Auch wenn die Deutsche Bahn und die Telekom bereits Fortschritte beim Ausbau des Mobilfunkempfangs gemacht haben, hinkt die Digitalisierung des Konzerns noch weit hinterher.
Deutschland strebt eine Verkehrswende an, bei der die Bahn pünktlicher und zuverlässiger werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, ist neben einer umfassenden Sanierung der Infrastruktur vor allem die Digitalisierung des Schienennetzes notwendig. Die Umsetzung der “Digitalen Schiene Deutschland” gestaltet sich jedoch deutlich schwieriger als ursprünglich geplant und die Modernisierungspläne drohen sich weiter zu verzögern, wie die Tagesschau berichtet.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Projekt „Digitale Schiene Deutschland“ und die Einführung des European Train Control System (ETCS) verlaufen langsamer als geplant
- Viele Stellwerke, die für die Zugsteuerung notwendig sind, stammen aus der Kaiserzeit oder aus den 1960er-Jahren. Eine umfassende Modernisierung wäre notwendig, um die Kapazität und Effizienz der Bahn zu steigern
- Laut interner Berichte mangelt es dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr an einer klaren Führungsrolle und zentralen Steuerung
Bahn will das Projekt vorerst stoppen
Die Digitalisierung läuft bei der Deutschen Bahn derzeit schleppend und für die Zukunft macht der Konzern wenig Hoffnung. Der Bahnexperte und Digitalisierungsspezialist Hans Leister betonte, dass die digitale Steuerung der Schieneninfrastruktur viele Probleme lösen könne. Die Vorteile für die Fahrgäste machte er an einem Beispiel deutlich: Wenn zwei Züge aus entgegengesetzten Richtungen auf dasselbe Gleis fahren, muss bisher einer der Züge warten, bis das Gleis frei ist. Mit der digitalen Technik könnte dieser Zug hingegen automatisch angewiesen werden, seine Geschwindigkeit um etwa 20 Stundenkilometer zu reduzieren, um sich nahtlos hinter dem vorausfahrenden Zug einzufädeln. Die Umsetzung dieser Technik, die seit 2018 in Planung ist, ist jedoch deutlich ins Stocken geraten. Nach Unterlagen, die dem Südwestrundfunk vorliegen, will die Bahn das Projekt nun sogar vorerst auf Eis legen. Auch die Planung der neuen ICE-Generation wurde vorerst gestoppt. Nach Angaben der Deutschen Bahn sei kein Angebot eingegangen, das den Anforderungen entsprochen hätte.
Im Zentrum der Digitalisierung steht das “European Train Control System”(ETCS), das als neuer Standard für den Schienenverkehr in Europa vorgesehen ist. Während Länder wie Österreich und die Schweiz bereits große Teile ihres Schienennetzes mit ETCS ausgerüstet haben, ist das System in Deutschland erst auf wenigen Strecken im Einsatz, darunter zwischen Erfurt und Leipzig sowie in Baden-Württemberg zwischen Wendlingen und Ulm. Ähnliches ist für die Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt geplant. Das geplante europäische Zugsicherungssystem ETCS, das die Zuverlässigkeit und Effizienz des Bahnverkehrs verbessern soll, macht in Deutschland derzeit allerdings mehr Probleme als Fortschritte. Eine Recherche der ARD-Sendung Plusminus im September 2023 ergab, dass Züge wegen technischer Störungen häufig um ETCS-Strecken herum geleitet werden müssen.
Fehlende Führung und mehr Geld
Weitere Probleme ergeben sich aus der schleppenden Modernisierung der Stellwerke, die teilweise noch aus der Kaiserzeit (1871-1918) stammen. Viele werden immer noch mechanisch betrieben, und auch Relaisstellwerke, eine Technik aus den 1960er Jahren, sind noch weit verbreitet. Die modernsten Anlagen, die seit den 1990er Jahren installierten elektronischen Stellwerke, bieten zwar digitale Funktionen, ermöglichen aber nicht die engere Zugfolge, die mit volldigitalen Stellwerken erreicht werden könnte. Während ursprünglich 32 Milliarden Euro für das Projekt “Digitale Schiene Deutschland” vorgesehen waren, rechnet das Bundesverkehrsministerium inzwischen mit 68,9 Milliarden Euro.
Eine unveröffentlichte Studie der Unternehmensberatung McKinsey, die dem SWR vorliegt, bemängelt vor allem die fehlende Führung durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Ein übergreifendes, zentral gesteuertes Konzept fehle bislang, obwohl das Ministerium laut Bahn-Insidern seit Beginn des Projekts eine solche Führungsrolle übernehmen sollte. Auch die Verkehrsminister der Länder fordern nun von Bundesverkehrsminister Volker Wissing ein entschiedeneres Vorgehen. Erst kürzlich hatte auch der SBB-Chef die komplexen Strukturen im DB-Konzern kritisiert. Während sich die Verantwortlichen gegenseitig die Verantwortung zuschieben, versichern sowohl Ministerium als auch die Bahn offiziell, an der Digitalisierungsstrategie festhalten zu wollen.
Sanierung auch auf der Kippe?
Neben der Frage der Digitalisierung droht auch die dauerhafte Finanzierung des Deutschlandtickets auf der Kippe zu stehen, insbesondere nach dem Bruch der Ampel-Koalition. Mehrere Verkehrsminister fordern daher den Bundestag auf, die geplante Änderung des Regionalisierungsgesetzes trotz des Koalitionsbruchs noch zu verabschieden. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung könnte nach dem Koalitionsbruch nun auch das Geld für die Sanierung der Bahn fehlen. Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin Burkert, sagte, wenn der Bundeshaushalt 2025 nicht verabschiedet werde, fehlten der Schiene im kommenden Jahr rund 17 bis 20 Milliarden Euro, die der Bund bereits zugesagt habe. Damit drohe die dringend notwendige Sanierung zwischen Berlin und Hamburg, die gerade begonnen habe, zum Rohrkrepierer zu werden.