Könnten Qualitätsmängel beim Absturz der Boeing 737 MAX von Ethiopian Airlines eine Rolle gespielt haben?

Die Boeing 737 MAX ist nicht erst seit Anfang dieses Jahres negativ behaftet, als ein Panel einer Boeing 737 MAX 9 von Alaska Airlines während des Fluges abhandengekommen ist. Probleme mit dem Schmalrumpfflugzeug reichen viel weiter zurück. Schließlich sorgten zwei aufeinanderfolgende Abstürze einer 737 MAX 8 in den Jahren 2018 (Indonesien) und 2019 (Äthiopien) für Aufsehen. Die Flugzeugunglücke hatten 346 Menschenleben gekostet. Folglich musste Boeing hohe Summen an Entschädigungen, Strafgeldern und Produktionskosten bezahlen. Nach etlichen Überprüfungen, Tests und Verbesserungen wurde das Flugverbot in vielen Teilen der Welt wieder aufgehoben. Doch nicht alle Ingenieure belassen es dabei. Die Foundation for Aviation Safety hat sich die 737 MAX nochmals genau unter die Lupe genommen und erstaunliche Erkenntnisse festgestellt, wie The Seattle Times berichtet.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Foundation for Aviation Safety hat einen Bericht zu ihren jüngsten Erkenntnissen zum Flugzeugunglück mit einer Boeing 737 MAX 8 von Ethiopian Airlines im Jahr 2019 offengelegt
  • Bei der Montage des abgestürzten Jets scheint es eine Reihe elektronischer Probleme gegeben zu haben
  • Die Problematik könnte auch die aktuelle MAX-Flotte unsicher machen

Eine Reihe elektronischer Probleme

Ed Pierson, ein gekannter Boeing-Whistleblower und ehemaliger Mitarbeiter des Konzerns, leitet mittlerweile die Foundation for Aviation Safety. Die Interessenvertretung zur Untersuchung der kommerziellen Luftfahrt wurde nach den verheerenden Flugzeugunglücken mit Boeing 737 MAX Flugzeugen in den Jahren 2018 und 2019 ins Leben gerufen. Seither strebt die Stiftung danach, die Flugsicherheit zu verbessern, indem wichtige Probleme, welche die kommerzielle Luftfahrt betreffen, untersucht und offenlegt werden. Zum Unglück einer Boeing 737 MAX von Ethiopian Airlines gibt es jetzt neue Erkenntnisse und sie sind auch heute noch relevant.

Boeing 737 MAX Flotte
Auch Boeing selbst hat indessen Probleme im elektronischen Verkabelungssystem bei der 737 MAX festgestellt

Bei der Montage der abgestürzten Maschine von Ethiopian Airlines scheint es eine Reihe elektronischer Probleme gegeben zu haben. Dies geht aus einem jüngst aufgedeckten internen Bericht von Boeing hervor. Pierson bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass die Produktionsprobleme von damals noch heute die MAX-Flugzeuge beeinträchtigen würden. Piersons Annahme, dass der Absturz des Jets einem elektronischen Problem zugrunde liegen könnte, wird von einem Bericht der Federal Aviation Administration (FAA) aus dem Jahr 2018 untermauert. Aus diesem geht hervor, dass Mitarbeitende in einem Boeing-Werk in Everett zu schnell arbeiten mussten und somit fehlerhafte Teile produzierten. 

Elektronische Fehlermeldung bereits vor dem Absturz

Nicht außer Acht zu lassen sind die Kommunikations-Protokolle zwischen Boeing und Ethiopian Airlines. Ihnen zufolge sei es bereits Monate vor dem Unglück zu einem Sicherheitsvorfall während des Fluges gekommen, welches ebenso auf einen elektronischen Fehler zurückzuführen war.

Boeing 737 MAX 9
Hinsichtlich der Abstürze gestand Boeing unlängst, die US-Regierung betrogen zu haben

Der Executive Director der Foundation for Aviation Safety kreidet Boeing überdies an, die Dokumente den Aufsichtsbehörden vorenthalten zu haben. Er fügt hinzu:

Boeing knew the manufacturing was an absolute disaster.

