Der Leitspruch “Reisen verbindet” geht in den letzten Monaten immer weiter verloren – an der so wunderschönen Nebensache zeigt sich eine erschreckende Spaltung der Gesellschaft.

Es ist keine Frage, dass die Krise rund um das Coronavirus generell dazu geführt hat, dass sich verschiedene Lager bilden. Das liegt nicht nur an teils schwacher politischer Kommunikation, sondern zweifelsfrei auch am so unglaublich diffusen und immer wieder wechselhaften Geschehen rund um das Coronavirus. Diese Entwicklung sorgt aktuell für eine unglaubliche Polarisierung des Themas Reisen, bei dem es längst nicht mehr um falsch und richtig geht, sondern nur noch um das eigene Verständnis der aktuellen Situation. Diese Entwicklung ist gefährlich und sollte schnellstmöglich enden. Es ist an der Zeit, wieder zusammenzufinden und sich auf persönliche Freiheiten zurückzubesinnen.

Team Mallorca oder Team Balkonien

Der Mallorca-Urlaub ist in den letzten Wochen zu einem Synonym der Diskussion um Reisen geworden. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich niemand darüber aufgeregt hat, dass man im Herbst noch entspannt in vielen italienischen Regionen, im Winter noch auf griechischen Inseln oder im Frühjahr in Istrien Urlaub machen konnte – jeweils ohne Test und Quarantäne bei der Rückreise. Doch als auf einmal Mallorca kein Risikogebiet mehr war, begann der große Aufschrei. Auf einmal war die Rede vom eingeschleppten Virus, den gefährlichen Mutanten (die es auf Mallorca entweder in der Form der südafrikanischen nicht gibt oder die wie die britische weniger verbreitet ist als in Deutschland) und natürlich vom unvorsichtigen Urlauber. Dass es auch einen gar nicht einmal so schmalen Grat dazwischen gibt – geschenkt.

Cala Agulla Mallorca

Auf der einen Seite der Diskussion finden sich diejenigen wieder, die gerne davon sprechen, dass man in der Pandemie mehr auf die Wissenschaft hören müsste. Beim Mallorca-Urlaub war diese Maxime dann allerdings verloren, denn evidenzbasiert sprach nichts für eine Ausbreitung des Virus durch Urlaubsrückkehrer – das haben Zahlen des RKI aus dem letzten Sommer eindrucksvoll gezeigt. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die jegliche Reise- und Quarantänebeschränkungen generell für Humbug halten – gemeint sind damit nicht nur diejenigen, die auch die Pandemie als solche infrage stellen. In den Kommentaren auf reisetopia und auch auf zahlreichen anderen Webseiten und in den sozialen Medien beanspruchen beide Seiten die absolute Wahrheit für sich – die Fronten sind verhärtet. Besonders betroffen macht mich das persönlich in unserer eigenen Community, denn eigentlich sind wir hier, weil uns das Reisen verbindet – und nicht spaltet.

Mediengemachte Panik und die Angst der Politik

Dass das Thema Reisen in den letzten Wochen wieder so zentral in der Debatte rund um das Coronavirus geworden ist, liegt auch an den Medien. Dieses Argument soll keineswegs denjenigen in die Hände spielen, die gerne von Gleichschaltung sprechen, ist beim Mallorca-Urlaub aber dennoch angebracht. Meine “Filterblase” auf Google News und Facebook wird jeden Tag von Dutzenden Berichten größerer Medien (die sonst nichts mit Reisen am Hut haben) zu Mallorca überschwemmt. Dabei geht es vielfach längst nicht um eine ausgewogene Berichterstattung. Ein Beispiel gefällig? Viele Medien haben liebend gerne die Meldung aufgenommen, dass zwei Deutsche Urlauber auf Mallorca in ein Quarantänehotel mussten. O-Ton: Die Testpflicht war bitter notwendig. Dass es sich allerdings um zwei einreisende Urlauber handelte, die in Deutschland keinen PCR-Test gemacht hatten und die Infektion nicht nach Deutschland ein, sondern aus Deutschland heraus geschleppt hätten – darüber wurde nur einem Nebensatz berichtet.

