Die Debatte aufgrund der Corona-Krise und der ohnehin bestehenden Problematik sauberer, gefilterter Luft im Flugzeug wurde neu entfacht. Im September will die europäische Normbehörde CEN laut aerotelegraph ein neues Konzept dafür vorlegen.

Es sind keine neuen Nachrichten, die seit Kurzem im Internet kursieren. Die Debatte um schlecht gefilterte Kabinenluft existiert schon seit 1955. Immer mal wieder gab es Schwindel oder Übelkeitsanfälle bei Piloten oder der Kabinenbesatzung. Nun soll sich das weiter ändern.

Risiko von Erkrankungen 400mal höher

Seit sechs Jahren streiten sich Verbraucherverbände und Gewerkschaften mit den Größen der Industrie, wie Airbus und Boeing sowie den Airlines um saubere Luft in Flugzeugen. Gewerkschaftsverbände sind der Meinung, dass durch das Verbrennen von Treibstoff oder anderen Ölen in den Triebwerken, ungesunde Stoffe in die Kabinenluft gelangen können. So heißt es auf der einen Seite, dass die Luft im Flugzeug “gesundheitsschädigend” sei und auf der anderen Seite, dass dies doch gar nicht messbar sei und nie nachgewiesen wurde.

Die Diskussion um die Luft im Flugzeug ist vor allem wegen der Art und Weise der Luftzufuhr in fast alle Maschinen sehr präsent. Denn das, was wir, wenn wir fliegen, über mehrere Stunden einatmen, ist Zapfluft – auch bleed air genannt. Diese Luft wird aus den Verdichtern der Triebwerke gewonnen und gelangt direkt ins Cockpit und die Kabine.

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In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Beschwerden über Übelkeit, Schwindel und Sehstörungen und die britische Expertin Susan Michaelis betont, dass das Risiko von Erkrankungen bei Berufsgruppen, die diese Dämpfe einatmen 400 mal höher wäre. Betroffen seien Piloten und das Kabinenpersonal. In einem Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen wurden zwischen 2006 und 2013 mehr als 600 Fälle in Zusammenhang mit kontaminierter Zapfluft bekannt, wie das Handelsblatt berichtet. Einen handfesten Beweis, dass ungefilterte Kabinenluft Schuld an den Beschwerden ist, gibt es aber nicht. Der EU-Verbraucherverband ANEC rechnet deswegen nicht mit einer verbindlichen Norm für Flugzeugluft.

Flugzeughersteller und Industrie am längeren Hebel

Auch wenn einige Berichte Anlass zur Sorge geben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich durch eine Norm etwas ändert sehr gering. Es gibt schlichtweg keine richtigen Beweise. Die großen Hersteller wie Boeing oder Airbus zeigen sich angesichts der Behauptungen toxischer Dämpfe in der Kabinenluft unbesorgt. Laut einer Studie der Flugsicherheitsbehörde EASA sei die gemessene Luft in Flugzeugen unbedenklich und teils sauberer als in Büros oder Klassenzimmern. Sowohl Airbus als auch Lufthansa stützen ihre Aussagen auf dieser Studie.

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Der zuständige Ausschuss der europäischen Normbehörde CEN, der sich mit diesem Problem befasst, tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Daher ist nur wenig über die seit Jahren andauernden Streitigkeiten bekannt mit Ausnahme von Vincent Edery. Er ist der Leiter von TC 436, wie der Ausschuss zur Norm genannt wird und spricht offen über die Interessenskonflikte bei den Verhandlungen:

Die Gewerkschaften wollten den Herstellern eine Technik vorschreiben, die an der Quelle die verschmutzenden Stoffe vermeidet – den Übergang zu einem System, bei dem keine Luft mehr aus den Motoren in die Kabine geleitet wird. Außerdem wollten die Arbeitnehmer Aktivkohle- und Hochleistungsfilter sowie Sensoren vorschreiben, die beim Auftreten von Schadstoffen während des Flugs Alarm schlagen. Dagegen wehren sich die Hersteller. Der neue Standard, sollte er tatsächlich vereinbart werden, schreibt nicht vor, er erläutert nur, wie es gehen könnte.

Vincent Edery, Leiter des Norm-Ausschuss TC436

Im September soll nun ein Konzept vorgelegt werden, wie die Kabinenluft zukünftig sauberer werden könnte. Dennoch ist die Norm, wenn sie denn kommt, nur eine Richtlinie. Bei den über 25.000 Passagiermaschinen, die noch Jahre fliegen werden, ist eine komplette Umrüstung aus Kostengründen undenkbar. Die Einführungen von besseren Wartungen, einer besseren Ausbildung und der Sensibilisierung der Arbeitnehmer mit diesem Thema wäre hier denkbar. Beispielsweise sollen Dichtungsringe in Zukunft direkt ausgetauscht werden, wenn sie nicht mehr zu 100 Prozent Luftundurchlässig sind, man damit aber trotzdem weiterhin fliegen könnte.

Fazit zu der neuen EU-Norm für saubere Kabinenluft

Seit 2015 tagt der Ausschuss der Normbehörde schon und noch immer gibt es keine Einigung über ein Konzept für sauberere Kabinenluft. Hersteller und Gewerkschaften sind komplett unterschiedlicher Ansicht. Der wohl entscheidendste Punkt ist die Tatsache, dass eine gesundheitsschädigende Luft in Flugzeugen nie nachgewiesen werden konnte, so gibt es lediglich Indizienbeweise. Aktuell ist die Debatte um saubere Luft, aufgrund der Corona-Krise ein vielseitig diskutiertes Thema. Wenn es also zu einer Norm kommt, dann wird sie mit Wahrscheinlichkeit nicht bindend, sondern enthält nur Empfehlungen, wie Besatzung und Passagiere in Zukunft sauberere Luft atmen können.

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Autorin

Seit sie 4 Jahre alt ist, reist Julia um die Welt und besucht gerne exotische Orte und weiße Strände. Am liebsten entspannt sie irgendwo am Strand in der Sonne oder genießt beim Windsurfen die Grenzenlosigkeit des Meeres. Bei reisetopia ist sie Eure Ansprechpartnerin für Neueröffnungen, Deals und relevante News aus der internationalen Hotellerie!

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