Ed Pierson, Executive Director der Foundation for Aviation Safety

Pierson zeigt sich überzeugt davon, dass Herstellungsfehler bei den Abstürzen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Auch vergangenen Donnerstag, im Zuge der Offenlegung der neuen Erkenntnisse, bekräftigte der ehemalige Boeing-Mitarbeiter, dass derartige Mängel in der aktuellen Flotte die MAX weiterhin unsicher machen würden.

Untersuchungsbehörden sind sich uneinig

Das National Transportation Safety Board (NTSB) und die Federal Aviation Administration (FAA) sind im Zuge ihrer Untersuchungen des Absturzes von Ethiopian Airlines jedoch auf abweichende Ergebnisse gekommen. Das NTSB war der Annahme, dass ein Bird Strike (Vogelschlag) den Sensor und die MCAS Software (Maneuvering Characteristics Augmentation System) beschädigt hat. Die FAA behauptet wiederum, dass der Sensor aufgrund von Qualitätsmängeln in der Produktion ausgelöst wurde.

Flugzeuginspektion
Immer wieder wurden neue Fehler bei der Boeing 737 MAX entdeckt

Sowohl dem NTSB als auch der FAA liegen die jüngsten Erkenntnisse der Foundation for Aviation Safety vor. Bislang hieß es jedoch nur, dass man die erhaltenen Dokumente prüfen werde. Auch von Boeing kam eine kurze Stellungnahme mit Verweis, dass man vollständig kooperiert und relevante Informationen für die Untersuchung bereitgestellt habe:

We defer to the investigative agencies for further information.

Boeing

Es bleibt jedenfalls spannend, welche weiteren Erkenntnisse zu den eben genannten, aber auch zu anderen Zwischenfällen mit Flugzeugen des US-amerikanischen Herstellers ans Licht kommen werden. Schließlich seien Pierson zufolge auch die jüngsten Maßnahmen, die Boeing ergriffen hat, völlig unzureichend.

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Autorin

Bereits zu ihrer Schulzeit an der Kärntner Tourismus Schule hat Beate das Reisen für sich entdeckt. So verbrachte sie jeden Sommer im Ausland. Auch während ihres Tourismusmanagement-Studiums in Wien war Beate viel unterwegs. Bei reisetopia kann sie nun ihre Leidenschaft zum Schreiben und Reisen perfekt miteinander kombinieren.

Fragen? In der reisetopia Club Lounge auf Facebook beantworten wir Eure Fragen.

  • Bei der Nennung von Zahlen („mehrere Hundert Menschenleben“) ist bitte mehr Genauigkeit angebracht – aus Respekt vor jedem einzelnen Menschen, der durch die Abstürze der beiden Maschinen vom Typ Boeing 737 Max ums Leben gekommen ist!

    Zwei Abstürze, 346 Tote, tausende Betroffene Menschen (Familien, Freunde) und ein profitgieriges Management eines Konzerns namens Boeing, das hierfür die Verantwortung trägt!

    • Liebe Estelle, vielen Dank für Deinen Hinweis. Es war gewiss nicht meine Absicht, an dieser Stelle nicht die genaue Anzahl der 346 tragisch verunglückten Menschen zu nennen. Selbstverständlich habe ich dies umgehend nachgeholt. Ich wollte in keinster Weise respektlos sein. Beste Grüße, Beate

    • Da ist aber auch sehr viel Emotion drin.

      Ja, es waren 346 Menschen. Das ist natürlich tragisch (so wie jeder Unfall wo unverschuldet Menschen umkommen).
      Aber die Emotionalität mit der das Management von Boeing angegangen wird ist fehl am Platze. Als wäre es schlimm nach Profit zu streben. Ein Konzern muss Geld verdienen. Und mehr Geld ist besser als weniger Geld. Und so wie alle Konzerne, Firmen oder sogar Privatleute werden kosten reduziert, bis es zu einem Nachteil kommt.

      • Niemand bestreitet ernsthaft, dass eine Airline Gewinne erwirtschaften muss.