Als die Fallzahlen (vor der Welle deutscher Urlauber) gestiegen war, wurde sofort über die Folgen der Öffnungen für den Tourismus berichtet – obwohl noch fast niemand da war. Zwei Wochen später sinken die Zahlen wieder, nachdem oder während die Urlauber vor Ort sind – darüber aber wird nur sehr selten geschrieben. Gleichzeitig ist die Angst der Politik vor dem gesellschaftlichen und medialen Druck nachvollziehbar, denn die letzten Monate haben gezeigt: Der Politik werden in diesen Zeiten keine Fehler verziehen. Deutschland ist insgesamt zwar weiterhin hervorragend durch die Pandemie gekommen – mit Blick auf die Zahlen und auch wirtschaftlich – doch das Misstrauen und die Unzufriedenheit ist dennoch enorm hoch. Dass andere Länder schneller impfen, liegt weniger an Fehlern in der deutschen Politik, sondern an der Angst vor Fehlern.

Cap Formentor Mallorca

Dass sich diese Angst auch auf Reisen (Stichwort Mobilität) ausweitet, ist nicht überraschend. Sofern herauskommen sollte, dass auch nur ein Mallorca-Urlauber das Virus nach Deutschland getragen hat, wäre der Aufschrei groß – die Rede wäre von Politikversagen. Dass gleichzeitig zehntausende Infektionen in der Woche hinzukommen, weil wir weiterhin U-Bahn fahren, im Großraumbüro arbeiten oder in die Schule gehen ist dagegen zu abstrakt, um den gleichen Aufschrei zu beschwören. Deshalb war für den Mallorca-Urlauber (und Auslandsreisen insgesamt) der Hammer notwendig: Testpflicht und Thema erledigt. Genau dieser Hammer hat allerdings die Gräben noch einmal verschärft, denn der Krater des Einschlags scheint mittlerweile immer schwerer zu überwinden.

Rückbesinnung auf persönliche Freiheiten statt Urteilen

Diese Entwicklung hinterlässt auch bei uns Spuren, insbesondere in den (anonymen) Kommentaren auf der Webseite. Doch wenngleich die Debatte in persönlichen Gesprächen (so selten sie aktuell auch vorkommen) weniger aggressiv ist, merkt man die Polarisierung auch hier. Das gilt selbst für all diejenigen, die wie ich das Reisen lieben. Persönlich finde ich zum Beispiel Reisen unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen aktuell völlig in Ordnung, sofern es nicht zwingend in ein Hochinzidenzgebiet geht, in dem Corona politisch verharmlost oder ignoriert wird. Gleichzeitig habe ich mir vorgenommen, in diesen Zeiten generell jegliche Risikogebiete zu meiden (mit Ausnahme von unserem Büro in Berlin-Kreuzberg ist mir das ganz gut gelungen ;)). Deshalb verurteile ich aber keine Kollegen, keine Freunde oder auch Leser, die in diesen Zeiten ihren Urlaub in einer Region verbringen, in die ich nicht fahren würde. Das liegt für mich schon in unserem System des gesellschaftlichen Zusammenlebens begründet, denn jeder genießt persönliche Freiheiten – solange sie nicht die anderer einschränken.

Cancun 169 Mexiko

Genau dieses Verständnis für die Meinung anderer geht meines Erachtens immer mehr verloren und führt zu dieser enormen Polarisierung, die wir aktuell erleben. Nach Gutdünken wird dabei über andere geurteilt, aktuell eben wieder besonders gerne beim Thema Reisen. Die einen sind Stubenhocker, die sich nicht vor die Tür trauen. Die anderen sind verantwortungslose Rabauken, die das Leben aller gefährden. In einer urteils-geprägten Diskussion gibt es kein dazwischen mehr und scheinbar gibt es auch kein “egal” mehr. Natürlich ist es in einer Pandemie nicht egal, was andere machen, denn es bedarf nun einmal gemeinsamer Anstrengung, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Doch gegenseitiges Urteilen ist am Ende wohl kaum die Lösung der Probleme, denn dieses fördert wohl eher Fehlverhalten, als es zu reduzieren.

