haben meiner Meinung nach 2 Probleme:
Bei Geschäftsreisen, Meetings, Kongresse etc. sind potentielle Teilnehmer bzw. deren Kostenverantwortliche unter dem Druck der Corona-Maßnahmen drauf gekommen, dass moderne Kommunikationsmittel Reisen vielfach überflüssig machen und man so Geld sparen kann – das zur Zeit fast überall fehlt.
Private Städtereisen bedeuten Sightseeing, Kulturkonsum – für Familien mit Kindern eher unattraktiv. Ältere Leute, vielleicht schon im Ruhestand sowie Singles und kinderlose Paare sind nicht so “extrem ausgehungert”, warten vielleicht eher noch ab – also auch keine akute Nachfrageerholung.