Der Europäische Gerichtshof fällt ein verbraucherfreundliches Urteil. Nationale Behörden können eine Airline dazu verpflichten, Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu leisten. Ein Gerichtsbeschluss ist dafür nicht notwendig.

Nach einem Urteil des EuGH können nationale Behörden von EU-Mitgliedsstaaten eine Entschädigungszahlung an betroffene Passagiere anordnen, die von der ausführenden Fluggesellschaft gezahlt werden muss. Passagieren steht bei großen Verspätungen oder kurzfristigen Annullierungen im Regelfall eine Entschädigung zwischen 250 und 600 Euro zu, wie das Handelsblatt berichtet.

Hintergründe zum EuGH-Urteil

Auf einem Flug von New York nach Budapest mit der polnischen Airline LOT kam es zu einer Verspätung von mehr als 3 Stunden, die die Fluggesellschaft zu verantworten hatte. Demnach stand den betroffenen Passagieren nach der EU-Verordnung eine Ausgleichszahlung von 600 Euro zu. Infolgedessen ordnete die nationale Verbraucherschutzbehörde in Ungarn die Zahlung eben dieser an. Dagegen wehrte sich die Fluggesellschaft, da nur nationale Gerichte eine Zahlungsverpflichtung feststellen können. Dem ist aber nicht so, wie der Europäische Gerichtshof nun urteilt.

LOT
LOT erlitt eine Schlappe vor dem Europäischen Gerichtshof

Demnach steht eine behördliche Anordnung zur Ausgleichszahlung in keinem Widerspruch zu europäischen Gesetzen. Der Europäische Gerichtshof hält aber fest, dass dies nur unter einer Bedingung gilt: Sowohl der Passagier als auch die Fluggesellschaft müssen die Möglichkeit haben, die Anordnung der Behörde anfechten zu können.

Auswirkungen in der Praxis

In der Praxis könnte nun die deutsche Verbraucherschutzzentrale oder die Schlichtungsstelle (SÖP) die Airline zur Zahlung einer Entschädigung verpflichten. Diese Behörden müssten aber vorher von dem deutschen Staat dazu legitimiert werden. Sollte es dazu kommen, ist zu erwarten, dass die Airlines gegen jede behördliche Anweisung Rechtsbehelf einlegen.

Design Ohne Titel (8)
Am Ende entscheiden voraussichtlich nationale Gerichte über Entschädigungszahlungen

Folglich müssen dann doch wieder Gerichte entscheiden, ob der Anspruch gerechtfertigt ist oder ob etwa außergewöhnliche Umstände vorliegen. Bei gewissen Konstellationen (schlechtem Wetter, Terrorwarnung) entfällt die Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung.

Fazit zum EuGH-Urteil

In erster Linie ist es für Verbraucher vorteilhaft, wenn man einen standardisierten Anspruch nicht selbst gerichtlich durchsetzen muss. Fast alle Airlines lehnen berechtigte Forderungen nach der Entschädigungszahlung konsequent ab, mit teils abstrusen Begründungen. Dies lohnt sich, da die wenigsten Ihre Fluggastrechte gerichtlich einklagen und die Airline so einiges an Geld spart. Das angesprochene EuGH-Urteil ist meiner Meinung nach dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ähnlich wie bei einem Mahnbescheid werden die Airlines gegen jede Zahlungsaufforderung Widerspruch oder Rechtsbehelf einlegen.

Ihr habt spannende Informationen, Euch fehlen wichtige Themen oder Ihr habt einfach eine Anregung für neue Content Ideen? Dann sendet sie uns über dieses Formular!

Autor



Fragen? In der reisetopia Club Lounge auf Facebook beantworten wir Eure Fragen.

  • Die EU261 Verordnung von 2004 steht sogar eigentlich folgendes:

    “Each Member State shall designate a body responsible for the enforcement of this Regulation as regards flights from airports situated on its territory and flights from a third country to such airports. Where appropriate, this body shall take the measures necessary to ensure that the rights of passengers are respected. The Member States shall inform the Commission of the body that has been designated in accordance with this paragraph.”

    Damit muestte in z.B. Deutschland das Luftfahrtbundesamt als zustaendige Aufsichtsbehoerde dafuer sorgen, dass Lufthansa/Eurowings nicht systematisch versuchen die Kompensationen zu umgehen/abzublocken. Und auch dafuer, dass puenktlich innerhalb von 7 Tagen bezahlt wird.

  • Ich sehe da schon eine deutliche Änderung des Verfahrens. Bisher hat man sich an die SÖP gewandt, wenn der Schlichterspruch der Airline nicht gepasst hat hat sie ihn abgelehnt und der Kunde war im Zugzwang.

    Mit dem oben beschriebenen Weg müsste dann die Airline die SÖP verklagen, der Kunde könnte sich erstmal entspannt zurücklehnen.

    Für mich eine deutliche Verbesserung.

    • Hallo Mike, danke für deine Einschätzung.

      Erstmal glaube ich nicht, dass die SÖP “legitimiert” ist, einfach Zahlungen zu verordnen.
      Angenommen es gibt pro Tag 10 Annullierungen oder Verspätungen über 3 Stunden.
      Pro Flug rechne ich mal mit 200 Passagieren und jeder erhält im Durchschnitt 400 Euro.
      10 x 200 x 400 = 800.000
      800.000 Euro pro Tag an Strafzahlungen…
      Ich bin mir recht sicher, dass dieses Urteil keine Praxisrelevanz in Deutschland haben wird.

      Der beste Weg besteht aus: Airline kontaktieren, zur Zahlung auffordern, Frist setzen, und wenn nichts geschieht: ab zu einem Anwalt.

      • Natürlich müsste dafür erstmal die Rechtsgrundlage geschaffen werden, aber das entscheidet die Politik und kein Rechenbeispiel.

        Aber warum soll ich sofort meine Zeit aufwenden, zum Anwalt rennen und ein gewisses Kostenrisiko tragen, wenns doch auch ein Onlineformular tut und ich entspannt das Ergebnis abwarten kann (das auch noch kostenlos)?

        In der Vergangenheit reichte bei mir mitunter das bloße Einschalten der SÖP, dass die Airline das Tal des Schweigens verließ und innerhalb von ein paar Tagen zahlte.

Alle Kommentare anzeigen (1)