Fehlverhalten ist dabei auch ein gutes Stichwort, denn was “richtig” und “falsch” ist, lässt sich in dieser Pandemie eben auch enorm schwer klassifizieren. In der deutschen Corona-Politik hat der Tourismus einen schweren Stand, in vielen anderen Ländern waren Hotels dagegen zu keinem Zeitpunkt geschlossen – viel schlechter sind viele davon auch nicht durch die Pandemie gekommen. Ob Reisen in diesem Stadium der Pandemie wirklich relevant auf das Infektionsgeschehen auswirken – darüber scheiden sich die Geister, insbesondere wenn Hygienemaßnahmen, Testpflicht und Quarantänebestimmungen eingehalten werden. Genau dieser Punkt ist für mich am Ende auch entscheidend, denn ein Fehlverhalten sind Reisen eben nicht, wenn sich der Reisende sowohl im Gastland als auch bei der Wiedereinreise an alle Regeln hält. Eben diese wurden ja erlassen, um einen vernünftigen Kompromiss zwischen Reisefreiheit und Infektionsschutz herzustellen, genauso wie Regeln auch in vielen anderen Bereichen einen Kompromiss darstellen.

Es ist an der Zeit wieder zusammen zu finden

Die Pandemie wird uns noch eine lange Zeit begleiten und Debatten rund um Neid und das angebliche Fehlverhalten anderer wird so schnell auch nicht verschwinden. Immerhin gibt es neben Reisen noch viele andere Themen, die aktuell nur in den Hintergrund geraten sind: Fleischkonsum, große Geländewagen oder Flüge generell – da sind wir schon beim Reisen. Damit wir alle wieder ein wenig mehr das Leben genießen können, gerade in diesen komplexen Zeiten, sollte jeder einen Moment über das eigene Verhalten nachdenken. Das gilt für den Autor genauso wie für jeden Leser, denn wir alle neigen dazu, anderen Fehlverhalten nach einer Interpretation vorzuhalten – in Corona-Zeiten genauso wie davor und danach. Jetzt allerdings ist der perfekte Zeitpunkt, um das Schritt für Schritt hinter uns zu lassen und wieder zusammenzufinden. So könnte “Reisen verbindet” gerade in den kommenden Monaten zu einem wiederbelebten Leitspruch werden, der nicht nur für den Tourismus eine Zeitwende einläutet!

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

Fragen? In der reisetopia Club Lounge auf Facebook beantworten wir Eure Fragen.

  • Sehr guter Beitrag Moritz, spricht mir aus der Seele. Da ich privat wie beruflich auf beiden Seiten des Atlantiks zuhause bin, bin ich über die aktuelle Entwicklung mehr als erschüttert. Auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie fehlt es an Strategien und Perspektiven seitens der Politik. Es scheint, dass in Berlin gerade die Kompassnadel vollständig abgebrochen ist, was auch in der Bevölkerung zu Agonie, Angst und Schuldzuweisungen – wie im Falle des Reisens von Dir beschrieben – führt. Nach einer längeren Reisepause im letzten Jahr bin ich seit Ende 2020 wieder ab und zu unterwegs. Dabei merke ich, wie schlecht die Stimmung bei uns im Vergleich zu anderen Ländern ist. In den USA herrscht seit einigen Wochen eine regelrechte Aufbruchstimmung. Es wird wieder positiv nach vorne geschaut, was auch in geschäftlicher Hinsicht spürbar ist. Dazu kommt auch das meine Familie und Freunde in den USA bereits alle ihre erste Impfung erhalten haben.