        Und wenn Du Dich ernsthaft mit der Geschichte von Boeing, mit den beiden Abstürzen und mit den bis heute bestehenden unglaublichen Mängeln in der Fertigung und in der Qualitätskontrolle beschäftigt hättest, stellt sich eher die Frage, wie man hier nicht fassungslos (und damit emotional) werden kann.

        Ich habe eine Freundin verloren, die mit ihrem Mann und ihrem Kind in Äthiopien mit einer Boeing 737 Max abgestürzt ist.

        Boeing hat sich im Übrigen in einer Vereinbarung mit dem amerikanischen Justizministerium schuldig bekannt.

      • Was für ein zynischer Kommentar…
        Aufgrund der fatalen Entscheidungen des Managements von Boeing bei einem Linienflug in einer der Boeing 737 MAX in den Tod gerissen zu werden, dürften die meisten der 346 Menschen wohl als einen entstandenen Nachteil interpretiert haben, zu dem es gekommen ist.

      • @Estelle Ich habe mich sehr wohl mit dem Thema Boeing beschäftigt. Es gibt nicht nur einen ausführlichen Bericht dazu.

        Meines Erachtens sollte man niemals die Fassung verlieren oder fassungslos sein.

        Ich möchte weder Boeing oder das Boeing Management als die Opfer darstellen. Und das Boeing sich schuldig bekannt hat, ist nun auch keine Überraschung. Wer trägt sonst die Verantwortung?

        Die Mängel in der Fertigung sind durch eine Ausgliederung einer ursprünglich eigenen Fertigung entstanden. Die dann vorhandene Tochtergesellschaft hat die Kosten gedrückt und ist an einem Punkt gekommen, wo nicht nur die Kosten gedrückt wurden, sondern auch die Qualität auf ein Niveau gedrückt wurde, was nicht mehr haltbar war.

        Dazu kamen Kontrollen, welche ihren Namen nicht gerecht wurden.

        Aber, und dass muss ganz deutlich werden. Kostensenkungen sind normal und üblich (auch zu Lasten der Mitarbeiter). Ausgliederungen von Konzernbestandteilen ist auch normal und richtig.
        Ich bin mir zu 100% sicher, dass Boeing aus heutiger Sicht einen anderen Weg bei der Qualität (nicht bei der Ausgliederung an sich) einschlagen würde. Denn die Kosten, die Boeing durch die Abstürze sowie die verlorene Kundenreputation sind viel mehr als die ersparten Milliarden.

        @Pedro Nunez
        Die Entscheidung des Managements hat sich erst hinterher als fatal heraus gestellt. Und zu Recht zahlt Boeing nun dafür. Aber es sind genau diese Manager, die vorher einen großartigen Konzern kreiert haben, der viele Milliarden Gewinne ausgeschüttet hat.

        Jeder Manager eines Konzerns, ob VW, Audi, Boeing oder Airbus trifft Entscheidungen, welche potenziell das Leben gefährden. In den meisten Fällen geht es gut, weil das Risiko gut austariert ist. In diesem Fall ging es nicht gut aus und fehlende Kontrollen (das finde ich am schlimmsten!) haben es nicht aufgedeckt.

      • In Sachen Ökonomie benötige ich keine Nachhilfe, danke, ich habe erfolgreich in Wirtschaftswissenschaften promoviert.

        Fliegen hat immer mit Vertrauen zu tun in Hersteller, Airlines, Cockpit, Kabine, Tower…

        Insofern sind wir hier zumindest in Richtung emotionale Ebene unterwegs.

        Die Entwicklung von Boeing über viele Jahre ist deutlich komplexer als von Dir dargestellt und betrifft nicht nur Outsourcing und ein Tochterunternehmen, und sie ist und bleibt erschreckend bis zum heutigen Tag.

        Profitgier, Sicherheits- und Qualitätsprobleme, Arroganz und eine entsprechende Unternehmenskultur.

        Nur ein Beispiel:

        Ein US-Kollege (von Fach) hat letztes Jahr zum Ausdruck gebracht, dass bei Airbus Facharbeiter und Ingenieure für die Montage zuständig sind und bei Boeing angelernte Hillbillies, die niemals selbst in die von Ihnen zusammengebauten Maschinen einsteigen würden.

        Das trifft es ziemlich gut, und das wurde bestätigt.

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