Bei der Deutschen Bahn ist die 1. Klasse nicht wie bei Fluggesellschaften völlig überteuert. Doch trotz geringerem Preisunterschied stellt sich immer wieder die Frage: Lohnt sich der Aufpreis für die 1. Klasse?

ICE 782 von München nach Hamburg. Die 2. Klasse ist bis auf den letzten Platz gefüllt, in der 1. Klasse bleibt die Hälfte der Plätze frei. Zum Zeitpunkt der Buchung kostete das 1. Klasse Ticket für meinen Streckenabschnitt von Nürnberg nach Hamburg genau 12 Euro mehr. Kein Einzelfall, denn der Aufpreis für die 1. Klasse ist oft marginal. Dennoch stelle ich immer wieder fest, dass die 2. Klasse völlig überfüllt ist und “vorne” dennoch Plätze freibleiben.

Welche echten Vorteile bietet die 1. Klasse?

Möglicherweise liegt es aber gerade an der geringen Differenzierung zwischen den Klassen, dass nur wenige Kunden sich für die 1. Klasse entscheiden. Die wichtigsten Unterschiede lassen sich schnell erklären. Da ist einmal die Ausgestaltung des Wagens. In der 1. Klasse finden deutlich weniger Passagiere Platz. In jeder Reihe finden sich nur drei Sitze, auf der einen Seite des Zuges gibt es Einzelplätze. Die Gänge sind breiter, die Tische größer und der Fußraum ist weiter.

Die 1. Klasse im ICE ist weniger eng bestuhlt

Dazu gibt es zumindest auf dem Papier komfortablere Ledersitze. Egal in welchem ICE-Modell ich aber auch sitze: Bequemer finde ich die Sitze in der 1. Klasse dennoch nicht. Neben dem allgemeinen Sitzkomfort bietet die 1. Klasse Bordservice am Platz (bezahlen muss man aber dennoch), kostenfreie Zeitungen, kostenfreies WLAN ohne Datenbegrenzung (in der 2. Klasse wird die Geschwindigkeit gedrosselt), manchmal eine Süßigkeit als Geschenk und Zugang zu DB Lounges. Anders als mit dem Bahn Comfort Status oder einer BahnCard 100 ist mit einem 1.Klasse Ticket auch der Zugang zu den 1. Klasse Bereichen der Lounge inbegriffen. Das sind auf dem Papier nur wenige wirklich geldwerte Vorteile.

Welche indirekten Vorteile bietet die 1. Klasse?

Wer oft mit der Bahn unterwegs ist, der kennt so einige Probleme. Vor einem Schienenbruch (diese Meldung war selbst mir neu) oder einem Böschungsbrand ist man auch in der 1. Klasse nicht geschützt. Vor überfüllten Zügen oder einer kaputten Klimaanlage aber doch. Zwar habe ich tatsächlich für einen kurzen Abschnitt einmal keinen Sitzplatz in der 1. Klasse bekommen (mit einem Aktionsticket ohne Reservierung), doch selbst dabei war der Wagen noch vergleichsweise ruhig.

Auch die 2. Klasse ermöglicht teilweise ruhige und entspannte Fahrten

Ich will damit gar nicht sagen, dass ich nicht auch in der 2. Klasse schon sehr angenehme Fahrten gehabt hätte, in der 1. Klasse ist es aber durchschnittlich deutlich ruhiger. Selbst mit Kopfhörern mit Geräuschreduzierung fährt es sich in der 1. Klasse insgesamt schlichtweg etwas angenehmer. Dazu kommt: Das Internet ist meiner Meinung nach schneller, was an der geringeren Zahl an Nutzern liegen könnte.

Wie viel kostet die 1. Klasse wirklich mehr?

Doch die wohl entscheidende Frage ist eine andere: Was kostet die 1. Klasse denn eigentlich mehr? Das lässt sich so leider alles andere als einfach sagen. Geht man nach den Flexpreisen, kostet die 1. Klasse signifikant mehr als die 2. Klasse. Fast das Doppelte sogar. Doch so richtig repräsentativ ist der Flexpreis nicht, denn in Deutschland werden deutlich mehr sogenannte Sparpreise verkauft. Bei diesen gibt es immer Kontingente für die 1. Klasse und für die 2. Klasse. Die Preise beginnen bei 29 Euro für die 2. Klasse und 39 Euro für 1. Klasse.