    Ich wünsche mir wieder mehr positive Impulse und klare Perspektiven aus der Politik. Und ein sofortiges Ende dieser Dämonisierung der Reisebranche. Es sollte im Interesse Berlins sein, ein positives Klima im Jahr 2021 zu schaffen – wir befinden uns schließlich in einem Wahljahr 😉

  • Corona ist aber leider nur ein (1) Teil des Problems; beim Thema CO2 gehts doch genauso weiter bzw. war es vorher schon schwierig zu diskutieren.
    Ich erinnere mich an eine Frage von mir zu nem (geschäftlich notwendigen) Inlandsflug für die ich in der Facebook Lounge von Eurer Community sowas von unverschämt und hart angegangen wurde dass ich mir das Posten und die Mitarbeit seither gespart habe.

    • Hi Tim, ich gehe da sicher mit dir, ich finde die Entwicklung nur zuletzt noch einmal krasser. Unterschiedliche und krasse Meinungen gab es zuvor natürlich auch schon, aber in den meisten Fällen gab es noch eine Mitte – für die wir hier ja auch seit jeher stehen. Ich hoffe, dass sich genau das wieder einpendelt.

  • Sehr wahre Worte und die aktuelle Situation gut zusammengefasst.
    Wenn ich jedoch die letzte “Empfehlung” der Politik zum Thema Fitnessstudios lese (“man kann im eigenen Garten bleiben”), sehe ich für die Reisebranche schwarz.
    Was die beiden “Meinungsfronten” anbetrifft, sehe ich ein grundsätzliches Problem, dass es in DEU viele Menschen gibt, die gern anderen was vorschreiben (z.B. wie schnell man auf der Autobahn fahren soll, wie oft man Fleisch essen soll und eben ob man in der Pandemie reisen soll und und). Dass diese Menschen am lautesten die Verbote befürworten und auf der anderen Seite massiven Widerstand provozieren, liegt auf der Hand.
    Für mich und meine Familie ist Reisen sehr wichtig. Ich hatte Verständnis letzes Jahr im ersten Lockdown als es hieß, dass man sich für gewisse Zeit in Verzicht üben soll. Mittlerweile kann man jedoch von keinem temporären Zeitabschnitt mehr sprechen, man reagiert in der Politik weiterhin mit kurzfrsitigen Maßnahmen, Ausgang völlig unklar, langfrsitige (Öffnungs-)Strategie fehlt völlig. Da frage ich mich wie lange soll ich denn noch auf Reisen verzichten 1 Jahr? 3 jahre? gar zehn Jahre? Und was dann? Bin ich dann noch fit genug zu reisen, bin ich dann nicht schon zu alt? Ein zweites leben habe ich nicht…

  • Ich hatte erst vor wenigen Tagen eine ähnliche Diskussion mit einem Freund über diese Thematik. Mich macht es fast schon traurig, dass sich die Gesellschaft so sehr spalten lässt und sich die Fronten mehr und mehr verhärten. Statt sich gemeinsam an einem Tisch zu setzen (oder aktuell zu mindest vor einer Kamera via Zoom) wird sich ignoriert, gehasst und auseinander gelebt. Lieber Moritz, ich denke dass du diese Problematik sehr gut zusammengefasst hast. Ich stimme dir da zu 100% zu. Der Kompromiss zwischen Infektionsschutz und Wahrung der Freiheitsrechte ist entscheidend. Manchmal frage ich mich, ob es auch um Themen wie Neid oder Missgunst geht ?
    Ich hoffe, dass wir mit den bereits wohl durchdachten Hygienekonzepten schnellstmöglich weitere (Reise-)lockerungen erreichen können. Bis dahin bleibt leider nur der Weg in weiter entfernte Ziele, vor allem ins Ausland, um die Reisefreiheit zu erleben. Reisen verbindet!

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