Wer früh bucht, der kann ab 39 Euro in der 1. Klasse fahren

Auf kürzeren Strecken sind es teilweise je zehn Euro weniger. Grundsätzlich gilt dabei die Regel: Je teurer ein Ticket wird, desto weiter auseinander entwickeln sich auch die Preise. Doch es gibt so einige Ausnahmen, da die Kontingente nicht zwingend verknüpft sind. So kommt es sogar zu den kuriosen Fällen, in denen die 1. Klasse günstiger ist die 2. Klasse.

Bei meinem üblichen Buchungsverhalten, also einer Buchung zwischen vier und einer Woche vor der Abreise, kostet die 1. Klasse meist zwischen 10 und 30 Euro pro Strecke mehr. Je nach Strecke, Tag und Buchungsverhalten können die Unterschiede aber auch deutlich größer sein. Wer über eine BahnCard 25 oder 50 verfügt, kann natürlich zusätzlich einen Rabatt erhalten, der aber in beiden Klasse gleich ausfällt.

Wie viel Aufpreis für die 1. Klasse lohnt sich?

Bleibt die Frage: Wann lohnt sich die 1. Klasse? Diese Diskussion führe ich persönlich öfter und gehe dabei nach einem relativ einfachen Muster vor:

  • bis zwei Stunden Fahrt: maximal 15 Euro Aufpreis
  • bis vier Stunden Fahrt: maximal 25 Euro Aufpreis
  • bis sechs Stunden Fahrt: maximal 40 Euro Aufpreis
  • über sechs Stunden Fahrt: maximal 60 Euro Aufpreis

Auf den ersten Blick mag es kurios klingen, dass der niedrigste “Wert pro Stunde” bei den mittellangen Fahrten liegt. Das lässt sich aber schnell erklären: Bei kürzeren Fahrten ist mir der Zugang zur 1. Klasse Lounge mit einem kleinen Snack in Verbindung mit einer kostenfreien Zeitung, die ich mir so und so kaufen würde, einen größeren Aufpreis mehr.

Die WLAN-Verbindung wird in der 1. Klasse nicht gedrosselt

Auf besonders langen Strecken bin ich ebenfalls bereit einen größeren Aufpreis zu bezahlen, weil Ruhe hier zu einem wichtigeren Argument wird. Dazu kommt: Wenn man wie ich auf Zugfahrten meist arbeitet, spielt die Datenbegrenzung in der 2. Klasse selbst bei “normalen” Büroarbeit bei mehr als vier Stunden eine wichtige Rolle.

Wann verzichte ich lieber auf die 1. Klasse?

Es gibt allerdings durchaus Momente, in denen ich von meiner Regel abkomme. Das ist beispielsweise immer dann der Fall, wenn es auf einer Strecke nur alte ICs gibt. Kein WLAN, keine Zeitungen, oft kein Bordrestaurant und der Fakt, dass es oft nur Abteile gibt, machen die 1. Klasse für mich gänzlich unattraktiv.

In den neuen InterCity-Zügen ist die 1. Klasse attraktiver

Zuletzt habe ich sogar bei einem Aufpreis von nur einem Euro lieber die 2. Klasse gebucht, weil es in dieser garantierte Tische im Großraumwagen gibt. Darüber hinaus halte ich die 1. Klasse in jeglichen Regionalzügen für gänzlich unnötig.

Die 1. Klasse lohnt sich oft, aber nicht immer

Schaut man sich die Auslastung von 1. und 2. Klasse an, merkt man schnell: Ich stehen mit meiner Kalkulation für den Wert des Aufpreises vermutlich recht alleine. Das liegt sicherlich auch daran, dass viele Fahrgäste in einem schnelleren Internet und Zeitungen keinen Mehrwert sehen. Auch der Sitzkomfort ist, zumindest meiner Meinung nach, kein Grund, um unbedingt in der 1. Klasse zu fahren. Arbeitet man nicht im Zug oder legt man nur wenig Wert auf zusätzliche Ruhe, ist selbst ein kleiner Aufpreis für die 1. Klasse zu viel. Das Fehlen von “echten” Zusatzleistungen wie inkludiertem Essen (die Konkurrenz in anderen Ländern macht es vor) wird wohl auch weiterhin dafür sorgen, dass die 1. Klasse vergleichsweise leer durch die Republik rollt.

Bucht Ihr von Zeit zu Zeit die 1. Klasse oder ist für Euch jeder Aufpreis für die wenigen Zusatzleistungen zu groß?

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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